Theodor Mundt#
Metadaten#
- Herausgeber
- Wolfgang Rasch
- Fassung
- 1.1
- Letzte Bearbeitung
- 15.02.2020
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Text#
1000 Theodor Mundt.#
Von seinem so früh dahingegangenen ehemaligen Mitstrebenden ausführlicher zu berichten, findet der Herausgeber d. Bl. vielleicht ein andermal die passende Gelegenheit. Sei hier nur kurz erwähnt, daß die liebenswürdige und bedeutendere Zeit dieses Schriftstellers seine Anfänge waren. Man muß sich in jene patriarchalische Zeit zurückversetzen können, kurz vor und nach der Julirevolution, wo in Preußen, officiell und nach den Versicherungen der Beamten und berühmtesten Gelehrten, der persönliche Charakter des Landesfürsten die beste Verfassung war. Was gegenwärtig das tägliche Geistesbrot unserer Bildung ist, war damals nur als Gift bekannt und stand unter Verschluß und Aufsicht. Schon die Worte „constitutionell“, „repräsentativ“ u. s. w. wagte man, wenigstens in Berlin, nur flüsternd auszusprechen.
Theodor Mundt gehörte nicht zu den ersten mit Freimuth sich hervorwagenden jungen Berlinern, wie etwa damals Theodor Mügge u. a. Der junge Zögling des joachimsthalschen Gymnasiums war Doctrinär und ganz und gar nur an der Aesthetik interessirt. Tieck und Solger waren seine geistigen Führer. Aber eine eigenthümliche Unterscheidung seiner kleinen Novellen, seiner Aufsätze in W. Alexis’ „Conversationsblatt“, im „Gesellschafter“ und andern Blättern ließ sich besonders da beobachten, als die berliner Journalistik durch Saphir in die schlimmsten Abwege gerieth und bereits die Tertianer zur Führung der Feder emancipirt wurden. Die ältern Namen, wie F. Förster, W. Neumann, Varnhagen, griffen nicht mehr recht durch, zumal da die Hegel’schen „Wissenschaftlichen Jahrbücher“ allen bessern Federn, die sich in ihren Spalten sammelten, die exclusive philosophische Schulstellung gaben. In jener Zeit erregten die von dem jungen, im Umgang schüchternen, in seinem Wesen das Gepräge steter Bedachtsamkeit tragenden Gelehrten herrührenden Artikel durch ihre Frische, durch manchen naiven Zug und die Wahrung des wissenschaftlichen Ernstes viel Interesse. Auch eine lyrische Regung fehlte nicht, die bei Karl Werder, Moritz Veit, Heinrich Stieglitz zu vollerm Ausbruch kam und im „Berliner Musenalmanach“ manche duftende Blüte trieb.
Theodor Mundt hätte wol damals um keinen Preis eine Beziehung seiner ihm gewiß noch völlig unklaren Bestrebungen auf Heinrich Heine zugeben mögen, einen Dichter, dessen Wesen allerdings eine Verwandtschaft mit ihm hatte; denn auch ihm schlug alles bald in sein Gegentheil um, um mit Hegel zu reden; die Ironie ließ auf seinem Antlitz kleine Schlänglein ihr neckendes Spiel schon frühe treiben. Diese Neigung zum tändelnden Spott, zur Selbstironie stand im eigenthümlichen Contrast zu allen übrigen Kennzeichen eines fast pedantischen jungen Gelehrten, damals noch fast eines Büchermenschen. Seine Phantasie war kühn und unternehmend, sein Wille zaghaft und wie der eines Muttersöhnchens. Auf der einen Seite zogen ihn die Geister der Ironie, Tieck’s alte Aristophanische Keckheiten, selbst Cynismen konnten ihm ein kurzes, eigenthümliches Lachen abgewinnen; auf der andern Seite blieben ihm die Gedankenwelt der Universität, die königliche Bibliothek und Minister Altenstein in der Wilhelmsstraße wichtige Positionen. Wer sich zugleich von damals seines so angenehmen Aeußern, seines schönen Kopfes mit schwarzem Haar, seiner mildglühenden braunen Augen erinnert, hat gewiß von dem bedächtigen, sinnigen Wesen des jungen Mundt ein höchst angenehmes Bild behalten.
Mit Rahel, Bettina, mit dem Tod der Stieglitz u. s. w. erhielt auch Mundt eine plötzliche Metamorphose. Dem Unwillen, sich vom Bundestag zum „Jungen Deutschland“ gerechnet zu sehen, gab er einen nicht immer lobenswerthen Ausdruck; dadurch, daß er seine Zwangsgenossen angriff, wollte er beweisen, daß er nicht zu ihnen gehörte. Achtbar war die Sammlung zu populär wissenschaftlichen Aufgaben. Seine „Kunst der deutschen Prosa“ enthält viel Treffliches. Später litt er wie alle unter den Verfolgungen und Unterdrückungen der romantischen Regierungszeit bis 1848; angewiesen auf Selbsterwerb, ergriff er Themata, zu deren Lösung ihm zuweilen die Kraft, oft wol auch die Neigung fehlte. Beides ersetzte dann sein bei alledem stolzes Selbstgefühl durch eine trotzende, wenn auch immer nur lächelnde und lächelnde Erbitterung. Mundt lebte sich, gewiß auch von mancher Sorge heimgesucht, in eine Verachtung von Lob und Tadel hinein, die zuletzt fast cynisch wurde. Die immerhin merkwürdige Neuerung des „biographischen Romans“, die seine Gattin aufbrachte, ist eine Frucht dieser Stimmungen. Seine ursprüngliche wissenschaftliche Bildung verleugnete sich bei diesem Preisgeben höherer ästhetischer Anforderungen glücklicherweise keineswegs; er hat diesem Genre, soweit es von ihm und seiner Gattin cultivirt wurde, immer noch den Charakter einer gewissen Gründlichkeit bewahrt. Die Gewandtheit seiner Feder nahm dabei eher zu als ab. Seine Reiseberichte aus Italien sind mit einer in den Behauptungen oft erschreckenden Fertigkeit und in manchen Partieen mit einer nun sich schon ganz ungehindert gehen lassenden Erneuerung des ihm geistverwandten Thümmel geschrieben, oft aber auch sind sie von schlagendem Witz und durch die resolute, alles Unterhandeln mit dem Gegentheil seiner Anschauungen kurz abschneidende Sicherheit so lange unterhaltend, bis zuletzt denn doch die stete Ironie wieder dasjenige in Frage zu stellen scheint, was man von dem Berichterstatter eben glaubte mit Wärme vertheidigt und empfohlen zu sehen.
Eine uns noch fehlende tiefergehende und feine Analyse der neuern deutschen Literaturgeschichte wird über Theodor Mundt Gutes und Schlimmes zu sagen haben, jenachdem, aber nur dann ein wahres Charakterbild aufstellen, wenn auch hier, ob im Lob oder Tadel, einem großen, mehr leid- als freudvollen Zuge der Zeit Rechnung getragen wird.
Apparat#
Bearbeitung: Wolfgang Rasch, Berlin#
1. Textüberlieferung#
1.1. Handschriften#
1.1.1. Übersicht#
Es sind keine handschriftlichen Überlieferungsträger bekannt.
1.2. Drucke#
2. Textdarbietung#
2.1. Edierter Text#
J. Der Text folgt in Orthographie und Interpunktion unverändert dem Erstdruck. Textsperrungen werden übernommen. Silbentrennstriche (=) werden durch - wiedergegeben. Die Seitenzählung wird mit Klammern [ ] an den betreffenden Stellen in den Text eingefügt.
Kommentar#
Der wissenschaftliche Apparat wird hier zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht.