Aus der Knabenzeit (1873)#

Metadaten#

Herausgeber
  1. Wolfgang Rasch
Fassung
1.2: Stellenkommentare vervollständigt
Letzte Bearbeitung
15.11.2024

Text#

195 1821–1829.#

197 I.#

Lehrer-Originale.#

Es giebt in Berlin eine Gegend, wohin vielleicht Friedrich Schiller gezogen sein würde, wenn jenes Berufungsproject, das ihn von den Ufern der Ilm an die der Spree entführen sollte, zu Stande gekommen wäre.

Eben an diesen Ufern der Spree, an jenen holländischen Grachten, die sich, ab und zu mit Bäumen besetzt, durch die innere Stadt ziehen, hätte er, des daselbst ständig verbreiteten – Aepfelgeruchs wegen, Gefallen gefunden zu wohnen. Denn man weiß (und wer es nicht wissen sollte, kann es vom Kastellan des Schillerhauses in Weimar versichert erhalten), daß Schiller, und vorzugsweise beim Arbeiten, den Duft von Aepfeln einzuathmen liebte, und zwar Aepfeln, die – um mit der Alexander Dumas’schen Vergleichung zu sprechen – schon im demi-mondischen Zustande, dem des Uebergangs, begriffen waren.

Von der Schleusen- bis zur Gertraudtenbrücke duftet es noch heute – doch lange nicht mehr so kräftig wie damals dem Kindergemüth – nach nichts als Birnen und Aepfeln. Der schmale, trübe, in der Farbe altem Kanonenerz ähnliche Spreearm war und ist noch jetzt ständig mit hochgezimmerten langen Kähnen bedeckt, die aus Potsdam, aus der Lausitz mit Obst anfahren, selten ihre Ladung vollständig löschen, sondern sich für den Winter und sogar die Zeit, wo die Aepfel- und Birnbäume schon wieder neue Blüthen ansetzen, zum Detailverkauf bequem vor Anker legen. Die säuerliche Beimischung 198 des süßen Apfelgeruchs, die Schiller wahrscheinlich deshalb so liebte, weil sie ihn an die Kelter- und Herbstfreuden seiner schwäbischen Heimath erinnerte, konnte im Laufe eines nur von den „Dreiern“ und „Sechsern“ der umwohnenden Schuljugend abhängigen Geschäftsverkehrs nicht ausbleiben. Verspeist wurden diese ungeheuern Vorräthe sämmtlich; doch langsam.

Hier nun, dicht an einer in der Mitte liegenden sogenannten „Jungfernbrücke“ – der Forscher steht sinnend und fragt den Verein für die Geschichte der Mark: Wieso „Jungfern“? – erhebt sich ein jetzt etwas modernisirtes Eckhaus, das vor einem halben Jahrhundert die Lehr- und Lernkräfte des Friedrich Werder’schen Gymnasiums beherbergte. Dem Styl nach war es einer jener Bauten, die den Charakter aller Kasernen-, Lazareth-, Militärmagazins-, Garnisonkirchen-, Schulbauten der Fridericianischen Zeit trugen. Die Außenseite hatte hier und da etwas Stuccaturschmuck. Die Fenster waren hoch, die Zimmer geräumig. Eine große Aufgangstreppe erlaubte die Massenentfaltung der Schuljugend. Der Hof eignete sich vorzugsweise für die Nachahmung der damals beliebten Kämpfe zwischen Türken und Hellenen. Denn Kanaris, Miaulis, Kolokotroni waren in den zwanziger Jahren die Helden des Tages, deren Abbildungen, grell mit Wasserfarben getuscht, neben Ludwig Sand’s Enthauptung an allen Buchbinderläden hingen.

Das Friedrich-Werder’sche Gymnasium befand sich 1822 nach längerer Blüthezeit ohne Zweifel schon im Verfall. Gegründet durch den Philanthropinismus der Nicolaischen Zeit, zuerst geleitet vom vielgerühmten Pädagogen Friedrich Gedike, konnte die Anstalt aus Mangel an Mitteln den Wettstreit mit den beiden älteren Gymnasien der Stadt, dem Grauen Kloster und dem Joachimsthal, nicht aushalten. Die Begründung eines neuen Gymnasiums auf der Friedrichsstadt, die Verwandlung des „Köllnischen“ Gymnasiums in eine Anstalt, die sich ausdrücklich für die Aufnahme der immer mehr vom Zeitgeist empfohlenen „Realien“ in ihren Plan bekannte, waren äußere Hemmnisse, zu denen sich noch innere gesellten, die durch den derzeitigen Rector, die vorhandenen Lehrkräfte nicht überwunden werden konnten.

199 Soweit sich eine reifere Erfahrung die Eindrücke des Knaben- und des ersten Jünglingsalters zurechtlegen und ordnen kann, litt die Anstalt an unvermittelten Gegensätzen. Sie war mehr als ihre ältern Schwestern jenseits der Spree vom Geiste der Zeit berührt gewesen. Während jene den gemessenen Schritt des alten gelehrten Wesens und Wissens innehielten, war das Friedrich-Werder’sche Gymnasium aus dem Geist seiner ersten Begründung, dem Geist Nicolai’s und seiner Umgebungen, zu jähe in die Romantik der Jahre 1800–1812 übergesprungen. Der letzte Rector war Tieck’s Schwager gewesen, Bernhardi, der erste Gatte jener mit dem Lebenslauf der beiden Schlegel vielfach verwickelten Sophia Tieck, die nach mancherlei Abenteuern „freier Liebe“ noch einmal in Rom wieder in den Ehehafen als eine Frau von Knorring einlief. Bernhardi’s einnehmende Persönlichkeit, sein Talent, sich durch die Rede geltend zu machen, der spätere Charakter seiner vorzugsweise auf die modisch gewordene Sprachwissenschaft und Grammatik gerichteten Studien, seine Beziehung zu Schleiermacher und anderen Parteigängern der bekehrten romantischen Schule hatten vergessen lassen, daß der gestrenge Gymnasiarch ehemals Theaterrecensionen und leichte „Bambocciaden“ geschrieben. Trotzdem, daß die Anstalt unter ihm blühte, blieb in den Traditionen derselben ein unvermittelter Zwiespalt, der nach seinem Abgang und baldigem Tode zum Ausbruch kommen sollte.

Man sah diesen Zwiespalt der Tendenz recht an der Bibliothek, die dem Schülergebrauch geöffnet war. Die Primaner wechselten im Amt, die Bücher zu verleihen. Manches Buch wurde dem Quintaner von dem später berühmten Wilhelm Wackernagel verabfolgt. Auch Hermann Ulrici, der fromme Shakspeare-Cultuspriester, verwaltete, glaube ich, eine Zeit lang das Amt des Bibliothekars. Vorzugsweise gewandt schien die Verwaltung eines späteren Breslauer Professors der Philologie Ambrosch. Als ich später dann selbst dies Ehrenamt bekleidete, fand ich die schöne Ansammlung im trostlosesten Zustand der Verwüstung. Sie war spoliirt wie eine deutsche Bibliothek im dreißigjährigen Kriege durch die Schweden. Kein mehrbändiges Werk war noch voll-200ständig vorhanden. Die Reisen des jungen Anacharsis hatten bandweise bei allen Antiquaren der Königsstraße Station gemacht. Die reichste Literatur aus den Zeiten der Aufklärungsperiode, die Schriften Iselin’s, Zöllner’s, Uebersetzungen Addison’s, Raynal’s, die Literatur der Erfahrungsseelenkunde, Garve und Andere wurden decimirt, wie der unmittelbare Gegensatz derselben, die Schriften der Romantiker, Achim von Arnim’s, Tieck’s (der ehebevor selbst ein Schüler der Anstalt gewesen), Brentanos. Daß aber Zweifel und Glaube, Thatsachensinn und Schwärmerei, Reisebeschreibung und bunte phantastische Ideenwelt in dieser Bibliothek so dicht nebeneinander stehen konnten, eben das war charakteristisch. Im Lehrerpersonal, in den Stimmungen und Richtungen des Unterrichts scheint mir die gleiche Dissonanz geherrscht zu haben.

Der Director, ein anerkannter Mathematiker, Lehrer seiner Wissenschaft auch an der Artillerieschule, war ein Mann in mittleren Jahren, eine kurze gedrungene, mehr durch Emphysem, als durch wirkliche Fettfülle beleibte Gestalt, immer im blauen Frack mit goldenen Knöpfen, immer mit einem zum Strafen bereiten Rohrstock in den hochschäftigen Stiefeln. Es scheint eine Folge seines längeren Hauslehrerns in Rußland gewesen zu sein, wenn der sonst so weiche und milde Mann unablässig eigenhändig gegen die Abschaffung der Prügelstrafe protestirte. Die noch höhere Instanz der körperlichen Züchtigung, das „Uebergelegtwerden“, war eine regelmäßig wiederkehrende, an bestimmte Revisionswochentage geknüpfte Erfahrung selbst bei hoffnungsvolleren Jünglingen. In solchen Fällen trat die muskulöse Hand des Calfactors in Mitaction, einer stämmigen Unterofficiersfigur, die selbst die besten Kunden beim Ankauf seiner „Schinkenbrote“ vor dem Director, dem pädagogischen Peter Arbues, der dem Züchtigungsacte zusah, nicht schonen durfte. Der wunderliche, unter vier Augen liebevolle Director Zimmermann wurde gefürchtet, wie die Mäuse die Katze fürchten. Das hinderte nicht, dem immer wie zum Empfang von Besuch gekleideten, mit einem sauber ausgelegten, sogenannten „gebrannten“ Jabot erscheinenden Schulmonarchen alle seine Schwächen ab-201zulauschen. Der spottsüchtigen Jugend entging nicht des Directors ständige Zerstreutheit. Anekdoten liefen über ihn um. „Ich sehe Viele, die – nicht da sind!“ hatte er beim Ueberblick einer Klasse gerufen. Oder er redete wol Jemand mit der Frage an: „Schmidt, wie heißen Sie?“

Einem Lehrer der Mathesis, der es oft hervorhob, daß von den Griechen diese Wissenschaft die erste genannt worden wäre, einem Vertreter derselben festen Gesinnung, die seinen wackern Sohn, den parlamentszeitberühmten „Bürgermeister von Spandau“ in eine mehr als zwölfjährige Verbannung führte, hätten sich, sollte man glauben, die mehr realistisch thätigen, in den untern Klassen wirkenden Kräfte vorzugsweise anschließen sollen. Dem schien aber nicht so. Selbst die Reallehrer, die Lehrer des Griechischen und Lateinischen ohnehin, gingen dem dirigirenden Sonderling aus dem Wege, ja es drang bis an’s Ohr der Schüler die Kunde von einem Kriegszustand, der in der Lehrerwelt selbst waltete. Eine Verschwörung organisirte sich, vorzugsweise geleitet durch einen Gesangslehrer, der neben seinem Hauptamt, die Singübungen zu leiten, auch in anderen Fächern, Geschichte und im Deutschen, unterrichten wollte. Die Energie, welche dieser Professor anwandte, um aus uns allen hervorragende Opern- oder wenigstens Kirchensänger zu machen, war anerkennenswerth. Der immer wie eben vom fröhlichen Mahle kommende Herr, ein Junggesell mit schon ergrautem Backenbart und Kopfhaar, Thüringer, gebürtig aus Bernburg, seine Vaterstadt in sächsischer Weise mit zwei harten B aussprechend, gehörte zu den Theilnehmern der damals durch Zelter, Rungenhagen, Reichardt schwunghaft betriebenen Liedertafeln, spielte eine hervorragende Rolle in der Freimaurerloge „Zu den drei Weltkugeln“ und wußte im Leben der Anstalt den Chorgesang in einer Weise als obligatorisch geltend zu machen, wie nur die Kreis-Ersatzcommissionen die allgemeine Wehrpflicht. Man wurde geprüft, nochmals geprüft, heute zugelassen, ein andermal zurückgestellt, wieder hervorgerufen – alle halbe Jahre wie bei einer Rekrutenaushebung. Als Discantist wurde auch ich aufgenommen und als Basso primo entlassen. Doch begnügte sich Professor X. nicht mit seinem 202 Ruhm als Gesangslehrer, sondern machte es, wie Lißzt und Wagner, die auch ihren Tactirstock gern über die Köpfe ihrer Sänger und Instrumentisten hinweg über andere Lebensgruppen und Zustände hinausragen lassen. Unser Professor war ehrgeizig. Er gab sich das Ansehen, die Anstalt auf seinen Schultern zu tragen. Im Conferenzzimmer der Lehrer, auf den Corridoren und Treppen war er der lauteste. Und wie gering war seine Berechtigung, weiter als im Musiksaal vorlaut zu sein! Selbst die schwache Einsicht eines Unter-Secundaners durchschaute des Mannes hohles Wissen. Sein Geschichtsunterricht, der sofort aufhörte, wenn sich seine Zettel in den Notenblättern verloren hatten, Zettel, die nur Auszüge aus den Geschichtswerken von Rühs und Luden enthielten (welche Quellen er denn auch im letzten Drittel der Stunde ganz offen vorlas), war nur mit unserem eigenen Wissen zu vergleichen, wenn wir uns – die Jahreszahlen auf die Nägel der Finger geschrieben hatten.

Der Zeichnenunterricht war in den Händen eines alten Professors K. Auch diese Reliquie aus den Zeiten der Nützlichkeitstheorie war ohne jeden idealen Aufschwung. Sowie der alte Graubart mit seiner großen Zeichnenmappe und einem Kasten voll Zeichnenmaterialien eintrat, verwandelte sich die Stunde in eine jener Schülerorgien, wo man die himmlische Geduld eines Lehrers bewundern muß. Jede Ordnung schien aufgelöst. Tollheit und Bosheit gingen durcheinander; denn von Gutmüthigkeit ist bei den Ostentationen der Skandalsucht der Jugend nie die Rede. Der alte K. theilte abgegriffene schmutzige Vorzeichnungen, Handzeichnungen, Kupferstiche, Nasen, Lippen, Augen in Aquatinta, Pferde, Hunde, alles durcheinander zum Copiren aus und sprach dabei mit den Quartanern ihren vaterstädtischen Dialekt. Rief einer: „Ach der dumme Kuhstall! Den hab’ ick ja schon zweemal gezeechnet!“ so antwortete K.: „Junge, det ist ’ne Landschaft nach ’m Niederländer!“ „Ach wat!“ lautete die Replik, „so sieht’s bei Moabit ooch aus!“ Jeder zankte um das ihm bestimmte Blatt. „Zerreißt mir meine Zeechnungen nicht! Verdammte Bengels! Wer sich untersteht hier in meine Mappe zu greifen!“ „Ach, Herr K., geben Sie mir da den Kopp! Der 203 ist schön!“ „Junge, der ist for Dir zu schwer!“ „Nee, ick werd’n schon fertig kriegen!“ Von den Köpfen war ihm besonders einer von Werth, der Kopf des Mörders Heinrich’s des Vierten von Frankreich, Ravaillac’s. Regelmäßig empfahl er gerade diese Vorzeichnung. Dauerte ihm das Suchen der ihn umlagernden Quartaner nach Vorzeichnungen in seiner Mappe zu lange, so rief er: „Na, nimm doch Ravaillac!“ Worauf er oft genug mit Indignation geantwortet bekam: „Herr Jeses! Ravaillakken hab’ ick ja schon dreimal gezeechnet! Lassen Sie sich doch Ihren Ravaillac sauer kochen!“ Die Möglichkeit, daß dieser alte Mann eine solche Behandlung aushielt, lag in seiner Gewinnsucht. In jenem Kasten mit Zeichnenmaterialien fand sich Alles, was die Schüler zur Zeichnenstunde nöthig und nicht von Sarre am Werder’schen Markte mitgebracht hatten, Papier, Lineale, Bleistifte, Reißfedern, schwarze Kreide u. s. w. Da gab es ein Feilschen und Schachern. „Ne, Sie sind ’mal wieder theuer!“ „Ick habe nur en Zweegroschenstück bei mir, Herr Professor!“ So ging es durcheinander. Als der Alte endlich pensionirt wurde, kam ein jugendlicher Ersatz. Dieser brachte eine Mappe voll sauberer kleiner Landschaften, erste Proben der damals neuen Lithographie. Es war der Vater Eduard Tempeltey’s in Coburg. Die Eleganz und Würde des neuen Lehrers brachte die böse Rotte zum Schweigen.

Zum höheren Schulamts-Candidaten-Examen gehört eine in einer Gymnasialklasse vor den Schulräthen abzuhaltende „Probelection“, hierauf nach erlangtem Zeugniß der Anstellungsfähigkeit als Lehrer ein sogenanntes „Probejahr“, die unentgeltliche Lehrhülfe an irgend einem zu wählenden oder zugewiesen bekommenen Gymnasium. So gab es denn zu gewissen Zeiten eine stete Abwechslung unter den Docenten, von denen die Mehrzahl schüchtern und überhöflich, einige determinirt oder gar malitiös auftraten. Jeden suchte der Uebermuth und die nicht ruhende Spottsucht der Flegeljahre zu Falle zu bringen. Es mußten schon ganz außergewöhnliche Erscheinungen sein, die uns imponirten und still und gläubig machten. Der Versuch zum „Austrommeln“ war immer rege. Wir hatten zwei Franzosen als Lehrer ihrer 204 Sprache, einen Vollblutfranzosen, ehemaligen Offizier der „großen Armee“ – nach dem Brande von Moskau in Berlin geblieben – und den vollsten Gegensatz dieses schöngewachsenen, formengewandten, aber vom frühen Morgen an schon eine Atmosphäre von Cognac verbreitenden Militairs, den reformirten Prediger N. N., ein verhutzeltes Männlein, kaum vier Fuß hoch, unschön bis zum Exceß. Warum der Schülerwitz diesen verkörperten Begriff der Theologie von Genf und Lausanne, diesen Boileau’schen Rigoristen in Sachen der Poesie, diesen Schwärmer für Bossuet und Fénélon – „Fisel“ nannte, ist mir unerfindlich geblieben. „Fusel“ hätte der Andre, der „Colonel“ ** heißen können, der zuweilen in seinem gebrochenen Deutsch – nicht mit einem stentorischen, sondern weichlich singenden, durchaus unmännlichen Tone ausrief: „Ich habe ein Regiment commandirt und sollte Euch nicht zur Raison bringen?“

In milderer Art gab sich von Seiten unsres verwilderten Schülerstaates die Ironie, die eines schon bis Prima reichenden Lehrers gesammte Thätigkeit begleitete, des Inspectors ***. Schlesier von Geburt, hatte der ärmste, im Antlitz von den Blattern zerrissene Mann sein schlesisches Gemüth, nicht aber die schlesische stramme Thatkraft in die Mark mitgebracht. Sein Wissen galt für außerordentlich, seine Lehrgabe war gering. Die Gewohnheit der Lehrer, sich die Exercitienhefte von einem der Schüler nach Hause bringen zu lassen, hatte Einblicke in die Häuslichkeit unserer Mentore geboten. Wie schnell orientirt sich ein schlaues Knabenauge trotz seines schüchternen Klingelns und Klopfens! Der Inspector war unverheirathet, wohnte bei einem Schlossermeister, der eine hübsche Frau und vier Kinder hatte. Sogleich wollte das nun schon des Lebens kundiger gewordene Schülerauge gesehen haben, daß die Physiognomie sämmtlicher Kinder des Schlossers mit der des Inspectors die nämliche war. Die erwiesenere Schwäche des Lehrers war die Neigung zum Privatgespräch während der Stunde. Man umstand seinen Katheder und forschte ihn nach seinen Ansichten über Griechenlands Wiedergeburt aus. Die olynthischen Reden des Demosthenes sollten übersetzt werden und wir ließen uns in die Stellung der Schiffe in 205 der Schlacht von Navarin ein. Wir erhoben künstliche Zweifel über die Stellung des türkischen Admiralsschiffes, spielten satyrische „Ach nein! Nein! Die Engländer standen ja hier!“ als Trumpf aus und zeichneten auf der Platte des vor dem Katheder stehenden Tisches die Stellung der Schiffe, alles nur, um die Sorglosigkeit des gutherzigen Inspectors, der auf jede Bemerkung einging, zum Scandal auszubeuten. Der Höhepunkt der Verkürzung der Lehrstunde auf manchmal kaum zwanzig Minuten wurde vollends erreicht, als die lebhafte, mit einer sprudelnden, heisern und unverständlichen Redeweise ausgestattete Phantasie unseres Erklärers des Sallust und Demosthenes auf den Gedanken gerathen war, daß die Römer ursprünglich Germanen gewesen und sich die lateinische Sprache vollkommen aus den Grundformen der gothischen und des Sanskrit herleiten lassen könnte. Einem Programm über diesen Gegenstand folgte bald eine ausführliche Schrift, die bei Korn in Breslau erschien: „Der germanische Ursprung des römischen Volkes und der lateinischen Sprache“. Jetzt waren alle Schleusen geöffnet. Wir umstanden den Katheder, wir bewunderten sein Buch, das wir uns anschafften, wir jagten nach Etymologieen, fragten nach Vermittelungen, wenn denn doch die Gegensätze für die nächsten Bedürfnisse: „Brot“ und „panis“, „Pflug“ und „aratrum“ zu schroff waren. Die olynthischen Reden des Demosthenes geriethen fast in Vergessenheit.

Draußen in der deutschen Welt wehte damals eine herbstlich rauhe Luft. Die Hoffnungen der Befreiungskriege, die Blüthenkränze, die einst um die Denkmäler unserer großen Siege gewunden wurden, hingen verwelkt. Die Karlsbader Beschlüsse hatten den Anfang gemacht zu einer immer enger und enger die natürlichen Athmungswerkzeuge einer Nation zusammenschnürenden Bevormundung. Die wissenschaftliche Forschung, die Hebung der Universitäten, die Nothwendigkeit, die den Franzosen wieder abgenommenen Lande am Rhein geistiger an uns zu fesseln, alles das bedingte zwar Schöpfungen im Dienste der Intelligenz, Schulen, Berufungen berühmter Namen – die Periode Altenstein verleugnete nicht die Verehrung vor Kunst und Wissenschaft, die an aller-206höchst maßgebender Stelle fehlte – aber die Weisungen aus dem Polizei- und auswärtigen Ministerium wurden immer dringender, unduldsamer und ablehnend. Zuletzt wurde das gute Verhalten in politischer und kirchlicher Hinsicht bei Belohnungen und Bevorzugungen maßgebender als das Verdienst.

Wir Scholaren glaubten, daß die plötzliche Entfernung unseres gefürchteten Rohrstockschwingers, des Rectors, eine Folge seines Alters war. In Wahrheit hatte die Pensionirung desselben ihren Grund in einer Verschwörung, die der edle Freimaurer hauptsächlich geleitet hatte, ein Theologe gesellte sich ihm zu und der Sohn eines Theologen. Die Denunciation ging auf die Religionsgesinnung, die bei Zimmermann dem Geiste derjenigen Parthie der sich immer mehr lichtenden Schülerbibliothek entsprach, die noch mit Gedike, Biester und Nicolai ging. Der strenge Lehrer der Mathesis war ein Schüler Kant’s. Waren ihm Aeußerungen über den Religionsunterricht entschlüpft, hatte er ihn in den untern Klassen ab und zu selbst gegeben, genug, das immer mehr von oben her sich steigernde Drängen nach Kirchlichkeit war schon so erstarkt, daß einer der Angeber, der zugleich in einer der nächsten Stadtkirchen predigte, provisorisch in des Angeschuldigten Stelle einrückte und bis auf Weiteres der Leiter der Anstalt wurde.

Dieser Professor und Prediger N. N. gehörte zu denjenigen unserer Lehrergestalten, die das Unglaubliche leisteten, zugleich, um gefürchtet und auf der andern Seite ein Gegenstand der Jugendsucht zu sein, Alles lächerlich zu finden. Die mit einem markanten, fast südlich zu nennenden Kopf ausgestattete Gestalt war nicht verwachsen, hielt sich aber mit emporgehobener linker Schulter und niedergebeugtem, blitzende Strahlen aus den schwarz umrandeten Augen entsendenden Haupte in manchen Augenblicken wie ein Aesop und erhob sich dann wieder strafend wie Moses der Prophet. Ein Schauspieler würde etwa Richard III. so spielen können wie dieser Professor über die große Treppe und in einem neuen Lokal, in welches später die Anstalt übersiedelte, über den Hof bald hüpfte und trippelte, bald drohend und wuchtig auftrat. Die Sprechweise des uns unheimlichen Mannes war die lauteste, 207 immer wie auf Echo berechnet, dabei singend im Ton und zuweilen fast mit wirklicher Absicht, statt zu sprechen, zu singen. Die Töne gingen dann wie im chromatischen Lauf die Scala durch. Das Liebliche erhielt die hohen, das Ernste die tiefen Noten. Ihm bewußt mußte diese Weise sein, denn zuweilen fiel der Sonderling plötzlich aus der Rolle und sprach mit vollkommener Natürlichkeit. Vom Herzen dieses Lehrers mochten die Schüler wenig Beweise haben. Aber sein Verstand war unstreitig eben so groß, wie seine Unwissenheit. Bitter war sein Spott. Aus seinem scheuen unheimlichen Auge, das Niemanden Stand hielt, zuckte es irrlichterhaft unter den schwarzen Wimpern, wenn er einmal ein Urtheil über allgemeine, weltliche oder geistliche Dinge fällte. Unvergeßlich ist mir ein mit Dringlichkeit und im Tone schmerzbewegter Mahnung gesprochenes Wort aus seiner bessern Stimmung: „Lesen Sie, ich beschwöre Sie, die Dichter in Ihren jetzigen jungen Jahren! Im Alter verliert sich dafür die Empfänglichkeit!“ Eine Mahnung, die mich in die größte Unruhe versetzte und augenblicklich bestimmte, zum Kaufmann Nätebus in der Friedrichsstraße zu laufen und auf „Shakspeare, übersetzt von Meyer“ zu subscribiren. Mit diesem Meyer, dem Begründer des Bibliographischen Instituts zu Hildburghausen, wollte damals der gesammte Berliner Buchhandel seiner „Miniatur-Bibliothek der deutschen Classiker“ wegen nichts zu thun haben, so daß der anschlägige Kopf, dessen Etablissement eine so großartige Zukunft haben sollte, sich eines Colonialwaarenhändlers, des Kaufmanns Nätebus in der Friedrichsstraße, zum Vertreiben seiner Artikel bediente. Dieser Lehrer erklärte uns die Iliade. Er hatte ständig Vossens Uebersetzung zur Seite und gerieth in Folge dessen noch mehr in jenen singenden Schwung der Rede, der ihn sogar in gewöhnlicher Rede hexametrisch sprechen und einen Schüler mit einem Distichon anreden ließ:

„Geiseler, merken Sie auf, man wird es Ihnen beweisen,

Wär’ der Beweis schon geführt, längst schon wären Sie fort!“

Die Beantwortung einer Frage durch die Schüler verstand der Unwissende so lange hinzuhalten, bis er sich in den Noten 208 seiner Ausgabe oder im Wörterverzeichniß orientirt hatte. Der Bruder Freimaurer K. las Rühs und Luden zumeist verstohlen ab, der neue Director ganz offen. Deutsche Literatur lehrte er nicht nach, sondern aus Franz Horn. Ganze Kapitel brachte er einfach zum Vortrag aus den bekannten Büchern des damals noch in Berlin für Goethe, Schiller und die classische Zeit in den Zeitschriften und kleinen Theeabenden den Ton angebenden schönseligen Kritikers. „Schöner, geistreicher, treffender kann man diese Periode der Literaturgeschichte, den Göttinger Dichterbund, nicht erzählen, als unser Meister Franz Horn gethan hat. Hören Sie!“ Eines Tages war der Vortrag bis zu Wieland gekommen. Wie groß war unser Erstaunen, als wir kaum den wie gesungen vorgetragenen Namen Wieland vernommen hatten und hören mußten: „Dieser Dichter hat in solchem Grade Sitte, Anstand und Religion mit Füßen getreten, daß er für uns nicht existirt. Er wird hiermit überschlagen. Franz Horn hat es auch gethan.“ Das Nonplusultra von Vorträgen, die uns alle bis zu einem Niederkämpfen der Lachmuskeln, das krampfhaft zu werden drohte – denn wehe dem, der sein Lachen verrathen hätte! – belustigte, war der Versuch, den die Begeisterung Altenstein’s und aller officiellen Kreise für Hegel’s Philosophie in den Schulen mit Einführung einer Lehrstunde machte: „Philosophische Propaedeutik“. Als provisorischer Director theilte sich der Professor diese bedeutungsvolle Lection, die eine wahre Feierstunde des Gymnasiums hätte werden können und es unter seinem Nachfolger auch wurde, selbst zu. Wir wußten Alle, daß uns von ihm Dictate aus „Matthiä’s Propaedeutik“ gemacht wurden. Diese Dictate erläuterte dann die „philosophische Vorschule“. Ein Satz, wie etwa der: „Die Logik ist die Anleitung zum Urtheilen und Schlüsse zu ziehen –“ wurde von diesem Lehrer, während sich auf jeder Bank die geweckteren Köpfe die Hand über die Oberlippe halten mußten zum Verbergen des Lachens, folgendermaßen erläutert: „Logik, Λογικη, also griechisches Wort, die Logik ist, d. h. stellt vor oder auch ist die Anleitung, sagen wir die Wissenschaft oder auch je nachdem eine Kunst, ist also sagen wir die Anleitung, zu urtheilen d. h. Urtheile zu fällen, auszusprechen und 209 Schlüsse, Schlußfolgerungen, conclusiones latine, zu ziehen, d. h. herzuleiten, abzuleiten, kurz logisch zu schließen und logisch zu denken.“ Nun folgte sogleich § 2. In dieser Weise ging es die Stunde fort, bis endlich der dröhnende Schlag der Uhr im Hofe Erlösung von einem solchen Mißbrauch der Zeit brachte, einer solchen Täuschung des wahrhaft nach Geistesbefruchtung schmachtenden Jünglingsgemüths.

Das Provisorium hörte endlich auf. Die Neubesetzung des Directorats führt die Erinnerung auf die Lichtseiten der Anstalt, die bei so vielem Schatten nicht fehlten.

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II.#

Ersatz und Aufschwung.#

Von manchen Menschen könnte man sagen, sie seien zum Geheimerathwerden geboren. Schon auf der Schule unterscheiden sie sich von den Andern. Sie schließen keine Freundschaften, sie gerathen nicht in die Lage, zu den Excessen ihrer Mitschüler gute Miene machen zu müssen, sie legen den Lehrern, was hinter dem Rücken derselben geschehen ist, sofort offen und klar zu Tage. Nicht gerade, daß sie angeben oder aus mißgünstigem, heimliche Schliche und Tücke liebendem Gemüthe heraus liebedienerische Gesinnung zeigen; nein, ihre Haltung ist eine ihnen angeborene, in der Regel durch die Erziehung vervollkommnete. Sie besitzen von Hause aus das Talent für eine sociale Tugend, die man das „correcte Denken“ nennt.

Der „correcte Denker“ tritt nur alle Jubeljahre einmal, wenn die Dinge und Personen etwa auch allzu arg werden sollten, in die Opposition. Seine Wahl ist bei jedem Dilemma bald getroffen. Wo die gebieterische Macht der Umstände steht, dahin tritt der „correcte Denker“. Werden Hypothesen erörtert, Meinungen durchgesprochen, selbst solche, die noch keineswegs im Partheienstreit auf’s Tapet gebracht worden sind, die also noch Links und Rechts offen lassen, immer wissen diese glücklichen Naturen des „correcten Denkens“ 210 die Auffassung zu finden und zu wahren, die, wenn die Frage parlamentarisch werden sollte, die Ansicht der Ministerbank ist.

Das Musterbild eines „correcten Denkers“ im Gegensatz zur fahrigen Leidenschaftlichkeit, zur Verkennung des geziemenden Bewußtseins seiner Lebensstellung, zur Geltendmachung seiner subjectiven Begriffe vom Zukömmlichen ist der Staatssekretär Antonio in Goethe’s Tasso. Da ist der Hofton nicht etwa verkörpert als die tyrannische Regel des Ceremoniells, als die gedankenlose Gesetzgebung einer willkürlichen Anordnung der Standesunterschiede, sondern als die reine Urweisheit und Goethe’s eigenstes Erfassen von Welt und Zeit überhaupt. Der Minister des Herzogs von Ferrara hat die gleich respectvollen Worte über den Papst, über die Nepoten, über Ariost, ohne sich für den einen oder den anderen dieser Namen ganz zu verbürgen. Er würde auch Tasso von einer gewissen Seite anerkannt und ihm das Seinige gelassen haben, wenn dieser die Schranke seines Standes innegehalten hätte. Der „correcte Denker“ weiß Jeden unterzubringen, wohin er gehört. Nicht, daß im innern Mechanismus seines Urtheils nicht Pro und Contra zu einem momentanen Anprall gekommen sein könnten, ein kurzer Kampf wird gekämpft und servil erscheint an ihm nichts. Bald aber hat er sich gefunden und dann wird die durchgängige Begleiterin seines Wesens, wie bei Antonio Montecatino, die immer triumphirende Ironie sein. Die „correcten Denker“ sind Ironiker. Ständig haben sie in ihren Mienen ein sardonisches Lächeln. Bei ihrem Zustimmen zur Macht der Verhältnisse, das manche Menschen so gewöhnlich erscheinen läßt, wissen sie immer die Grazie zu wahren. Wilibald Pirkheimer und Erasmus von Rotterdam waren solche „correcte Denker“ der Reformationszeit, während Hutten und Luther mit der Thür in’s Haus fielen.

Goethe’s Antonio im schwarzen Scholastergewande, Cicero’s Verrinen oder ein Packet durchcorrigirter Extemporalien unterm Arm, war August Ferdinand Ribbeck, der endliche Nachfolger des schwarzen Predigers und Professors N. N. Ein Sohn des ersten Geistlichen der Stadt, des Probstes, hatte er eine Erziehung genossen, die ihn vor allen Merkmalen eines plebe-211jischen Ursprungs bewahrte. Den Schliff des Vornehmen mehrte noch eine Beziehung zu einem Prinzensohne morganatischer Ehe, den er mit einem andern Lehrer der Anstalt, der sich sogar ein Reitpferd hielt und in die Klasse mit Sporen kam, unterrichtete. Der Eindruck dieses in seiner Art ausgezeichneten Mannes auf die Jugend, kam schon damals, als derselbe an dem Trifolium Theil nahm, das auf Zimmermann’s Pensionirung drang (worauf er für einige Zeit die Anstalt verließ, um als Director wiederzukehren), den Wirkungen der Antike gleich. Man stand vor einer erhabenen, vornehm lächelnd blickenden Gottheit und suchte sich, zuerst angefröstelt, das etwaige warme Leben derselben heraus. Das erste Urtheil, das in des Schülers lauschendes Ohr über diesen Mann, ehe er noch selbst bei ihm Unterricht hatte, gedrungen war, kam aus der Collegenwelt. Ein cynisch gekleideter, nur kurze Zeit an der Anstalt verweilender, doch für grundgelehrt ausgerufener alter Hülfslehrer hatte Ribbeck vor den Schülern selbst einen „Terroristen“ genannt. „Terrorist“, das Wort machte dem Untertertianer zu schaffen. Es blieb lange an seinem Vorstellungsvermögen unerklärt haften. Robespierre, lernte er endlich, war ein Terrorist. Aber jener cynische Hülfslehrer ähnelte selbst einem Robespierre. Vielleicht hatte dieser den Terrorismus der Eleganz bei den Girondisten gemeint, die triumphirenden Erfolge der honetten und wohlgekleideten Leute und der „correcten Denker“.

Bald erfuhr denn auch der höher hinaufrückende Schüler selbst Ribbeck’s kurzabtrumpfende, schneidige Schärfe, seinen markanten Witz, die vornehme Geringschätzung, die jedes Nichtwissen verwundete und beschämte. Aber allmälig gingen bei längerm Zusammenarbeiten dem Schüler auch die positiven Elemente dieses pädagogischen Antonio auf. Sie lagen in der Fülle und Vielseitigkeit seines Wissens, in seiner gewandten kunstvollen Rede, in seiner klaren Uebersicht der Lernthätigkeit einer ganzen Klasse, in dem schnellen Aufrufen, Fragen, der wunderbarsten Anwendung aller Künste der sokratischen Methode. In seinen späteren Jahren trat auch neben Ribbeck’s kaustischem Witz sein Gemüth, sein herablassendes Wohlwollen und durchweg eine große Abmilderung seiner früheren Schroffheit ein.

212 Zumpt gesteht in der ersten Vorrede zu seiner „Lateinischen Grammatik“, daß Ribbeck sein Mitarbeiter gewesen. Das Gefühl für Sprachrichtigkeit war bei diesem Lehrer ein außerordentliches. Nicht nur beruhte es auf seinen Studien, von denen einiges Gedruckte Zeugniß giebt, sondern mehr noch auf seinem Tact- und Schicklichkeitsgefühl. Die letzten Reste Berlinischen Jargons wurden den Schülern durch einen wahren Schauder ausgetrieben, der den Lehrer beim Anhören gewisser Worte, wie etwa „drängeln“ und dergl., überfiel. Er hielt sich beide Ohren zu, wenn man etwa übersetzte: „Es war dem Julius Cäsar zu Ohren gekommen!“ „Die Ohren wachsen Einem ja förmlich zu Eselsohren!“ rief er mit seiner schneidenden, in der Höhe durch die Nase gehenden Stimme. „Es war dem Julius Cäsar zu Ohr gekommen“, mußte man sagen. Zu figürlichem Gebrauch für „Wissenschaft“, „Kenntniß“ ist der Plural unpassend.

Zu beklagen war des Gestrengen Neigung für cursorische Lectüre. Die Alten ließ er förmlich durchjagen, ohne daß er die volle Reproduction dessen, was man las, in unserm Vorstellungsvermögen abwartete. In den Reden des Cicero z. B., in den Verrinen, trat kein Stillstand ein. Lexikographie und Grammatik boten ihm allein die Anhaltspunkte einer Erläuterung; für Zumpt und Buttmann that er Alles. Die Vertiefung in das Gelesene selbst jedoch, Archäologie und Geschichte, die gezogene Moral des Gelesenen kamen zu kurz. Glücklicherweise ging seine Vorliebe für Etymologie und Syntax nicht soweit, uns, wie künftigen Philologen, Parallelstellen zu dictiren, wie leider einige andere Lehrer thaten.

A. F. Ribbeck kam in späteren Jahren auch noch an die Direction des Grauen Klosters, fühlte sich brustleidend und ist auf einer Reise nach Italien in Venedig gestorben. Sein „Terrorismus“ war denn doch wol überwiegend nur sein organisatorisches Talent, das jede Unvollkommenheit durchschaute, nirgend etwas Halbes duldete. Gewiß war er eine ästhetische Natur, im Styl Platen’s und Rückert’s. Die Form ging ihm über den Inhalt. Damals war die Zeit des durch Zelter, Friedrich Förster u. A. ein- und mit einer gewissen aufdringlichen Absichtlichkeit durchgeführten Goethe-213Cultus. Es lag Methode in diesem oft überspannten Preisen eines Heroen, der den „correcten Denkern“ („Hofräthe“ hat sie Börne später genannt) gegen Schiller vernachlässigt erschien. Man ließ Preisausschreibungen ergehen für das beste Gedicht auf den „Alten in Weimar“. An einem Wettkampf zwischen mehreren bekannten Namen, zu denen auch Ribbeck gehörte, wer Manzoni’s berühmte Ode auf den Tod Napoleon’s am besten übersetzte, betheiligte sich damals das ganze gelehrte Berlin. Seltsam aber, daß von diesen und ähnlichen Neigungen (auch für Germanistik) nur äußerst wenig an dem praktischen Pädagogen in der Klasse sichtbar wurde. Die größte Feinfühligkeit für dichterische Schönheit konnte von Ribbeck vorausgesetzt werden, ebenso ein verächtliches Ablehnen dessen, was seinen Neigungen und demjenigen widersprach, wofür sich sein persönlicher Geschmack gelegentlich entschieden hatte. Aber bei Alledem erlebte man in seinen Lectionen nie eine Abschweifung auf die Gegenwart, nie einen Fingerzeig für ein Unterrichtsgebiet, das vielleicht einem Andern gehörte. Und doch – wie würden den Primaner, der sich schon von draußen her seine innere Welt bestimmen ließ, einige Winke ergriffen haben über die Zeit und ihre Erscheinungen, und wenn es nur ein Wort über Goethe’s Faust gewesen wäre! Solche Offenbarungen existirten nicht. Ich gestehe, daß ich zu Ribbeck’s Lieblingsschülern gehörte, wenn ich auch wohl am schroffsten die guten Erwartungen täuschte, die seine Vorliebe hegte. Seine Religiosität war die Schleiermacher’sche, damals die maßgebende für all’ diese Ausläufe der Romantik, die sich noch ab und zu wieder zu erheben versuchte. Auch auf diesem Gebiet hatte man die „correcten Gläubigen“. Was man bekannte, war selbstredend nicht das Christenthum des Pastors Jänicke in der böhmischen Kirche, aber man würde sich doch noch eher zu diesem bekannt haben, wenn man zwischen ihm und Röhr-Wegscheider hätte wählen sollen. Ich erinnere mich nicht, ob auch Strauß in seiner Schrift: „Die Ganzen und die Halben“ auf den Schein einer größeren geistigen und gesellschaftlichen Vornehmheit im Bekennen auf Schleiermacher Nachdruck gelegt hat.

Die Romantik hatte sich überlebt. Im Verse durch ihr 214 Auslaufen in langathmige Epen, wie Schulze’s „bezauberte Rose“, in der Prosa durch ihr Auslaufen in Tieck’s Novellen, meist capriciöse Einfälle, die mit dem Aufgebot seines gewandten Dialogs und manches erheiternden, aus dem Leben gegriffenen Charakters auf Augenblicke eine gefällige Wirkung zurückließen. Neue Schößlinge trieben aus dem alten Stamm des poetisch-nationalen Dranges zur Poesie, vor dem ja alle „Schule“ zur Nebensache werden muß. Uhland war seines Ursprungs Romantiker. Mit seinem Freunde Justinus Kerner wurzelte er tief in den Anschauungen von Kunst und Leben, die sich, den Paragraphen der Lehrbücher unserer Literaturgeschichte zufolge, damals schon als überlebt hätten bekennen sollen. Zum Glück war die Triebkraft seines an Goethe’s bestes Theil wieder anknüpfenden Talentes eine freie, individuell gestaltende. So brach denn ein neues Zeitalter an, ein positivschaffendes, dessen Kundgebungen vorzugsweise in der Lyrik und lokal in der Sphäre des Stuttgarter „Morgenblatts“ auftraten. Unvergeßlich ist mir das erste Hereinfallen des Namens Uhland in unsere lateinische Welt. Es war ein Eindruck auf uns Secundaner, wie wenn sich ein Schmetterling in ein Zimmer voll werkeltägiger Arbeit verirrt hätte, ein Sonnenstrahl in eine düstere Kammer, eine Blume geworfen worden wäre auf unsern von schweinsledernen Büchern beschwerten Schreibtisch. Die Nennung war nur vorübergehend, beinahe sogar scheu, als hätte der Name Heinrich Heine gelautet. Und mit der Empfehlung war zugleich eine Warnung verbunden, die so seltsam klang, als wäre sie aus dem Schall des Namens hergeleitet gewesen. „Ein Dichter“, hieß es, „der die Sage meisterlich zu behandeln versteht, ist jetzt Uhland. Er hat nur den Fehler, nicht immer das Düstere und Unheimliche zu vermeiden.“ Oder waren das trauernde Königspaar, des Sängers Fluch gemeint? Die Zeit reifte, wo die Düsseldorfer einen Dichter illustriren sollten, der immer mehr anfing, Liebling der Nation zu werden.

Der kühne Neuerer, der in die abgelesene Franz Horn’sche Literaturgeschichtenweisheit, in dies ewige Einerlei von Bodmer und Gottsched, Klopstock, Voß, Lessing, Schiller und 215 Goethe, den Namen Uhland warf, war ein schlanker, magerer junger Lehrer, der noch etwas vom Studenten hatte, ein Angehöriger der vielverzweigten Schulfamilie Passow, Karl Passow. Sein Vortrag fesselte so lange durch eine frische Anregung, die den Reiz eines wie eingeschmuggelten geistigen Lebens von draußen her für uns hatte, bis die scharfe Beobachtung der Jugend auch ihm seine Schwächen abgesehen hatte. Seine Einleitungen der ersten Lectionen im neuen Lehrcursus waren überaus fesselnd. Sie versprachen alle Herrlichkeiten des „Fortsetzung folgt“. Plötzlich trat aber auch bei ihm Erschlaffung, Zerstreutheit, Mangel an Präparation ein. Die Stunde bekam den Charakter eines Stegreifvortrags. Erst da, als sich die Ursachen dieses Nichtworthaltens nach so viel verheißendem Anfang zu lichten anfingen, ging das Schifflein wieder mit vollern Segeln. Es war die Aufgabe des jungen Philologenehrgeizes gewesen, die Episteln und Satiren des Horaz in’s Deutsche zu übertragen. Nun wurde der bald zum Joachimsthal versetzte Lehrer fast wieder zu voll des Stoffes, so daß wir uns in der Lectüre des Horaz nur schneckenartig fortbewegten und für eine einzige Epistel fast ein Vierteljahr brauchten.

Den Preis des anregenden Lehrvermögens erwarb sich ein Angehöriger der ebenfalls weitverzweigten Lehrerfamilie Giesebrecht. Von diesem hieß es, er wäre Rector einer mecklenburgischen Stadtschule gewesen. Sein Erscheinen war ein vorübergehendes und hatte etwas von einer Probezeit oder Aushülfe. Bei diesem trefflichen Manne, der die Historien des Tacitus mit uns las, kam all’ die Anregung zur Geltung, die nur im vielseitigen Wissen eines Lehrers, in seiner eigenen Ergriffenheit vom behandelten Stoff liegen kann. Giesebrecht hatte einen nicht starken, aber eindringlichen, etwas provinziell gefärbten, doch immer männlichen Ton, den Ton einer reifen, fast hätte man sagen mögen, schmerzlich geprüften Lebenserfahrung, einen Ton, der so ganz im Einklang mit dem düsteren Colorit in den Erzählungen des Tacitus stand, mit den elegischen Betrachtungen, dem Schmerz über Zeitenlauf und Schicksal und die Seltenheit der redlichen Charaktere. Dabei bot die Erläuterung dieses Lehrers nach einer seither 216 gründlich bei uns vernachlässigten Seite hin, der archäologischen, eine Unterhaltung, die schon allein gefesselt haben würde ohne das Werk des großen Historikers selbst, das dann auch um so schärfer und klarer zu Tage trat. Wir lasen bei Andern Sophokles und selbst Aeschylus. Wir traten an die Tafel und gaben mit Kreide den Bau der Chöre an. Das metrische System Gottfried Herrmann’s war durch die Schüler August Böckh’s noch nicht verdrängt. Schlesien schien ein Privilegium zu haben, die Zöglinge des Breslauer Seminars auf die berlinischen Schulen zu schicken. Auch den Sophokles erläuterte ein Schlesier, sogar ein damals mit Achtung genannter Editor der Tragiker. Aber das Ganze seiner Leistung verlief in Mittelmäßigkeit. Der selbstgefällige Ton des Erklärers konnte nicht fortreißen, auf die Länge nicht über die Tagelöhnerei erheben. Wann wird man endlich anfangen, in den Lehrplan der obersten Klasse eines Gymnasiums eine oder zwei Stunden für die Lectüre und Erläuterung guter Uebersetzungen der Alten aufzunehmen! Der Vossische Homer gilt für verpönt in des Schülers Hand und an welcher Quelle anders gewann er denn die Totalübersicht über den großen Sänger von Chios? Im Urtext geht der Inhalt über dem ewigen philologischen Knaupeln am Worte dahin. War im griechischen Text einer Göttin ein Beiname gegeben, sogleich folgte ein langer Excurs über den Ursprung desselben. Oder eine seltene Wortformation brachte wieder ein ganzes Kapitel der Grammatik in Mitleidenschaft. Das Lesen anerkannt gelungener Uebersetzungen wird manche Erläuterung nicht ausschließen, aber ein Gedicht wird nur allein auf diese Art objectiv erfaßbar, die Schönheiten desselben werden nur so dem Verständniß und Genuß zugänglich. Was ein Primaner an griechischem Wortwissen schon aus Secunda mitbringt, ist wahrlich für jeden gelehrten Lebensberuf, den philologischen mag man ausnehmen, ausreichend.

Schlesier und kein Ende! Eine Zeitlang war auch der Physiker ein Schlesier. Diesmal nicht nur in seinem Fache der Sattelfestesten Einer, sondern auch ein mit Lehrgabe und liebenswürdiger Bonhommie ausgestatteter Docent. Niemand anders als der berühmte Dove. Obschon in diesem Fach 217 verhältnißmäßig selbst einer der ungenügendsten Schüler, begriff ich doch die Klarheit der Demonstration, die Leichtigkeit im Herbeiführen des gelungenen Experiments, des Lehrers Schöpfen aus einem beinahe für uns zu reichen Wissen. Denn hemmend war den Zurückgebliebenen allerwege die leichte Handhabung von Begriffen, die für sie noch auf der Liste des Unerklärten standen. Mit „Kali“ und „Natron“ warf der Lehrer um sich, wie mit selbstverständlichen, mit uns auf die Welt gekommenen Begriffen. Oft hätte ich den anmuthig Plaudernden, der die Hörer wie mit Sirenenton zu fesseln verstand und schon damals auf seinen Ehrensitz in der Akademie der Wissenschaften loszusteuern schien, unterbrechen mögen mit der Bitte, über unsere Sphäre nicht hinauszufliegen und uns gefälligst erst an – Sauer-Stickstoff, Oxyd und ähnliches A B C seines Wissens gewöhnen zu wollen –! Aber ein junger Docent umfängt seine Wissenschaft wie der Jüngling seine Braut. Er möchte ihr alle Schätze zu Füßen legen, alle Herzen gewinnen, jedes Ohr zum Vertrauten seines beneidenswerthen Glückes machen.

Als flüchtige Erscheinung tauchte schon früher ein anderes, spätres „Mitglied der Akademie der Wissenschaften“ auf, der Mathematiker Steiner, seines Ursprungs ein Schweizer Hirtenknabe, der von seiner Heerde zu Pestalozzi nach Iferten gelaufen kam und unterrichtet sein wollte. Den Aermsten machte sein Schweizerdialekt zur vollständigen pädagogischen Unmöglichkeit für Norddeutschland. Einen Commilitonen Namens Isleib nannte er zum Jubel der Klasse regelmäßig „Iselebbe“, welcher Name ihm denn selbst verblieb. Der Versuch mit ihm währte kaum länger als ein halbes Jahr.

Das Chaos der Anstalt hatte sich durch Ribbeck’s Directorat etwas gelichtet. Ganz beseitigen ließen sich die alten Elemente nicht. Professor N. N., der Bewunderer Franz Horn’s, behielt den deutschen Unterricht bis in die obersten Klassen und ging in seinen Vorträgen nur rückwärts, vom Göttinger Dichterbund und übersprungenen Wieland auf die schlesische Dichterschule, die frommen Liedersänger Dach, Weckherlin, Paul Flemming, deren Lieder uns vorgelesen, deren Lebensumstände breit und umständlich erzählt wurden. 218 Es ist die größte Thorheit, unsere Jugend mit Perioden unserer Literaturgeschichte zu unterhalten, die nur noch höchstens durch das Gesangbuch mit unserm Jahrhundert und der Bewährung unsrer Bildung im Zusammenhang stehen. Nur die „philosophische Propaedeutik“ eignete sich der neue Director selbst an. Das war denn allerdings eine wahre Luftreinigung der alten Atmosphäre der Anstalt, ein Bad, ein Strudelbad, Douche und Sturzwelle zugleich für uns. Ein Lehrsystem zu geben, schien dem Docenten mit Recht nicht am Orte; uns historisch von Kant’s Ding an sich und Fichte’s Ich gleich Ich zu unterhalten, wohl nicht minder. Ribbeck’s Methode war die, einige Begriffe, meist synonymische, zu wählen und diese von allen Seiten mit Schnellfragen zu vorausgesetzten Schnellantworten zu betrachten. Die ganze Klasse schien in die Denkoperation eines Einzigen verwandelt. Einer dachte mit dem Andern dasselbe, sollte es wenigstens denken, Pausen und Stockungen wurden nicht zugelassen; wer nicht unmittelbar antwortete, wurde durch den Aufruf derer beschämt, die zumeist sicher am Platze waren. Der Eindruck am Schluß dieser katechetischen Stunde war regelmäßig der, daß sich Lehrer und Schüler wie nach einer gelungenen Kunstleistung gegenseitig hätten Glück wünschen können. Drei der Primaner wurden damals von den Anderen ehrenvoll als eine „Selekta“ abgesondert. Ein späterer, schon verstorbener Pfarrer Hermann Böttcher, der jetzige Professor der Philosophie in Greifswalde George und meine Wenigkeit.

In den letzten Zeiten des höheren Schullebens tritt eine Erschlaffung, eine wahre Sehnsucht nach endlicher Erlösung vom Schulzwange ein. Immer derselbe regelmäßige Gang der Beschäftigung, immer die gleiche Verpflichtung zur Arbeit, die Abhängigkeit vom Stundenschlag bis zur Minute –! Und dabei doch so viel Reiz schon zur Freiheit, so viel Verlockung durch den Anblick des ungebundenen Studententhums, das in jener blühenden Zeit der Berliner Universität und bei den noch kleinen Verhältnissen einer damals wenig über 200,000 Einwohner zählenden, geographisch auffallend isolirten Stadt weit mehr hervortrat als jetzt. Welche Anstrengung schon der täglich viermalige weite Weg zur und von der 219 Schule! Die Anstalt wurde verlegt, doch den in der Friedrichsstadt Wohnenden nicht näher. Das sogenannte alte „Fürstenhaus“ beherbergte damals in seinen vorderen Räumen das „Intelligenzcomtoir“, in seinen hinteren, an die königliche Münze grenzenden, kurz vorher ein Gefängniß für „Demagogen“. Ein Zufall hatte mich vor Umwandlung in unsere Gymnasialansiedlung in diese vergitterten Corridore geführt, die von Wärtern mit schweren Schlüsselbunden durchschritten, von Soldaten bewacht wurden. Die einzelnen Kammern hatten Doppelthüren. Hinter ihnen schmachteten Jünglinge aus Thüringen, Westfalen, Pommern, Schlesien. Die schönste Jugendzeit ging ihnen dahin. Darunter mancher Name, der später gefeiert wurde. Die nahe „Hausvoigtei“ war überfüllt von den Opfern der Centraluntersuchungscommission in Mainz, den Vorläufern und Anbahnern von Ideen, die gegenwärtig Fürsten und Minister zu Vertretern haben. Später wurden die Gefangenen zumeist nach Köpenick in jenes Schloß abgeführt, an welchem wir jetzt zur Sommerlust so vergnügt vorüberfahren, um in Grünau Aale zu essen und die Müggelseewarte zu ersteigen. Als unser Gymnasium einzog, war jene Kerkerwelt höchstens noch am Carcer erkennbar. Die Kammern waren zu Sälen durchbrochen; Thüre, Fensterladen, Tische, Bänke bekamen einen Anstrich von grüngrauer Oelfarbe. Wir klebten noch fest auf den frischgestrichenen Bänken.

Wie gründlich damals die Universitäten purificirt wurden, wie nachdrücklich die Griffe gewirkt hatten, die Kamptz in die deutsche Studenten- und Professorenwelt gethan, diese traurige Erfahrung, die Jahrzehnte lang nachhielt und selbst durch die Julirevolution von 1830 noch nicht umgestoßen wurde, ersah sich aus dem Umstand, daß von unseren sämmtlichen Lehrern kaum Einer, vielleicht Karl Passow ausgenommen, eine Berührung mit demjenigen Geist entweder vertrat oder allenfalls ahnen ließ, der kurz zuvor in diesen Räumen so schwer hatte büßen müssen. Das mit dem Wesen der „Burschenschaften“ so nahe verbundene Turnen existirte nicht mehr. Das noch vor wenig Jahren so vielerörterte „Turnziel“ war in den Augen der Staatslenker nur der Fürsten- und Ministermord. Selbst das Feuer der Befreiungskriege, das in den 220 Schulen durch Geschichtsunterricht und deutsche Lehrstunde hätte fortlodern sollen, wurde wie ein allzu gefährlicher Brand zugeworfen und erstickt. Die Flammen brachen nur etwa in der Singstunde aus, wenn Theodor Körner’s „Schwert zu meiner Linken“ in der Hand des Jünglings „winken“ und der Tod für’s Vaterland als ein der Nacheiferung würdiges Bild in die Herzen dringen konnte. Aber Stellung zu nehmen gegen Napoleon oder Frankreich, das blieb Privatsache des Schülers. Aufklärungen über die Geschichte unsres Jahrhunderts gab es nicht, selbst nicht einmal über unsere Siege.

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III.#

Hinter die Schule gehen.#

Es giebt auch ein geistiges Hinter die Schule gehen. Ohne die Wirkungen desselben stellt sich keine wahre Freiheit im Gebrauch der von den Lehrern aufgenommenen Bildung ein. Kenntnisse, Anschauungen, die dem nächsten Schulleben fremd geblieben, muß man gewonnen haben, um die wahre „Reife“, nicht für die Universität, sondern für’s Leben zu gewinnen.

Es giebt Lehrer, die auch für dies „Außerhalb der Schule“ höchst liebevoll anzuregen, auch da, auf einem allerdings dunkeln, an Irrwegen und Klippen reichen Gebiete, Führer zu sein verstehen. In großen zerstreuenden Städten allerdings wird einem Schüler diese Wohlthat selten zu Theil. An unserm Gymnasium fehlte sie gänzlich.

Aber erst noch sei von einem wirklichen, frevelhaften Hinter die Schule gehen berichtet und eingestanden, daß dem Erzähler das Jahr 1823 verhängnißvoll wurde. Die Sonne zur Hundstagszeit brannte in diesem Jahre so heiß! Die Poesie des „Schafgrabens“, der jetzt unter den Neubauten am Tempelhofer und Hallischen Ufer, höher hinauf an den Gasanstalten begraben liegt, lockte so verführerisch in’s dunkel-221blaue, hier und da schlammige und nur nabeltiefe, aber wonnigkühle Gewässer! Dem „Wassernix“ wurde noch gründlicher gehuldigt jenseits der Linden. Zum Oranienburger Thor hinaus war die Panke nicht überall zur „Bassermann’schen Gestalt“ geworden, wie sie etwa an der Nachtconditorei der Karlstraße, einer nächtlichen Eimerfrau nicht unähnlich, an’s Tageslicht schießt – nein, bei den „Invaliden“ war sie noch ein klarer, unter jungen und alten Weiden munter dahinhüpfender und seine „Ikleye“ treibender Bach, militairblau wie alles märkische Gewässer, und des Preises würdig, das ihr Schmidt von Werneuchen gewidmet. In der Nähe des Invalidenhauses lag ein wie im hohen Schilf begrabener Pfuhl, wir nannten ihn Teich. Wie mit Polypenfangarmen griff eine unheimliche Vegetation, die auf seinem Grunde wucherte, nach unsern Lenden und Waden, wenn wir dort, ohne Schwimmhosen, hinter die Schule gegangene Jünglinge, badeten. Jetzt rauchen hier Schornsteine und erheben sich Siegesdenkmäler und neue Kasernen, wo sich so träumerisch beobachten ließ, wie die Distel ihr wolliges Blüthenhaupt auf die Schultern höchst gefährlicher Brennnesseln legte und die „Kalitte“ von einer Kartoffelblüthe auf die andre flog. Infandum scelus infanda poena piandum – und „Fordre Niemand, mein Schicksal zu hören –!“ Unter den Frevlern, die für ihren Schul-Strike, den großartigsten, der vielleicht je durchgeführt wurde, von beinahe einem Vierteljahre, zu büßen hatten, befand sich auch der Sänger des „Neuen Reineke Fuchs“, der schon auf der Schule durch eine immer flügge Lebendigkeit im Räthselaufgeben und Charadenlösen ausgezeichnete Adolph Glaßbrenner.

Das geistige „Hinter die Schule gehen“ ist beim Kinde zuerst ein neugieriges Aufschlagen alles Dessen, was der Zufall an Büchern in die Hand giebt. Sinnend, wie in ein fernes Eden verloren, steht der durch Kameradenbeispiel verführte, aber reuevoll jetzt wieder von den besten Vorsätzen erfüllte Quartaner an einem Buchladen und spinnt sich Märchen aus und lange Zukunftsahnungen von diesem und von jenem Werke, während die Wagen um ihn her rasseln, der Verkehr der Straße donnert – er könnte am Niagarafall 222 stehen und in seinem Grübeln über diesen oder jenen Titel stört ihn nichts.

In jenen Zeiten gab es noch weit mehr antiquarische Bücherstände auf offener Straße als jetzt. Am rechten Flügel der Universität, am Schloß, in der Jägerstraße, als diese noch mit „Colonnaden“ geschmückt war, hielt man im Wandern inne, um Büchertitel zu lesen. Der alte Mann, der am Schloß einen Abhub alter Bücher feilbot, hätte in einer Erzählung von E. T. A. Hoffmann figuriren können neben seinen Nußknacker-Menschen. Schräg dem jetzigen „rothen Schloß“ gegenüber, wo oft der Sturmwind Hüte und Mäntel fortzureißen droht, hielt dieser alte, wie vom Jahre 1770 vergessene und zurückgebliebene graubärtige Mann Stand. Sein nach der Mode des vorigen Jahrhunderts geschnittener Rock hatte zwei lange Seitenschöße, wie der Frack des Doctors Dulcamara auf der Bühne. Zwei Uhrketten hingen über eine bis an die Lenden gehende Weste heraus. Für den Schüler bot sein Kram nichts Brauchbares, ja, man fürchtete sich, den unheimlichen Automaten-Menschen anzureden. Coulanter war ein kleiner rundlicher, rothwangiger Mann, der ein Häuschen dicht an der Schleusenbrücke bewohnte und die Jugend Berlins vorzugsweise anzulocken verstand, Gsellius, der Begründer der großen, so blühenden Buchverkaufsfirma. Seine Ehehälfte, Frau Gsellius, kletterte wol selbst auf die Leiter, um von den oberen Fächern noch einige ihr näher bekannte Xenophons und Neposse herunter zu holen. Aber die Preise bestimmte der Gatte.

Eine Quelle mancher Heimlichkeit, doch zu fruchttragender Lectüre anregend, wurde das Erscheinen zweier Uebersetzungsbibliotheken der alten Classiker, einer, die von Stuttgart, und einer concurrirenden, die von Prenzlau in der Ukermark ausging. Die letztere, in blauem Umschlag, heimelte sich mehr an als jene in braunem, trotzdem diese als Bürgen ihrer Vortrefflichkeit die Namen Schwab, Tafel und Osiander auf dem Titel trug. Cicero’s Briefe, im Prenzlauer Sammelwerk übersetzt und erläutert von einem sonst unbekannt gebliebenen Rector Thospann, wurden eine Fundgrube für jene Thatsachenfülle, nach welcher sich der Jüngling sehnt. 223 Das abscheuliche Wortgeklaube hörte in diesen Uebersetzungen auf. Der Pragmatismus, der die Sachlagen, die Nebenumstände, die besonderen Bedingungen und nächsten Bezüge der Facten in’s Licht stellte, ergriff den Leser. Diese Sammlungen, auf welche – und auf beide zugleich – mit den größten Opfern der Sparsamkeit und Entbehrung abonnirt wurde, brachten Einleitungen in jedes Werk, die mehr enthielten, als wir in der Klasse erfuhren. Leider hatten es die Herausgeber so einzurichten gewußt, daß die Werke, die in den Schulplänen vorkamen, nicht so früh erschienen, daß sie die damals lebende junge Generation noch brauchen konnte.

Die Mahnung des Professors N. N., die Dichter in der Jugend zu lesen, wirkte nach. Der defecte Zustand der Schülerbibliothek zwang, die Leihbibliothek statt ihrer eintreten zu lassen. Unterm Tisch und sogar während der Klasse kam jene Mahnung den Uebersetzungen Walter Scott’s zu Gute, der Zwickauer kleinen Ausgabe mit lateinischen Lettern. Wenn je ein Dichter sein Zeitalter ergriffen hat, so war es der „große Unbekannte“, der „Verfasser des Waverley“, wie lange Jahre der bezaubernde Dichter genannt wurde. Raupach’s „Schleichhändler“ geben einen ungefähren Begriff von dem damals hervorgebrachten Begeisterungsgrade. Die allgemeine Reaction der europäischen Zustände, die Rückkehr und Vertiefung in die Ideen des Mittelalters erleichterten die Aufnahme dieser Arbeiten eines sinnigen Genius, gegen dessen phantasiebeschwingten Flug der gegenwärtige Gouvernanten-Roman Englands nur zu ärmlich absticht. Wie wurde ein Selbstbesitzer der Zwickauer Ausgabe umschmeichelt von den leselüsternen Kameraden! Förmliche Anwartschaften nach der Anciennität der Meldungen wurden eröffnet, wer daran käme, endlich den „Quentin Durward“ zu bekommen! Wie wurde geschwelgt in den Schrecken, die Ludwig XI. um sich verbreitete! Wie unheimlich beängstigend und zuletzt doch so rührend wirkte ein reicher Zwerg – wo kommt er vor? Im „Herzen von Midlothian“? Die Hexen Hochschottlands, die Norne von Faithful Head waren Gestalten, die für unser Bedürfniß nach drastischem Schauer nicht grotesker erfunden werden konnten. Im Zauberbann der Nachtseiten des Lebens, 224 unter den Macbethhexen, wie einst bei den Geisterbeschwörungen der Hexenküche im Faust, war dem Erzähler ästhetisch am wohlsten. Die Angst der meisten Kinder vor Geschichten, die übel enden, hatte er nicht.

Es ist ein Verlust zu nennen, wenn eine seit Generationen bestehende gute Bibliothek einer großen Stadt später zerstückelt wird. Die Petri’sche Leihbibliothek führte ihre Kataloge bis in die Literatur des vorigen Jahrhunderts zurück. Während die Königliche Bibliothek aus dem belletristischen Gebiet entweder gar nichts anschafft oder nichts verleiht, konnte sich der Liebhaber und Forscher auf dem Culturgebiet älterer Epochen in solchen und ähnlichen Bibliotheken, deren Bestandtheile jetzt vielleicht in des Stuttgarter Scheible Curiositätencatalogen zu finden sind, Raths erholen. Bei Petri war die ganze Nicolaizeit vertreten, die spätere romantische, wenigstens in ihrem polemischen Zusammenprall mit Kotzebue und Merkel, die erste „Bonaparte“-Literatur, die Erniedrigungszeit, als die „Löschbrände“, „Fackeln“, „Silhouetten Berliner Charaktere“, die Werke der Firma Peter Hammer in Köln und Amsterdam erschienen, später die Restaurationszeit, wo die „Satyriker“ Friedrich und Julius von Voß die Sittengeißler sein wollten – doch nur zu sehr verriethen, wie alles, was damals zu schreiben und zu drucken erlaubt wurde, von der Misère des öffentlichen Lebens, nebenbei auch von Pensionen und Subventionen, die man erbettelte, abhängig war. Für die damals modische schöne Literatur, für Clauren, Van der Velde, Tromlitz und Aehnliches fehlte dem Erzähler jede Neigung; nur die alte echte Romantik wurde aufgesucht, Novalis, Achim von Arnim, Brentano. Die „Hymnen an die Nacht“ begeisterten den Erzähler selbst zu einer Apostrophe an die Sterne, die er schon als Primaner dem Dr. W. Häring für sein „Conversationsblatt“ einschickte, der sie auch abdruckte. Schon vorher hatten Veit Weber’s „Sagen der Vorzeit“ um so mehr auf die Phantasie gewirkt, als die Schauplätze derselben, die alten epheuumwundenen Mauerbögen und zerfallenen Thürme der Rheinburgen, die sie wie im magischen Mondlicht neuerstehen, sich von Rittern und Reisigen, holden Frauen und deren Liebesleid beleben ließen, für den 225 auf die Kiefern der Mark angewiesenen Knaben einen erhöhten Reiz ausübten. Selbstverständlich wurde Schiller gelesen, Goethe im Faust, Götz und Wilhelm Meister, vorzugsweise Jean Paul. Letzterer wurde ein Liebling des Jünglings, der allmälig die Zeit des sonntäglichen Kirchenbesuchs zu opfern und mit dem Verweilen auf einer Bank im stillen Thiergarten zu vertauschen anfing. Jean Paul hatte damals die gläubigsten Leser. Kanzelt ihn herab, ihr Literarhistoriker, nennt ihn mit Goethe einen „Tragelaphen“ – er versetzte beim Lesen den ganzen Menschen in Mitthätigkeit! Seine Bilder- und Witzsprache griff bald in dies, bald in jenes Gebiet des Wissens über, wo wir zugleich, während nur die Unterhaltung, die Befriedigung des Herzens gesucht wurde, Belehrung fanden. Brauchte der Dichter Vergleiche mit den Erfahrungen der Alltäglichkeit, die Jedermann selbst macht, wie erging sich da die noch nicht blasirte Jugend im gesundesten Lachen! Wie gerne hätten wir uns ganz in Titan – Liane – Roquairol vertieft –! Aber die Griechen und Römer ließen uns nicht los. Zum Ueberfluß mußte noch Hebräisch gelernt werden. Eine alte hebräische Bibel wurde an derselben Stelle am Schauspielhause erhandelt, wo später der Generalintendant der Königlichen Schauspiele sein Empfangscabinet hatte. An der Ecke der Jäger- und Charlottenstraße befand sich ein Antiquar.

Das Theater befördert das geistige „Hinter die Schule gehen“ in einem solchen Grade – zunächst negativ –, daß ich kaum fassen kann, wie sich die jetzige Ueberfülle von Theatern in Berlin zur stillen Clausur des Schullebens, zur träumerischen Brütestimmung im Gemüth des Knaben verhalten mag. Ueberredet die Reclame von dieser „zwerchfellerschütternden“ Posse, von jenem „genußreichen“ Lebensbilde, diesem „durchschlagenden“ neuen Werke des Herrn N. N. auch die aufstrebende lateinische Jugend oder hat sie noch den aesthetischen Rigorismus, der wenigstens den Erzähler in seiner Jugend geringschätzend blicken ließ auf literarische Erscheinungen, Blätter, Bücher, die den Charakter des Unmusischen, Banausischen, Unstudirten an sich trugen? In meine Gymnasialzeit fiel das erste Auftreten M. G. Saphir’s und seiner 226 Nachahmer in Berlin. Komus und Jocus, der Witz und wieder nur der Witz, sollten herrschen. Die Königliche Bühne hatte eine Rivalin bekommen, die Königstädtische am Alexanderplatz. Aber in unsere heiligen Schulhallen drang von diesem Tagesflitter wenig. Erst einigen entschieden zum Belletristischen neigenden Köpfen der Prima gelang es, die stolze Ablehnung dieser flüchtigen und leichten Musenspiele des Tages zu mildern. Da wurde dann ein kleiner Theil der Klasse (durch ein unter uns handschriftlich erscheinendes Journal und einen Sonnabendclub hervorgebracht) so für „Belletristik“ gewonnen, daß meine Feder an einer Uebersetzung der Oden der Sappho feilte, ja zu einem förmlichen Buche über die öffentlichen Spiele der Römer und zuletzt zu einer Novelle ansetzte für Saphir’s „Schnellpost“, die dort auch abgedruckt ist.

Die lateinische Welt vergißt sich am ehesten im Kaffeehause. Berlin hat noch bis zum heutigen Tage keine eigentlichen Kaffeehäuser wie Paris, München, Wien. Die ungemeine Theuerung des baulichen Terrains hat eine Menge kleiner Lokale geschaffen, wo man den oft unausstehlichen Geruch altgewordener Backwaaren miteinathmen muß, um mit knapper Noth an einer Tischkante seine Tasse Kaffee zu trinken. Zum Bleiben wird man durch die Fülle der vorhandenen Journale und den Mangel an andern Lesecabinetten genöthigt. Wurden nun die Blätter oder die „Baisers“ der Conditoreien das Anziehendere –? Eines ging mit dem Andern. Doch der Sonnabend gehörte ganz der Literatur. Sonnabend Nachmittag hatten sich alle Wochenjournale eingefunden; der „Gesellschafter“, der „Freimüthige“, die aus Leipzig gekommenen „Kometen“ und „Planeten“, vor allen das damals tonangebende Stuttgarter „Morgenblatt“. Es währte nicht lange, so war der Primaner in alle schwebenden Streitfragen, in die Personalverhältnisse der zeitgenössischen Literatur, die Production des Büchermarkts eingeweiht. In Berlins belletristischer Sphäre tobte damals der helle Krieg. Saphir forderte alle Welt zum Kampfe heraus. Eine Zeitlang schützte ihn der Beifall des mittleren Publikums, sogar des Königs, der Ministerien, ja des damals Alles vermögenden Hegel. 227 Man glaubte eine Macht gewonnen zu haben, die dem für unbestechlich geltenden Kritiker Rellstab gewachsen war. Diesem verbündeten sich jedoch die alten literarischen Kräfte Berlins. Die Zahl derer, die darunter für die Bühne geschrieben hatten, stieg auf dreizehn. Saphir sagte: Ich bin dem Taschenspieler Bosko ähnlich, lasse von dreizehn auf mich schießen und ziehe dreizehn Kugeln aus der Rocktasche! Er schien unverwundbar. Eine Brochüre folgte auf die andre. Die Offizin des auf der Straße durch seinen schlanken hohen Wuchs und die abschreckendste Häßlichkeit seiner Gesichtszüge aller Welt auffallenden Mannes war die gegenwärtige der Litfaßsäulen. Aus jenem kleinen Winkel, wo einst Berlins alte Kalandsbrüder gehaust haben, kamen seine „Schnellpost“, sein „Courier“, „Staffette“ und manche spätere Nachahmung.

Das Königliche Theater bot damals in Oper und Schauspiel denkwürdige Leistungen. Die erhabenen Rollen Gluck’s und Spontini’s gab Frau Milder-Hauptmann, in dem jetzigen Fache Lucca glänzte die liebenswürdige Seidler-Wranitzki. Bader, Blume waren auf ihrer Höhe. Die Theaterzettel wechselten nur mit Olympia, Nurmahal, Vestalin, Alcidor, Iphigenie, bis der „Freischütz“ die Alleinherrschaft Spontini’s brach. Im Schauspiel herrschte die durch P. A. Wolf eingeführte weimarische Schule, die später durch die jüngeren Brüder Devrient nach Dresden übersiedelte, während in Berlin der Naturalismus zurückblieb. Frau Stich war die weibliche Zugkraft. Die schöne Frau alarmirte damals die Welt durch ihren Liebeshandel mit dem jungen Grafen Blücher, der ihrem Manne in einem Hause der Mohrenstraße, dem jetzigen Hotel Magdeburg gegenüber, einen Dolchstich versetzte. Damals begann Raupach, während noch Albini, Frau von Weißenthurn, Houwald, Clauren, Karl Blum die Lieblingsstücke des Königs lieferten. Eine allzu scharfe Beurtheilung derselben in den censurirten Blättern veranlaßte „Cabinets-Ordres“ mit weithintreffender Wirkung. Einmal wurde sogar befohlen, daß jedes neue Stück erst nach der dritten Vorstellung recensirt werden durfte. Für den Erzähler dieser Erinnerungen existirte leider diese Kunstsphäre nicht. Sein pietistischer Vater sprach 228 die Verdammungsurtheile über Theater in immer heftiger gewordenen Ausdrücken aus, so daß die Frage, ob die Mittel zum Besuch vorhanden gewesen wären, nicht erst nöthig hatte aufgeworfen zu werden. „Nur der Satan hat seine Freude an diesen Possen! Unser Heiland hat nichts vom Theater gelehrt. Sie werden’s wohl einst am jüngsten Tage spüren, ob sie lieber in’s Komödienhaus oder in die Kirche gegangen sind!“ Das wurde nicht so hingemurmelt und als die schüchterne Privatmeinung eines sich in der Minorität Fühlenden ausgesprochen, sondern stand als christlicher Glaubensartikel an der Haustafel und wurde auch von den überfüllten Kirchen bestätigt, wo die Strauß, Couard, Jänike, Goßner in jenen Tagen gegen den Geist der Zeit predigten. So konnte an andere Theatereindrücke nicht gedacht werden als an solche, wofür einmal der Zufall ein Billet auf den Tisch warf. Zuweilen war dies beim Königstädter Theater der Fall. Das denn doch augenscheinlich und ersichtlich daliegende Parterre-Billet schien schon dem exacten Sinne des Beamten seine Erledigung zu verlangen. Die mütterliche Liebe predigte Toleranz und berief sich auf die Thatsache, daß ja doch auch der König in’s Theater ginge. So sind dem Erzähler wenigstens von den Schauspielern der jungen aufstrebenden, leider in ihrer Verwaltung aus einer Krise in die andre geschleuderten Königstädter Bühne einige Erinnerungen geblieben, darunter die besten von Schmelka und Beckmann, deren Komik mit dem jetzt üblichen, sich selbst und die Welt parodirenden Ton nichts gemein hatte. Von Paris kam damals der gesungene Refrain, den Holtei im deutschen „Liederspiel“ (Vaudeville) einführen wollte, von Wien kam das schon ausgebildetere Couplet. Noch mit schwacher Wirkung, da die Mitgabe die Zauberposse war, ein Genre, das in Berlin von je nur für die Kinder existirte. Wer sich damals schon hätte hinstellen wollen und als Hausknecht oder Dienstmagd dem Publikum dummdreistaufdringlich die neusten Zeitereignisse, die Themata der Leitartikel erörtern – die Ablehnung solcher Zumuthungen würde vom Publikum selbst gekommen sein. Die Censur wäre nicht nöthig gewesen. Der Janhagel gab nicht wie jetzt den Ton an.

229 Eine breitspurige Wirksamkeit übten die Uebersetzer Louis Angely und Kurländer in Wien. Beide sind die Begründer des „Frei nach dem Französischen“. Der Erstere war auch Schauspieler und hatte eine etwas forcirte Komik. Als Ferdinand Raimund nach Berlin kam, 1832 – wo der Erzähler schon Student war – fand sich nur ein Häuflein Zuschauer im Königstädter Theater ein. Der Beklagenswerthe spielte seinen eigenen „Menschenfeind“ vor leeren Bänken. Man konnte annehmen, daß ihm die bitteren Verwünschungen des Schicksals, von denen Rappelkopf, der wienerisirte Timon, durch den „Alpenkönig“, der niemand anders als Kaiser Franzel im Incognito sein sollte, geheilt wird, recht von Herzen kamen.

Theatereindrücke, denen regelmäßig, wenn der Erzähler bald nach zehn Uhr, wo die Hausthür geschlossen wurde, heimkehrte, die Erklärung des Vaters, der jene erst zu öffnen hatte, folgte: „An Dir wird Satan seine Freude haben! Du gehst den graden Weg zur Hölle!“ konnten keine dauernde Lust daran erwecken. Die Bühne blieb mir eine Liebe aus der Ferne, die es zu keiner Erklärung kommen läßt. Mochte ich doch auch kaum voraussetzen, daß Shakspeare und Calderon, die ich für mich und mit lautem Recitiren allein las, im Schauspielhause anders erscheinen würden, als sie vor meinen Augen standen. Oft hatte ich Regungen, selbst Schauspieler zu werden. Aber die Idealität, in deren Verklärung mir alle Kunst lebte, fehlte zu sehr dem ganzen Theatergebiet. Das Ideal der griechischen Bühne wurde uns in der Klasse täglich vorgeführt, jener unter dem offenen blauen Himmel Griechenlands geführte Kampf heroischer Gestalten mit dem großen erhabenen Schicksal – wo war davon etwas in Schinkel’s neugebautem „Komödienhause“ zu suchen, wo man bei spärlichster Oelbeleuchtung durch ein Gewinde von kellerartigen Gängen und Treppen hindurch mußte, um endlich im zweiten Rang oder auf der Galerie fast immer – allein zu sitzen! Denn der Zuspruch zum Theater war damals in hohem Grade gering, trotzdem daß Friedrich Wilhelm III., wenn nicht grade im Opernhause Ballet angesetzt war, jeder Schauspielvorstellung anwohnte.

230 Einen wie andern Blick gab, statt auf den Theaterzettel mit: „Der Galeerensklave“, „Preziosa“, „Künstlers Erdenwallen“, die Welt des Geistes und der Forschung! Die Nachtstunde mit „unnützerweise verbrauchtem Oel“ ließ schönere Gebilde aufsteigen, als sie der an sich nicht mehr gefürchtete „Satan“ im Theater zauberte! Die „Prolegomena“ F. A. Wolf’s, von dessen Geist die ganze damalige Alterthumswissenschaft durchdrungen war, blieben unserm Kreise nicht fremd und wurden zu häuslichem, privaten Studium erworben. Die kühne Hypothese, daß es keinen Homer gegeben hätte, sondern nur ein homeridisches Zeitalter, eine Alluvion von Dichtungen, die sich durch die Zeiten, durch eine Schule gebildet hätten und daß zuletzt in Athen, theilweis auf Staatsbefehl, dies große Material geordnet, überarbeitet, ergänzt worden wäre – sie warf – mit Begeisterungsschwingen – den Zweifel in die Brust als Führer für’s ganze Leben. Die gläubige Natur, die angeborene oder anerzogene Verehrung der Tradition, war dahin. Alles in dem jungen Mann stockte und staunte ob dieser Enthüllung eines verführerischen Scharfsinns. Hier gab es keinen Glauben an die Unmöglichkeit, daß eine Dichtung wie durch generatio aequivoqua in’s Leben gerufen werden konnte. Die Bahn war gebrochen, sich gegenüber allen Anfängen der Geschichte, jedem mythischen, über das Maaß der Gegenwart hinausragenden Begriffe, am meisten der Bibel selbst, nur prüfend zu verhalten und alles Ungeheuerliche, Unverhältnißmäßige, Wunderbare natürlich zu erklären. Die Teufel kamen immer näher – aber von einer andern Seite! Von der Studirlampe! Diese wandernden Homeriden waren es. Diese tanzten nicht im Ballet vor dem frommen Agenden-König. Im Geiste sah ich’s: Erzogen und gebildet auf einer Sängerschule (vielleicht lag sie in Chios), hinauswandernd, erst zu Schiff und wie Arion die Geister der See beschwörend mit dem Saitenklang goldner Harfen, dann das feste Land betretend in Kleinasien, auf Trojas Trümmern oder in Argolis, wo sie die Löwenburg der Atriden aufnahm! Alle zerstreut, Jeder singend, Jeder allein bildend an seinem besondern Stoff, Der geschult auf diese Mythe, Der auf jene und dann alle vier Jahre zu Olympia sich vereinigend, 231 dort nichts begehrend, nichts sich mühend zu erringen als den Kranz vom wilden Oelbaum auf das lockenumwallte Haupt –! Die Gegenwart hat die Hypothese der Prolegomenen und ihre spätere Anwendung auch auf die Nibelungen verworfen, sie hat wieder für einen wirklich dagewesenen großen Dichter Homer plaidirt. Ich kann an diesen nicht glauben. Wer die Schwierigkeiten des Schreibens in den alten grauen Tagen erwägt, wer an die Unmöglichkeit denkt, das Material für weitschichtige Aufzeichnungen aufzutreiben, wer da weiß, daß nur eine Staats- oder Cultushülfe, ein gleichsam gesetzgeberischer Act die Mittel bot, um lange Bücherrollen zu führen, der wird sich das Bild eines sich schon damals à la Goethe mit ruhiger Federführung hinsetzenden und seine Iliade und Odyssee dichtenden Homer niemals vorstellen können.

Das entschiedenste geistige „Hinter die Schule gehen“ wurde mit den Büchern getrieben, die sich einige stimmungsverwandte Schüler zusteckten, mit verbotenen. Sie betrafen die damalige Lebensfrage der akademischen Jugend, ob Landsmannschaft, ob Burschenschaft. Von Schulgenossen, die ihre Eltern am Orte hatten, konnte solche eingeschmuggelte Lectüre nicht kommen, obschon die sich zuweilen in die Klassen verlierenden Spoliationen der väterlichen Bibliotheken, ja selbst der Kupferstichsammlungen merkwürdige Untersuchungen hätten bringen können. Ein Commilitone „schenkte“ mir z. B. mit voller Treuherzigkeit einen Müller’schen Stich des Evangelisten Johannes, der später zu hohen Preisen gesucht wurde. Haupt’s „Burschenschaften und Landsmannschaften“ und Herbst’s „Ideale und Irrthümer“ brachte der schon genannte spätere Pfarrer Böttcher in unsern Kreis. Selbst der Sohn eines Landpfarrers bei Züllichau, wohnte er selbstständig. Eine Zeitlang da, wo vielleicht gegenwärtig in der Jägerstraße bei Beyer einer der Leser dieser Zeilen nach dem Theater sein Beefsteak zu verzehren pflegt. Welche Umkehr durch die Zeit! Dieser jetzige Restaurations-Garten war pedantisch gepflegt, an den Beeten rings mit Buchsbaum umfriedigt, die Gänge waren mit gelbem Kieselsand beschüttet; das Haus war eines jener wenigen alten „vornehmen“ Berliner Häuser, die ständig geschlossen 232 blieben. Alles ringsum war klösterlich. Bei jedem lautgesprochenen Worte guckten alte Demoisellen mit langen Locken (aus Seide, wie sie damals üblich) entrüstet zum Fenster heraus. An den unheimlichen schwarzgeräucherten Brandmauern, die in ganzer Länge das Gärtchen einschlossen, schlichen die den Damen wahrscheinlich einzig sympathischen Katzen dahin. Man sollte am Berliner, wenn man seinen Urtypus schildert, seine Pedanterie, eine gewisse mißgünstige Peinlichkeit, die Wahrung des Kleinlichen und die nur langsam kommende Regung zum Leichtnehmen, Generosen und Coulanten nicht verschweigen. Die meisten Physiologen unserer socialen Zustände, Skizzen- und Bildermaler über Berlin und die Berliner, vergreifen sich, wenn sie nicht von einer gewissen hypochondrischen, griesgrämlichen, kalt ablehnenden Neigung im Charakter des Märkers überhaupt ausgehen, woraus auch andrerseits die eigenthümlichen Tugenden dieses Stammes, das feste Beharren, Muth und Entschlossenheit, herzuleiten sind.

„Haupt“ und „Herbst“ hatten einen kleinen Kreis, der sich schon durch Studenten rekrutirte, auf dem Gewissen, wenn wir beim „Heil dir im Siegerkranz“ uns schon lange das Ohr zuhielten und nur über Barbarossa’s Erwachen im Kyffhäuser, über die wiederherzustellende Kaiserkrone träumten. Die alten spitznasigen Demoisellen, bei welchen Böttcher von seinem Vater einquartirt worden war, kündigten ihm sogleich nach einem unsrer Nachmittags-Kaffees, bei denen „Das Volk steht auf, der Sturm bricht los“ entsprechend intonirt wurde. Trotzig zog der Ausgewiesene in die Scharrn-, die Kur-, die französische Straße. Ueberall vertrieb ihn unser Lärm. Der Aermste war krank am Fuß und hinkte. Oft, wenn ich die wilden Ausbrüche seines Zornes sah, mußte ich denken: Wie der Schöpfer so weise voraussorgt! Jedem, der in seiner Art für Andere gefährlich werden könnte, legt er einen Dämpfer auf –! Wir folgten diesem Rattenfänger, einer idealen, schwunghaften Natur, mit seiner feurigen Rede, seinen langen, hellblonden, ungelockt auf die Schultern fallenden Haaren, seinen sprühenden Augen von Hausnummer zu Hausnummer seiner Wohnungen, bis er nach seinem rühmlichst bestandenen Abiturientenexamen auf ein halbes Jahr nach Halle ging, dann 233 zurückkehrte und unsern inzwischen umgestalteten Bund mit seinen „Haupt“- und „Herbst“-Ideen beinahe nach – Köpenick geführt hätte. Denn wir hatten trotz unsres „an Eides Statt“ gegebenen Gelöbnisses und der drohenden Gefahren durch Pedell, Universitätsrichter und Minister von Kamptz, in gewissen Formen eine Burschenschaft errichtet.

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IV.#

Abschluß.#

Es wurde nun mit der Zeit fast unmöglich, die Welt der Schule und des gesteigerten inneren Lebens mit der des Hauses, mit der Welt der täglichen Umgebungen, der herabziehenden Gewöhnlichkeit im Einklang zu erhalten. Die classischen Ideale im Kopfe, die endlich gewonnene sichere Gewißheit, daß es eine Welt des Schönen, Hochherrlichen, über diesen gemeinen Erdenbedingungen Erhabenen giebt, an welcher die Sterblichen hienieden mitzugenießen, für das Hereinragen derselben in’s Erdenleben mitzuleiden und mitzuschaffen berufen sind – und dem dann gegenüber die immer anspruchsvollere, wilde, ja trotzige Durchkreuzung durch eine von Armuth, Unwissenheit und fanatischem Wahn bedingte Lebensexistenz – es wurde zuletzt eine Qual, unerträglich, obschon – sie ertragen werden mußte. Sie hatte den immer mehr sich entwickelnden Bruch mit allem im damaligen Berlin Gegebenen im Gefolge.

Die Mittel fehlten, Berlin zu verlassen und etwa dem Beispiel mancher Kameraden zu folgen, die auf die Gymnasien kleinerer Städte gehen durften, wo sie eine beneidenswerthe Freiheit gewannen. Konnten doch selbst die Hülfsquellen, die ein Fortwandern auf dem Wege zu dem noch hochliegenden Tempel Minerva’s ermöglichten, nur dadurch erworben werden, daß zu einigen Stiftungs-Vergünstigungen, 234 deren Verleihung dem Gemüth des bald wieder mit dem ausgearteten Quartaner versöhnten Zimmermann zu danken war, sich die Erträgnisse einer schon zu lehren anfangenden Laufbahn gesellten.

„Stundengeben –“! Du inhaltschweres, Bilder der Mühe, der in die Ewigkeit hinein erneuerten Sisyphusarbeit weckendes Wort! Prüfungsreicher Currendedienst! In sommerlicher Nachmittagshitze die lange Friedrichsstraße von ihrem einen Ende bis an’s andre keuchen, im Wintersturm, Abends wenn der Schnee alle Straßen unwegsam machte oder der Frost die Fenster der Häuser undurchsichtig, pünktlich an Ort und Stelle eintreffen, um einen faulen, hinter seinen Mitschülern zurückgebliebenen Unter-Tertianer vorwärts zu bringen – gewiß zum „europäischen Sklavenleben“ eine Vorstufe, wenn man die geringe Entgeltung hinzunimmt und die gewaltige Fülle von Pflichten, die sich der junge Lehrer aufbürdet, der doch noch selbst ein Schüler ist und seinen Vorgesetzten gegenüber in der Klasse seinen Mann zu stehen hat. Nach diesen Lectionen begannen erst die eigenen Arbeiten, Präparationen, Uebersetzungen, Ausarbeitungen und die mit gesteigertem Eifer betriebenen eigenen philologischen Studien.

Zum Glück gefällt sich der Rigorismus der Jugend in solchen Kraftproben. Noch ist man Anachoret in der Kunst des Abschließens und der Entbehrungen. Am Wintermorgen schon um sechs Uhr, erwärmt nur durch die nachhaltende Bettwärme, noch lange vor dem Frühstück schon in einer Kammer ohne Ofen hinter dem grünen Blechlampenschirm zu sitzen und Meierotto über Roms Sitten und Gebräuche zu excerpiren, den alten Niewport über die Feste der Römer, die Gedichte der Sappho, die Fragmente des Alcäus zu übersetzen, das war ein selbstauferlegtes Martyrium, nie mit Klage und Mißmuth erfüllend. Abends aber kam so manche Störung. Zum Lernen sollten sich sogar Musikübungen gesellen. Die Uebungen im Flötenspiel – „unglückselige“ Erinnerung – erschienen den Eltern wichtiger als die Lectüre von Raumer’s „Vorlesungen über die alte Geschichte“. Der Unterricht im Fingergriff und Mundansatz der Flöte war die Folge des sonderbaren Schauspiels, daß sich eine Zeitlang regelmäßig drei 235 Bewerber um die Gunst der Schwester, Rivale, die sich bitter haßten und auszustechen suchten, einfanden. Einer derselben, Militair mit silbernem Porteépée, eine nicht gewöhnliche Natur, die es später bis zum Rechnungsrath beim Steuerwesen brachte, war zugleich musikalischer Dilettant. Der abendliche Unterricht im Flötenspiel, den er gab, machte ihn zum umgekehrten Pendant für Schiller’s Major Walter. Dieser nahm nur Flötenstunde, um seiner Liebe nahe zu sein, jener gab welche. Herb löste sich auch hier der Conflict. Der Flötenspieler hatte Gelegenheit, wöchentlich zweimal zu kommen, und sein Schüler blies schon Berbiguier und Fürstenau mit ihm, aber die Schwester wählte einen Andern. Bei ihrer Hochzeit wurde getanzt, ohne daß, wie auf der Hochzeit des Bruders geschehen, der Hauswirth auf die nächste Wache lief und Beistand gegen einen von ihm behaupteten Einbruch der Decke begehrte. Der Berliner ist, wie schon oben gesagt, von Natur nergelnd und mißgünstig.

Beim Stundengeben eröffneten sich wieder allerlei interessante Fernsichten in die Verschiedenheiten der Existenzen. Mit unbefangenem, reinen Sinn wurde in eine wunderlich geartete Welt geblickt, wo die Nähe einer Fürstlichkeit waltete, des freilich schon verstorbenen Staatskanzlers Hardenberg. Bekannt ist des weichlichen und in Allem die Signatur des 18. Jahrhunderts tragenden Staatsmannes zerrüttete Häuslichkeit. Hier gerieth der junge Stundengeber in die Existenz eines der Schwiegersöhne des Fürsten. Es war ein Witwer, der sich fast im Geiste des Herrn Cleanth gab, nur daß die Veranlassungen zum Podagra, das im Leben des Herrn Legationsrathes eine Hauptrolle spielte, bei Cleanth zurücktraten. Die Freimaurerei jedoch, das enge Zusammenhalten geheimnißvoll verbundener Brüder, dabei in Mittagsgesprächen, denen der Primaner nicht selten als à la fortune du pot Geladener anwohnen durfte, die ganze Zeit der Haugwitz in den Auffassungen der Politik, Friedrich Nicolai’s in Sachen der schönen Literatur und Kunst, das war die nämliche Welt wie auf dem Leipziger Platz. Nach Tisch vereinigten sich die maurerischen Freunde zum Quartettspiel. So lernte ich früh jene unverwüstlichen Haydn- und Mozart-236Schwelger kennen, mit welchen im Bunde die Zelter und die Begründer der Liedertafeln, auch einige Orgelspieler in den Kirchen Berlins, in Tonsachen ein Regiment führten, das sich noch jetzt bei einem kleinen, doch kräftigen Häuflein regt, so oft es gilt, die Anmuthungen unsrer musikalischen „Zukunft“ abzuwehren. Einer der Hausfreunde war ein Original. In alten Tagen Militair, dann zum Civilfach übergegangen, hatte er sich auf abstracte Philosophie geworfen. Auf eigene Kosten ließ er mehr als ein Dutzend kleiner blaubrochirter Hefte drucken, in denen er nach Kantischen Principien der damals in allen Köpfen rumorenden Hegel’schen Philosophie eine andere Metaphysik, Logik, Anthropologie u. s. w. gegenüberstellte. Schon wagte der Primaner mit dem immer freundlichen und sich wegen seiner kostspieligen Thorheit zuweilen selbst ironisirenden Mann zu streiten. Wenn er dann seinen Gegner nicht zu überzeugen vermochte, so zog er wieder ein paar neue Hefte einer Onto- oder Teleologie aus der Tasche und empfahl sie zu gelegentlichem Studium. Der Sohn des wackern Mannes war der später bekannt gewordene Schulrath Bormann.

Ein Sohn des damals berühmten Kartographen Engelhardt war ebenfalls mein Schüler und lohnte mir, wie die Enkel Hardenberg’s, nicht nur durch treue Folgsamkeit, sondern auch durch den Zauber weiblicher Nachbarschaft beim Dociren. Holde Schwestern, in der Leipzigerstraße (jetzt „Leipziger-Garten“) eine braune, in der Friedrichsstraße (jetzt „Concert-Garten“ – allerwärts verwandelt sich Berlin in Wirthshäuser!) eine hochblonde, kredenzten Früchte, Wein, Kaffee. Schon zitterte die Hand, die dargereichte Tasse zu empfangen, die Wange glühte. Der Anrede folgte mit Verlegenheit die Antwort. Nach dem Verschwinden der ach! so flüchtig gewesenen Erscheinungen wurde erst die Toilette geordnet. Xenophon’s Rückzug der 10,000 Griechen, der eben tractirt wurde, konnte als Sinnbild dienen für den schwierigen Rückzug des siebzehnjährigen Lehrers selbst in die wirkliche Welt. Die Russen sollen ein Wort für die ersten Liebesschauer der Jugend haben, Sasnoba. Gewiß ist damit beim Anblick seiner Schönen Gesichtskrampf, Stocken der Rede-237werkzeuge und das Gefühl urplötzlicher Verdummung verbunden. Schneide doch nicht so schreckliche Gesichter! hatte die Hofrathstochter von früher, die halb und halb vergessene, gesagt, als ich eines Tages einen Rückfall in „Sasnoba“ bekam, weil ich sie auf der Hochzeit der Schwester mit entblößten Armen erscheinen sah. Bei jenem Hardenbergschwiegersohn trat unter unbestimmter Angabe ihrer Familienstellung eine junge Dame nicht nur von blendender Schönheit auf, sondern auch in einem Costüm, wie dem Jüngling dergleichen nur vom Theater her bekannt war. Das langfluthende Kleid war gelber Atlas, roth und schwarz bildete den Besatz, das in Locken frisirte schwarze Haar war mit Perlen geschmückt, die Ohrringe blitzten. Aus einem Garten unter ein Rebendach schlüpfend, (die Jetztzeit hat diese Gärten eingerissen bis auf einige Bäume, um den Biertrinkern noch einigen Schatten zu lassen) einen Korb voll Aepfel, Birnen und Trauben unter dem halbnackten bräunlichen Arm erschien mir die ausnehmend wohlwollende Dame, die nur zu bald im Hause wieder verschwand, wie eine vom Fest des Dionysos verirrte Bacchantin.

Die Liebesflammen der Schulbank erlöschen glücklicherweise nur zu bald. Amor und Passow’s Griechisches Lexikon reimen sich nicht zusammen. Und doch wurden die Intervalle vom Erlöschen einer Flamme zum Entzünden einer andern immer länger, die Triebe demnach stärker, nachhaltiger. An Erhörung war nirgends zu denken. Vor der „Einsegnung“ trug die Hofrathstochter kein Bedenken, ihre Auszeichnungen, ihre Neckereien fortzusetzen. Aber vom Confirmandenfrack an trat Reserve ein und sogar Grobheit auf die Kundgebungen des Sasnoba. Eine sehr unglückliche Liebeswahl traf eine blasse schlanke Morgenbegleiterin beim Schulbesuch, die regelmäßig um denselben Glockenschlag irgendwo aus einem der Häuser der Mohrenstraße schlüpfte, sofort vor den stechenden Augen des Secundaners die andre Seite der Straße suchte, Mittags aber doch auf dem Heimwege wieder dieselbe Parallele mit ihm machen mußte. Ihr jedesmaliges Erröthen beim Begegnen war ohne Zweifel Indignation. Der ganze Himmel auf Erden, den ein Secundaner in seiner Brust zum Angebot auf Lager hält, blieb unabgegeben. Eines Tages 238 ließ sich die blasse Spröde „unter den Palmen nicht mehr sehen“.

Ja, unter den Palmen! Im damaligen „Schulgarten“, dem jetzigen Dreistraßendreieck (Lenné-Bellevue-Königgrätzerstraße), grünten zwar keine Palmen, aber Hollunderbüsche, Akazien und Aepfelbäume. Militairische Concerte führten fast immer dieselben Familien mit ihren Angehörigen an dieselben Kaffeetische. Man machte hier Bekanntschaften durch einen Fehltritt auf ein fremdes Hühnerauge und die Bitte um Entschuldigung, oder durch die wacklige Lehne eines Stuhls, für welchen man sich einen weniger defecten und „vielleicht vacanten“ vom Nachbartisch ausbat. Hier war es sogar eine Jüdin aus der Spandauerstraße geworden, die jene ganz verzehrende Kraft des Mondes zu besitzen schien, die Attraction, die einen Abends ohnehin präparationsmüden Primaner rein zum leblosen Schatten machte. Es waren doch etwa sechzig Kaffeetische zugegen und überall saß jugendlicher Nachwuchs, und grade diese sechzehnjährige schlanke Brünette aus der Spandauerstraße mußte es sein, diese unter Onkeln und Tanten mit dem Bewußtsein, als die erste im Aufgehen begriffene Blüthe ihres Familienstammes zu gelten, diese prangende blaßrothe Rose, der schon bis zur Kurfürstenbrücke entgegengegangen und nach stummem Gruß ein toggenburgartiges Geleit bis zum Schulgarten gegeben wurde! Ach, wol sah das Auge, himmeltrunken, die abendliche Heimbegleitung der Familie aus dem Concert durch eine Cohorte von Referendarien, Auskultatoren, Assessoren und Lieutenants. Aber hatte man denn nicht schon Fälle erlebt von Brautständen, die zehn Jahre gedauert? War nicht jede Candidatenbraut selbstredend auf sieben gefaßt? Die gesunde Vernunft schwand dahin vor diesem schlanken Wuchs, diesen schönen Augen, dieser sich bald spöttisch, bald im englischen languish ergehenden Koketterie. Verse und die damalige Neuerung der Stadtpost wurden gewagt, Verse, die von einem Thal sangen und von einem einsamen Wandrer darin und von einem Murmelquell, der des Wandrers Geständniß hörte und davon dem Monde Mittheilung machte, aber unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Diese Verse wurden erneuert, bis ein an die Schwester 239 des leichterrathenen Dichters gelangter Entrüstungsschrei der Mutter, der sich in die Form einer ästhetischen Kritik kleidete, dem Schwindel des an jedem Dienstag und Freitag, wo die Sommerconcerte im „Schulgarten“ stattfanden, unzurechnungsfähigen Primaners ein jähes Ende bereitete. Eine Douche auf die erste schriftstellerische Eitelkeit verfehlte ihre Wirkung nicht.

Aus diesen Träumereien für Idole, mit denen niemals auch nur eine Silbe gewechselt wurde, weckte immer noch die strenge Schulordnung und das Uebermaß häuslicher Arbeiten und die Revolution, die jedes neugelesene tiefer gehende Buch hervorbrachte. Besonders erkräftigend war der Stolz, der im Staat und den Zuständen ringsum nur die Gegenstände burschenschaftlich vorgeschriebener Verachtung sah. Hatte schon die Hinrichtung Ludwig Sand’s den Grund zu einer Lebensanschauung gelegt, die mit wohlgemuther Ergebung auf eine Laufbahn der Märtyrerschaft hinausgehen wollte, hatte der Knabe in seiner Kammer – wie oft! – die Situation nachgeahmt, sich auf einen Stuhl zu setzen, den Hals zu entblößen und den tödtlichen Streich grade wie auf dem Wiesenrain bei Mannheim zu empfangen, so wurden, wie wol auch junge katholische Kleriker im Seminar mit Versen, Exaltationen, Nachahmungen der Märtyrerleiden ihre Laufbahn zu beginnen pflegen, durch die glühendste Freundschaft für jenen Hermann Böttcher und einige Gleichgestimmte (mit denen die „correcten“ Gemüther der Beamten-, reichen Kaufmanns- und Bürgersöhne in diametralem Gegensatz standen) die Wirrsale des Kopfes immer heißer und bedenklicher. Der einzige Dämpfer, der die Anschauungen nicht über das Maß gehen ließ, war die Rücksicht auf die Eltern. Und hier entschied mehr die Pietät als die Furcht. Das Unvermögen ihrer Bildung, sich zu den Gesichtspunkten des Sohnes, der ihrer Sphäre immer mehr entrückte, aufzuschwingen, entwaffnete diesen, rührte ihn. Manche Unterwerfung kam nach stürmischen Scenen mit dem schmerzlich nachgesprochenen Worte: „Vater, vergieb ihnen, sie wissen nicht, was sie thun!“

Der Leseeifer ging vorzugsweise auf das Romantische. Nicht etwa auf Romane; seit Walter Scott’s farbenreichen 240 Gemälden sprach nichts mehr an. Die Periode Cooper-Irving, der sich wiederum einige Mitschüler unter den Klassenpulten während der Stunde mit Leidenschaft hingaben, ging an dem Erzähler vorüber, wie fast Alles, was in gleicher Art die Abendzeitungsnovellisten schrieben, van der Velde, Tromlitz, Wachsmann u. A. Selbst Tieck’s Novellen standen noch zurück gegen dessen Octavian, Blaubart, Gestiefelten Kater. Achim von Arnim wurde in Allem, was an ihm faustisch, mittelalterlich, abstrus polemisch war, insoweit genossen, als wenigstens einiger Sinn und Verstand aus seiner forcirten Weise heraus zu erkennen war. Und E. T. A. Hoffmann, der Matador des Tages, der Gefeierte bei allen Hofräthen, allen Stammgästen bei Sala Tarone, war dem Jüngling zu mitternächtlich blasirt. Nur das „Fräulein von Scudery“ fesselte durch Grauen. Jean Paul’s Charaktere waren es, denen die ganze Hingebung eines gläubigen, noch unkritischen Gemüths gehörte, ein Lesen voll Liebe und Bewunderung. An Jean Paul war so wohlthuend, daß der Umgang mit ihm auch die Verbindung mit jener vornehm geistigen Welt erhielt, in der sich der erste wissenschaftliche Eifer der Jugend und so hochmüthig bewegt. Jean Paul war gelehrt; er vergaß nie über seinen Helden, und wenn sie den untersten Lebensstufen angehörten, die Quellen seiner eigenen Bildung. Bald giebt er ein Citat aus den Alten, bald eine Vergleichung mit einem kürzlich erst entdeckten Vorkommniß des chemischen Laboratoriums. Dann wieder bringt er nichtsdestoweniger wieder das der Jugend so wohlbekannte Platteste aus der Werkstatt des Schusters und Schneiders, des Schmieds und des Schlossers und bringt es in eine Beziehung zu den Aeonen der Geisterwelt. Den Jugendsinn reizt nichts so sehr als der Contrast. Er wird immer lachen über die Unterbrechung alles Steifen, Feierlichen und Eingelernten durch die Bedingungen der Natur. Jean Paul wies auf Herder hin, und auch dessen Werke wurden erworben, zum Buchbinder gegeben und wenigstens theilweise von der Verklebung des Blätterschnittes durch Lectüre befreit, schon um Fühlung mit der Theologie zu behalten. Denn die Theologie sollte und mußte es werden. Ein geringes Stipendium stand (unter der „Gerichtslaube“ des Rathhauses, 241 wo sich die Kasse der Stiftungen befand) in Aussicht, aber nur für einen Theologen.

Der regelmäßig eingehaltene Sonnabend-Nachmittag bei Giovanoly, die dann frisch und neu angekommenen, mit unsrer gegenwärtigen Zeit verglichen so dürftigen, sämmtlich streng censurirten Morgen-, Mittag-, Abend- und Mitternachtszeitungen brachten die laufende Chronik der zeitgenössischen Belletristik, Berichte über Schauspieler und neue Stücke, Kritiken und Antikritiken, Correspondenzen. Der Werth der Leistungen ging weit auseinander. Von Altenburg, das den Ruhm genoß, die einzige Stadt zu sein, wo die Censur milde geübt wurde, kamen Zeitbetrachtungen; von Leipzig verbreitete sich die dilettantische Novellenschreiberei und bei literarischen Klopffechtereien eine banausische Sprache. Die Frauennamen fingen an, eine Rolle zu spielen. Anfangs mehr in der Lyrik als im Roman. Wien vertrat ganz nur die Interessen der Bühne. Alledem, verflachend, wie es wirkte, hielt den Widerpart theils die schwäbische Lyrik, theils die im Norden immer mehr aufkommende literargeschichtliche Philologie, wie man die nicht endenden Rückblicke auf Weimar und die Dichterheroen (die hinterlassenen „Briefwechsel“ fingen an eine Rolle zu spielen) nennen möchte. Zwischendurch ertönten schon immer mehr die Zerrissenheitsaccorde, Spuren der ersten Einwirkung Lord Byron’s auch auf Deutschland. Wer sich wie der Erzähler in Ludwig Uhland vertiefen, diesen geliebten Sänger der Naturschönheit und der Ritterzeit in den Park von „Bellevue“ mitnehmen, ihn dort auf einer Bank oder am „Schaafgraben“ auf einem Rasenfleck mit romantischer Schwelgerei genießen konnte, war unfähig, an Heinrich Heine Gefallen zu finden. Die „Reisebilder“, so manche Heine’sche Mittheilung im „Gesellschafter“ widerstanden. Die Empfindung, die in dem einen seiner mir viel zu „loddrig“ gearbeiteten Gedichte herrschte, (der Philologe hielt auf Reim und Rhythmus), wurde im andern wieder aufgehoben, ja oft am Schluß der Gedichte selbst schon. Die französelnde Spitze mit „Madame“ und ähnlich, erschien dem jungen Kritiker albern, nur für Commis voyageurs berechnet, denen er überließ, darüber zu lachen. Dazu wurde die ganze Haltung des Heine’schen Liedes von ihm für ein Plagiat erklärt. 242 Des „Knaben Wunderhorn“ war eines der Bücher, die sich auf unsrer defecten Bibliothek aus der Bernhardi-Zeit des Gymnasiums erhalten hatten. Darin standen ja alle diese Rosen und Lilien und blitzten alle diese Thautropfen und waren auch all’ diese Balladenwendungen zu lesen: „In Straßburg auf der Schanz“ – und auch sonst schien das Gehabe und Gethue vom Tannhäuser und von der Frau Minne u. s. w. nur erborgt. Heine’s Judenthum ergänzte das Bild von alten erborgten Kleidern. Noch drei Jahre später nannte ich seine Blumen in einer meiner ersten Kritiken gemachte und sprach von Tafft, aus dem sie gefertigt, und von Odeur, den sie verbreiteten aus darauf getröpfelten Essenzen. Im Wesentlichen ist das meine Meinung immer geblieben, ungeachtet der Compositionen von Schumann und Mendelssohn, deren Schönheit dem Dichter zu Gute gekommen. Ich zog mir freilich damit den Haß und die Verfolgung des Mannes bis an sein Ende, ja noch bis über sein Grab hinaus zu. Denn die Herren Herausgeber seines Nachlasses nahmen keinen Anstand, nur um Bücher zu machen, all’ die Unfläthereien drucken zu lassen, die sich Heine zu gelegentlicher Einschaltung in seine Schriften notirt hatte.

Das „Morgenblatt“ wurde damals in seinem poetischen Theil von dem Professor Gustav Schwab, in seinem kritischen von Dr. Wolfgang Menzel redigirt. An das letztere, dies Bekenntniß bin ich schuldig, schoß Alles, was in mir nach Licht und Gestaltung rang, wie mit organischer Nothwendigkeit und Zugehörigkeit an. Der Redacteur des „Tübinger“ Literaturblattes, wie es genannt wurde, hatte zwar Gegner wo man hinblickte; die von ihm Getadelten rächten sich in Prosa und Versen; die bekannte Polemik Menzel’s gegen Goethe, die auf einigen weiter von ihm ausgeführten Sätzen des vom Erzähler schon leidenschaftlich geliebten, oft laut recitirten Novalis beruhte, hatte ihn vorzugsweise verhaßt gemacht in Berlin, wo grade damals auf Zelter’s Betrieb der Goethecultus (halb dem großen Genius, halb dem Minister geltend) in vollster Blüthe stand; aber ich stand unentwegt zu dem damals patriotisch, deutsch und natürlich urtheilenden Manne.

243 Rathlos noch über die Wahl, die in jenem Conflict gegen oder für den Dichter des Faust, Götz, Egmont, Werther getroffen werden sollte, hielt sich der junge Literaturadept an die wenigstens für ihn bezaubernde Wirkung der W. Menzel’schen Begründung seines kritisch-literarischen Urtheils durch die Interessen der Nation im Großen und Ganzen. Deutschlands tiefster Verfall im 18. Jahrhundert, die Wiedergeburt des Vaterlandes zunächst durch die Belebung unserer geistigen Spannkraft, aber auch da noch selbst in dem Leben der Heroen der idealen Revolution, die wir durchmachten, so vielfach vorkommende Charakterlosigkeit in politischen Dingen, Kriecherei und Schmeichelei gegen Große, alles das hat W. Menzel meisterhaft geschildert. Er zeigte, wie trotz all’ unsrer Philosophie und Poesie das Reich in Stücke ging und die Trümmer zum Spielball der Brutalität des Corsen wurden. Er schilderte die Keime neuer Hoffnungen, die Gedanken des Tugendbundes, wie sie genährt und verbreitet wurden während des Drucks, die Thaten Stein’s, die Aufrufe Jahn’s, Arndt’s, Görres’ an ein neues Geschlecht von antiker Bürgertugend und spartanischer Sittenstrenge, den Kampf um die Erhaltung dessen, was aus dem Zusammensturz des Alten noch mit den Erkennungszeichen ehemaliger schönerer Bewährung zu retten war, die Enthüllungen und Neu-Verklärungen altgermanischer Gedanken und Institutionen, ohne darüber den Rechten der Gegenwart, selbst der Ironie, dem Witze, sogar dem vollsten Gepräge des Modernen, dem Wohlgefallen am Esprit selbst eines Voltaire etwas zu vergeben. Das war die damalige eigenthümliche Anschauung Wolfgang Menzel’s, die in jener dumpfen Zeit ihre vollkommene Würdigung nur in dem politisch vorgeschritteneren Süddeutschland fand. In einem eigenen Buche: „Die deutsche Literatur“ (erschienen bei den Gebrüdern Franckh in Stuttgart, die damals die gesammte deutsche Buchhändlerwelt mit ihren Verlagsunternehmungen überraschten) wurde der Statusquo des geistigen Schaffens der Deutschen, von der Lyrik an bis in die Naturwissenschaften, mit schlagendem Witz und dem vielseitigsten Wissen festgestellt. Erst spätere Einsicht entdeckte Lücken und Irrthümer, wie sie sich aus dem leichten desultorischen Gange der Behandlung doch nicht entschuldigen 244 ließen. Doch der erste Eindruck war für ein Jugendgemüth überwältigend. Für jede Form der Dichtkunst, für jede Disciplin der Wissenschaft suchte Menzel die Verbindung mit den theuersten Gütern der Nation herzustellen, mit dem verlorenen und zurückzuerobernden Palladium der Nationalgröße, mit ständischer Freiheit, mit öffentlicher Jugenderziehung, mit Reform nach allen Seiten hin. Das blendende Buch wurde von dem Siebzehnjährigen sofort käuflich erworben und verschlungen.

Die „correcte Denkerschaft“ der Schulkameraden steuerte nur dem Examen zu. Selbst der geniale Hermann Böttcher hatte keinen andern Mittheilungsdrang und keine andre Empfänglichkeit für Poesie als wenn ihm diese entgegentrat aus den patriotischen Liedern des neuen Leipziger Commersbuches, Vossens Luise, Kosegarten’s Jucunde. Tiedge’s „Urania“, Schulze’s „Bezauberte Rose“ wurden genannt, Werke, die für mich schon Menzel’s Negation, wie die Kritiker zu thun pflegen, in ein eigenes Schubfach gelegt und „abgethan“ hatte. Der Versuch, eine sich wöchentlich einmal versammelnde Gesellschaft zu gründen und aus den „Verhandlungen“ derselben eine (geschriebene) Zeitschrift hervortreten zu lassen, gelang für einige Zeit. Die „Blätter für Poesie und Prosa“ brachten es auf einige Nummern. Der darin am häufigsten aufgetretene Mitarbeiter war der Sohn des damals in voller Machtblüthe stehenden Demagogenverfolgers von Kamptz.

Jünglingsfreundschaften sind gewiß ein erquickender Thau für eine Jugend, die zuletzt unter ihren Büchern und vollzuschreibenden Heften verschmachtet. Wie aber die stille Widerspiegelung gegebener Zustände überhaupt nicht die Art der Jugend ist, sondern ihr Alles, was sie unternimmt und erlebt, einen Treffer, einen Zielpunkt haben muß, so verlangt auch jede Jugendfreundschaft eine Nahrung, ein besonderes Band des Interesses. Entweder kletten sich die jungen Herzen aneinander an zum Erproben ihrer Kraft, wo es dann zu Excessen kommt, worüber die meisten Eltern die Jugendkameradschaften verwünschen – oder es muß eine gleiche Stimmung und Richtung im wissenschaftlichen Streben vorhanden sein, eine liebevolle gegenseitige Förderung und die Anerkennung 245 des gegenseitig erkannten Werthes. Die letztere ist höchst selten. Der Neid, die Mißgunst stellen sich nur allzu früh in Seelen ein, die aus ihren Familien oft in der That auch nichts als ein dumpfes, vegetativ-egoistisches Leben mitbringen. Kalt und gleichgültig trottet da das eine dünkelhafte, hoffnungsvolle Muttersöhnchen neben dem andern. Die große Stadt, die weiten Entfernungen, die verschiedenen Lebensweisen der Familien thun für die Isolirung noch das Uebrige.

Im Ganzen hatte der demnächstige Abiturient über den Mangel an Beziehungen nicht zu klagen. Sein eignes Gefühl für Freundschaft ging bis zu Anwandlungen platonischer Leidenschaft. Ihm konnte geschehen, daß er auf den nackten Arm eines im heißen Sommer in Hemdärmeln mit ihm zugleich zu Hause übersetzenden Commilitonen mit förmlichem Liebesschauer einen Kuß drückte. Aber volle Vertraute des Herzens und der keimenden exclusiveren Bildung gab es nicht. Abgesehen von dem politischen Schwärmen für Jahn, Sand, Herbst, Haupt mit einigen Gesinnungsverwandten, lagerte sich um den romantischen Träumer zuletzt völlige Einsamkeit. Bibliothekar des Gymnasiums geworden, hatte er nach und nach zum Lesen alles mitgenommen, was einen besonderen Reiz an sich zu tragen schien, sowol aus der rationalistischen Zeit Nicolai’s, Reisebeschreibungen und die gesammte Berliner Monatsschrift Gedicke’s und Biester’s, die treffliche, belehrende Aufsätze enthielt, wie aus der romantischen Epoche Alles, was noch nicht an die Antiquare der Königsstraße verhandelt war, z. B. sechs Bände „Studien“ von Creuzer und Daub, eine Fundgrube für die Geschichte der wissenschaftlichen Forschung seit 1806. Die mythologische Frage, über welche der alte Voß und Creuzer in Streit geriethen, führte wieder auf Wolfgang Menzel zurück. Denn dieser hatte sich in diesen, ganz Deutschland (schon des Krypto-Katholicismus wegen, den Voß in den Beschäftigungen mit Indiens Götterlehre sehen wollte) aufregenden Streit gemischt und war auf die Seite Creuzer’s getreten. Die jugendliche Hingebung faßte Alles nach den Gesichtspunkten ihres Führers. Das Herz des Jünglings marktet und dingt nicht. Ist es für eine Frage, für einen Charakter einmal gewonnen, was kann die 246 Liebe wankend machen! Mittelstraßen werden erst in späteren Jahren gefunden.

„Alles Wissen bläht auf“. Hochgemuthet, wenn nicht hochmüthig wurde die Stimmung, die sich einst bei einem abendlichen Spaziergange mit einem Kameraden, dem spätern Prediger Hache, Unter den Linden sich fast wie im Pharisäergeist an die Brust schlagend, mit dem gemeinen Mann ringsum in Vergleichung bringen und die unermeßliche Vornehmheit, Größe und schon auf Erden verbürgte Unsterblichkeit rühmen konnte, die eine musische Lebensbestimmung dem Menschen gäbe, der Umgang mit der Welt des Großen und Schönen! Glaubten wir nicht Beide, wie unter den Säulen des Parthenon, auf der Akropolis zu Athen zu stehen! Wir waren den Menschen um uns her wahre Vollblutjunker des lateinischen und griechischen Selbstgefühls. Glücklicherweise ging der Hochmuth auf Gutes und Schönes. Der Vetter Apokalyptiker mußte zuerst daran glauben. „Machen Sie sich doch nicht lächerlich, Vetter!“ hieß es, wenn sich dieser jeden Sonntag nach der Kirche zum bescheidenen Mittagsmahl des Hauses, dessen Regeln die alten blieben, einstellte, am Büchergestell des in einer Kammer hausenden Neffen eine Lectüre ausgesucht hatte und darin mit kritischem Kopfschütteln und jeweiligen Interjectionen bis zum „Gott sei Dank, der Tisch ist gedeckt!“ sich vertiefte. Kant, Jakobi, Fichte und Schleiermacher liefen schon unter – die Bücherstände der Antiquare in den Straßen kannten den eifrigen Rückentitelleser und Käufer. Wurde der Vetter gefragt: „Nun Vetter, wie steht’s wieder?“ Irrlehren! hieß es. Jedes Raisonnement, wo nicht sofort Christus in’s Treffen rückte, schien ihm auf den Weg gefallen. Die liebste Lectüre blieb ihm die Becker’sche Weltgeschichte, die Herr Cleanth nicht hatte mit nach Polen nehmen wollen.

Die alle Vierteljahre einmal anlangenden „Briefe aus Warschau“ fielen in ein, nach den Außeneindrücken beurtheilt, freudlos und völlig düster gewordenes Jugendleben wie Sonnenstrahlen in einen Regentag. Die Hoffnung auf eine baldige Wiedervereinigung mit dem fernen Freunde wurde nicht erfüllt, auch nicht mehr genährt. Die Familie wurde ostensibel russisch, im Stillen polnisch.

247 Das Abiturientenexamen brachte das möglich beste Zeugniß, das gegeben werden konnte. Zum Programm der feierlichen Entlassung gehörte eine lateinische Rede über eine übliche Actusphrase: Das Studium des Alterthums in seinem wohlthuenden Einfluß auf die Sitten. Wie viel Beispiele hätten dem pathetischen Redner entgegengehalten werden können vom absoluten Gegentheil, vom erbärmlichsten Charakter der größten Alterthumsforscher! Nur allein der dem gefeierten Cicero fast gleichgeachtete Muretus, der Verherrlicher der Bartholomäusnacht, brauchte genannt zu werden und die vielen Schwächlinge, Abenteurer, Betrüger unter den späteren Humanisten! Aber die Suada floß und die Perioden hatten ihr ciceronianisches esse videatur. Der Singchor unsres großen Freimaurer- und Liedertafel-Meisters gab vor- und nachher Sätze aus Cherubini’s Requiem mit einer Präcision, an welcher der Engere Rath der Singakademie seine Freude gehabt haben würde. Auch einige Prämien wurden ausgetheilt. Schließlich trat die hagere Gestalt des Rectors auf und gab mit dem ihm eigenen hochliegenden Nasalton seiner Rede das Bouquet des Frühlings-Vormittags, wo schon draußen die an den Straßenecken ausgebotenen Veilchen dufteten und auf dem Gens’darmenmarkt die Hyacinthentöpfe blühten. Der Sprecher gab Paränesen an die aus der Anstalt Scheidenden, Danksagungen an die hohen Behörden, sowol an die der Stadt, wie an die des Ministeriums, unter denen Johannes Schulze, Süvern, Nicolovius nicht fehlten.

„Frei ist der Bursch! Halle soll leben!“ Ach, wie so gern hätte der junge Fuchs, der am Tage darauf seinen ersten Commers feierte, den Vers des Rundgesanges wahrmachen mögen. Aber die Losung blieb Berlin, die Fortsetzung der Abhängigkeit von einer immer mehr gesteigerten Reizbarkeit des Hauses, die Fortsetzung jenes Wegwanderns, um lateinische und griechische Elemente zu lehren, deren immer präcise Beherrschung schon in den Hintergrund treten mußte im Gemüth des jungen Lehrers, der für den Zwiespalt seiner Stimmungen, die ihn halb zur schönen Literatur, halb zur Philologie zogen, vergebens nach Vermittelung rang. Vorläufig bot die alte Götterlehre und deren neuere wissenschaftliche Behandlung eine 248 solche. Die Berliner philosophische Facultät hatte eine Abhandlung über die Schicksalsgottheiten der Alten verlangt. Mit Eifer fiel der Neuling auf das nach allen Seiten hin anregende Thema, dem dann die erste akademische Sommerlust und die Wintermorgenstunden von 6–8, die Abendstunden von 9–12 geopfert wurden. In diesem Thema trafen beide Interessen, die im Gemüth lebten, der künftige Lehrberuf und die gesteigerte Leidenschaft für Dichten und Denken wie in einem Brennpunkte zusammen. Die anregendsten Werke mußten studirt werden, Schlegel’s „Weisheit der Indier“, Windischmann, viele Ausläufer der Naturphilosophie. Mit Schelling war man immer wieder dem „Alarcos“ und „Ion“ und den weimarer Classikern nahe. Den Alten, Sophokles, Aeschylos ohnehin. Das Nächste war, des „unerbittlichen Schicksals“ wegen, dem selbst die Götter sich zu beugen hatten, gleich den ganzen Homer mit der Feder in der Hand durchzulesen. Die Theologie schien zu kurz zu kommen. Aber der Muß-Theologe belegte auch seine theologischen Collegia. Ueberraschend war ihm, als ihm Schleiermacher seine Nummer für die „Einleitung in’s Neue Testament“ gab, die lange, brennende Tabackspfeife, fast so lang wie der kleine große Mann selbst, die er am Stehpult arbeitend rauchte. Ein näheres Fragen: Wer oder Woher? Wohin? Wie und wodurch? wurde nicht gestellt, nur die Nummer im Auditorium gegeben und der Termin angezeigt. Mehr gesprochen als: „Am 28. fange ich an!“ hätte die Pfeife ausgehen lassen.

Woher und Wohin? Im Innern sah es chaotisch genug aus. Die Zeit war hochtheologisch. „Wissen und Glaube“ – darüber drängte sich Buch auf Buch. Homer und die Parzen und Wolfgang Menzel’s Literaturblatt hinderten nicht, daß der theologische Noviz sich sogar auf die Kanzel schwang und predigte. Das geschah schon im Herbst 1829 im Dorfe Weißensee bei Berlin. Was an dieser Begebenheit komisch war – und dessen war genug – findet sich in meinem Roman „Blasedow und seine Söhne“, Bd. I, Capitel 8, wiedererzählt. (Gesammelte Werke Bd. VI.)

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Apparat#

Bearbeitung: Wolfgang Rasch, Berlin#

1. Textüberlieferung#

1.1. Handschriften#
1.1.1. Übersicht#

Es sind keine handschriftlichen Überlieferungsträger bekannt.

1.2. Drucke#

Diese druckgeschichtlichen Notizen beziehen sich zunächst nur auf die Fortsetzung zur zweiten Ausgabe von Aus der Knabenzeit. 1821-1829:

Die beiden ersten der vier Fortsetzungskapitel erschienen schon Ende Dezember 1871 in der Berliner „National-Zeitung“, wo sie durch eine redaktionelle Fußnote mit den Worten angekündigt wurden: „Der Verfasser giebt hiermit die Fortsetzung seines vor längerer Zeit erschienenen anmuthig trefflichen Buches ‚Aus der Knabenzeit.‘ Die Red.“

Gutzkow übernahm diese zwei Folgen für die Buchausgabe 1873, überarbeitete stellenweise den Text stilistisch, nahm einige kleinere Streichungen und einige Hinzufügungen vor und änderte die Absatzgestaltung (die Buchausgabe hat 34, der Zeitungserstdruck 26 Absätze). Substantielle Modifikationen erfolgten nicht, sieht man von dem Umstand ab, dass er im Zeitungstext die Namen derjenigen Lehrer, die er in der Buchausgabe durch N.N. oder eine Sternchenchiffre gänzlich verschleiert, 1871 noch mit dem Anfangsbuchstaben ihres Nachnamens signiert: Der Schulinspektor Ernst Gottlob Jaeckel wird in der Zeitungsfassung noch mit Inspectors J. angedeutet, in der Buchfassung stehen anstelle des Anfangsbuchstabens drei Sternchen (216,18); Gutzkows Deutschlehrer Carl Heinrich Brunnemann kommt in der Zeitungsfassung noch als Professor und Prediger B. vor, in der Buchausgabe lediglich als Professor und Prediger N. N. (218,25). An einer Stelle hat Gutzkow 1873 einen Personen- durch einem Vereinsnamen ersetzt, den Hofrath Schneider (J) durch den Verein für die Geschichte der Mark (210,2-3).

Die Sigle ›Rasch‹ verweist auf Wolfgang Rasch: Bibliographie Karl Gutzkow. (1829-1880.) Bd. 1: Primärliteratur. Bielefeld: Aisthesis Verl., 1998. Eine bibliographische Kennziffer mit dem Zusatz N bezieht sich auf die „Nachträge zur Bibliographie“.

A2 Aus der Knabenzeit. 1821-1829. In: Karl Gutzkow: Gesammelte Werke. Erste vollständige Gesammt-Ausgabe. Erste Serie. Bd. 1. Jena: Costenoble, [1873]. S. 195-248. (Rasch 1.5.1.1.4)
J Karl Gutzkow: Jugend-Erinnerungen. I. Lehrer-Originale. II. Ersatz und Aufschwung. In: National-Zeitung. Berlin. Morgen-Ausgabe. Nr. 604, 25. Dezember 1871, [S. 1-3]; Nr. 606, 28. Dezember 1871, [S. 1-3]. (Rasch 3.71.12.25)

2. Textdarbietung#

2.1. Edierter Text#

A2. Der Text folgt in Orthographie und Interpunktion unverändert dem Erstdruck. Textsperrungen werden übernommen. Silbentrennstriche (=) werden durch - wiedergegeben. Die Seitenzählung wird mit eckigen Klammern [ ] an den betreffenden Stellen in den Text eingefügt.

Die Liste der Texteingriffe nennt die von den Herausgebern berichtigten Druckfehler sowie die Emendationen. Fehlende oder überzählige Spatien im Erstdruck wurden stillschweigend korrigiert.

Die Seiten- und Zeilenangaben im Apparat beziehen sich auf die Druckausgabe des Bandes: Aus der Knabenzeit. Mit der Fortsetzung zur zweiten Ausgabe von 1873 hg. von Wolfgang Rasch. Münster: Oktober Verlag, 2023. (Gutzkows Werke und Briefe. Abt. VII: Autobiographische Schriften, Bd. 1.)

2.1.1. Texteingriffe#

210,6 einer eine

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224,3 erfuhr befuhr

225,7 Lehrer Lehren

237,7 belletristischen belletristischem

241,26 parodirenden parodirendem

245,31 los“ los“,

258,4 Kosegarten’s Kosengarten’s

4. Entstehung#

4.1. Dokumente zur Entstehungsgeschichte#
4.2. Entstehungsgeschichte#

5. Rezeption#

5.1. Dokumente zur Rezeptionsgeschichte#
5.2. Rezeptionsgeschichte#

Der weitere wissenschaftliche Apparat wird hier sukzessive zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht.

Stellenerläuterungen#