Theater-Roman. Von August Lewald. Erster und zweiter Band#
Metadaten#
- Herausgeber
- Wolfgang Rasch
- Fassung
- 1.1
- Letzte Bearbeitung
- 19.12.2019
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Text#
557 Theater-Roman. Von August Lewald. Erster und zweiter Band. Stuttgart, Krabbe, 1841.#
Über den Totaleindruck dieser vielgelesenen neuen Erscheinung kann man noch kein Urtheil fällen. Den beiden ersten Bänden werden mindestens noch zwei andere folgen. Eine interessante, etwas an Hoffmanns Weise erinnernde Fabel liegt in diesen beiden ersten Bänden bereits sehr deutlich angesponnen vor. Der Schauspieldirektor Titl hat etwas Kreisler-Artiges, seine stumme Frau und Luciles Verhältniß zu dem mysteriösen Krauthöfer lassen eine interessante Entwickelung erwarten, auf die wir gespannt sind. Vorläufig hätten wir die Introduction oder vielmehr die Staffage des Buches weniger in dem Geschmack Langbeins, d. h. Pogenwinkel weniger à la Krähwinkel gewünscht. Die komische Parthie ist dadurch etwas forçirt geworden und theilweise räthselhaft, sonst aber ist sie doch nicht leer an wirklich drastischen Situationen. Es kommen einige Züge vor, über die wir haben herzlich lachen müssen. Soviel über das eigentlich Romanhafte des Buches.
Bei weitem merkwürdiger ist der satyrische Theil. Lewald kennt das Theater in allen seinen Beziehungen. Er hat die Schauspieler in tausend Situationen beobachtet, hinter den Coulissen, im Umgang mit sich, mit andern, mit Dichtern, Rezensenten und Publikum. Einige Skizzen und Umrisse sind ohne Zweifel ganz der Natur entnommen. Wer Leinweber seyn mag, wollen wir nicht errathen und gestehen, wenn es der ist, den Andre meinen, daß ein feindseliges Verhältniß nur zu unserm Bedauern so weit hat reifen können. Es müssen hier die schwersten Verletzungen des Vertrauens und der Freundschaft stattgefunden haben, um ein Zerwürfniß so weit auseinanderzureißen, daß daraus - Leinweber entstehen konnte. Vorläufig glauben wir wenigstens dies versichern zu müssen, daß der Schauspieler, der unter dieser Maske gemeint seyn mag, als Künstler höher steht, als ihn der Roman schildert. Allein leicht möglich, daß auch wir hier etwas finden, was nicht zu suchen ist und Beziehungen in das Gemälde hineintragen, die Lewald selbst nicht als persönliche gelten läßt.
Daß es solche Figuren in der Theaterwelt giebt, wie Leinweber geschildert ist - keine Frage! Allein dieser erinnerte uns weit mehr an gewisse gespreizte Heldenspieler, die sich gern Künstler, großer Mime u. s. w. schelten lassen und doch nur von Zufalls und der käuflichen Kritik Gnaden Stellungen einnehmen, wie sie Leinweber beim Intendanten Pißjahn behauptet. Die Wahrheit Leinwebers, angewandt auf den, dem sie gelten soll, ist keine; angewandt auf hundert Andere, ist sie die schlagendste. Moosbach - wer verkenne den halb harmlosen, halb gefährlichen artistischen Vaurien? Balder ist uns nicht klar. Soll es ein namhafter seyn und haben wir ihn am Nesenbach zu suchen?
Genug. Wir wollen den persönlichen Anspielungen nicht mit lüsterner Neugier weiter nachforschen, dem Vf. die Verantwortung seiner Zwecke und Tendenzen selbst überlassen und das, was uns geboten wird, in aller Harmlosigkeit hinnehmen. Es ist ein Gemälde, in seiner allgemeinen Beziehung nur zu treffend; das Intendanten-Cliquen-Rezensentenwesen ist mit köstlicher Laune und unwiderleglicher Wahrheit wiedergegeben. Wir versprechen uns in dieser Hinsicht von dem Buche Lewalds die größten Erfolge für die gute Sache der Bühne.
558 Höher aber noch, als der romantische und satyrische Theil steht uns der, wo Lewald in sein eigentliches Genre, in die Manier seiner Aquarelle kommt. Hier, wo wirkliches Erlebniß mit Erfundenem, Räsonnement und Idylle abwechseln, ist er, wie immer, originell und trefflich: die Episode ist Lewalds Forçe und so auch hier. Stein’s Geschichte, seine Gespräche mit Balder wird jeder Freund des Theaters mit der lebhaftesten Theilnahme lesen. Wo Lewald diese Erinnerungen an Iffland, Schröder und andere Zeitgenossen auch her haben mag, sie sind ächt, sie tragen davon das unverkennbare Gepräge. Ob nicht die Verstimmung gegen Schröder, die in dieser Parthie herrscht, hätte gemildert werden können, wollen wir dahingestellt seyn lassen, da sich diese Gespräche nicht als normale Kritiken, sondern von selbst als einseitige und persönliche Erinnerungen geben. Vielleicht tritt in der Fortsetzung des Buches auch ein ebenso begeisterter Verehrer Schröders auf. Wünschen möchten wir, daß wenigstens Kotzebue in der Fortsetzung auch einen eben so tapfern Gegner finden möge, wie Balder in dem zweiten Bande sein Anpreiser ist. Wenn wir dem Theater der Gegenwart nutzen wollen, müssen wir nicht auf Iffland und Kotzebue, sondern an ältere Perioden verweisen. Lewald ist Kenner der gegenwärtigen dramatischen Misère genug, um dies selbst zu fühlen.
Neben dieser mehr räsonnirenden Parthie ist im ersten Bande das Künstlerdîner am gelungensten. Das im zweiten Bande angelegte Lustspiel: Die über Nichts Lachenden erinnert an das Beste, was wir in diesem satyrischen Genre von Arnim haben und hätte noch weiter ausgeführt werden sollen. Wir sprechen gewiß den Wunsch eines großen Theils der deutschen Lesewelt aus, wenn wir die schnellste Fortsetzung dieses Theater-Romans beim Verfasser und Verleger zugleich beantragen. *)
Apparat#
Bearbeitung: Wolfgang Rasch, Berlin#
1. Textüberlieferung#
1.1. Handschriften#
1.1.1. Übersicht#
Es sind keine handschriftlichen Überlieferungsträger bekannt.
1.2. Drucke#
2. Textdarbietung#
2.1. Edierter Text#
J. Der Text folgt in Orthographie und Interpunktion unverändert dem Erstdruck. Textsperrungen werden übernommen. Silbentrennstriche (=) werden durch - wiedergegeben. Die Seitenzählung wird mit Klammern [ ] an den betreffenden Stellen in den Text eingefügt.
Kommentar#
Der wissenschaftliche Apparat wird hier zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht.