Die Feier der Enthüllung des Goethe-Denkmals in Frankfurt a. M.#
Metadaten#
- Herausgeber
- Madleen Podewski
- Fassung
- 2.3: Korrektur Apparat
- Letzte Bearbeitung
- 30.06.2021
Text#
50 Die Feier der Enthüllung des Goethe-Denkmals in Frankfurt a. M.#
Es ist eine merkwürdige Erscheinung, daß zuweilen im Culturleben der Völker Momente auftauchen, welche irgend einen Begriff, irgend eine Richtung, ja irgend eine Mode zu einer fast fieberhaften Geltung bringen, und dann ebenso schnell wieder verschwinden.
Eine solche vorübergehende Schwärmerei war vor drei bis fünf Jahren die von allen Seiten lebendig werdende Verehrung vor unsern großen historischen Erinnerungen und damit verknüpft die Geneigtheit, unsern großen Männern, besonders den Dichtern der classischen Periode, Denkmäler zu setzen.
Was damals rasch und thatkräftig angefaßt wurde, das ist auch glücklich zu Stande gekommen. Selbst für einen völlig mythischen Begriff, wie der der einstigen Befreiung Deutschlands von den Römern durch Arminius, fanden sich so viel bereitwillige Spenden, daß man über den Gemeingeist unsers Volkes, wenn er nur zur passenden Stunde angeschürt wird, erstaunen mußte. Später ließ freilich die Spannung nach. Manche halbvollendete Denkmalbestrebungen sind in Stocken gerathen, andre, zu denen erst der Entwurf fertig war, mußten schon wieder im Keime sterben, woran zum großen Theil auch die förmlich ins Kolossale organisirte Idee des kölner Domausbaues Schuld sein mag. Für jenen Dom fließen durch regelmäßige und nunmehr fast Zwangsanlehen gewordene Beiträge viele Tausende zusammen, während Lessing in Braunschweig noch immer zu keinem Denkmale kommen kann.
Als das Standbild Friedrich Schillers sich in Stuttgart erhob, mußte keine Stadt mehr als Frankfurt a. M. fühlen, welche Verpflichtung sie Johann Wolfgang Goethe abzutragen hatte. Hier war der große Dichter den 28. August 1749 geboren. Schon zu Goethe’s Lebzeiten regten sich hie und da Wünsche für eine monumentale Erinnerung an ihn, aber nach mancherlei selbst gehässigem Streit über diesen Plan mußte dem Takt des Lebenden eine solche dem Tode gehörende Huldigung unpassend erscheinen. Um so auffallender ist es, daß fast fünf Jahre verstrichen, ehe nach Goethe’s im Jahre 1832 wirklich erfolgtem Tode der früher fast vorschnelle Gedanke wieder aufgenommen wurde. Die politische Aufregung, welche nach der Julirevolution eintrat, mag davon die meiste Schuld getragen haben. Mehr als je wurde Goethe’s Verhältniß zu dem öffentlichen Leben seine Volks grade damals erörtert und in mißliebiger Weise dargestellt. Während die Gelehrten sich beeiferten, ihn durch Buch auf Buch, Commentar auf Commentar zu erläutern, blieb auffallenderweise der Massengeist hinter dieser Stimmung zurück und folgte sogar dem Urtheil einiger zelotischer Goethefeinde, die den Gedanken, Goethe wäre ein Aristokrat gewesen, in trivialer und fanatisch übertreibender Weise breit schlugen. Darüber kamen aber allmälig ruhigere Zeiten herauf, die politische Literatur fing an, sich mit den ästhetischen Ueberlieferungen zu vermitteln und mit dem Jahre 1837 trat endlich der Gedanke, auch Goethe ein Standbild zu errichten, siegreich ins Leben.
Wie es aber oft zu geschehen pflegt, daß naturgemäße Entwickelungen von einem nicht vorhergesehenen Zwischenfall unterbrochen werden, so bekam auch die neue Denkmalfrage der Stadt Frankfurt eine unvermuthete Diversion. Wie es nämlich zu allen Zeiten eine Auszeichnung freier und begüterter Handelsstädte war, daß einzelne patriotische Bürger aus eignen Mitteln gewisse Pflichten, deren Lösung das ganze Gemeinwesen hätte übernehmen sollen, auf sich nahmen und Werke öffentlichen Zwecks oft für die Ewigkeit und ruhmvoll für die Stifter und die Stadt hinstellten, so hatten sich auch drei Frankfurter, die Herren Seufferheld, Mylius und Rüppel, verbunden, aus eignem Antriebe eine Pflicht zu lösen, die dem Ganzen gebührte. Mit großen Kosten ließen sie ein Marmorbild Goethe’s anfertigen und rechneten darauf, die Stadt würde ihre patriotische Handlung nach Verdienst würdigen. Unglücklicherweise kamen aber diese Biedermänner auf den Gedanken, die Ausführung dieses Bildes einem fremden Künstler anzuvertrauen. Pompeo Marchese, in Italien hochgefeiert, ist ein in Deutschland wenig gekannter Name. Das Standbild jener Herren, etwa von Rauch modellirt, würde schon von vornherein günstigere Theilnahme gefunden haben. Marchese aber, der mailänder Bildhauer, unbekannt mit Goethe’s Beziehung zu Deutschland, unbekannt vielleicht sogar mit seinen Werken, lieferte ein Standbild, das Goethe 51 in sitzender Figur aus Marmor wiedergiebt, nicht ohne Adel, nicht ohne Würde, aber ohne jene eigenthümliche charakteristische Wirkung, die unmittelbar im deutschen Gemüthe dadurch hätte hervorgerufen werden sollen. Der Kopf hat etwas mehr Französisches, als Deutsches, die Haltung des Ganzen erinnert mehr an die Poesie des Alfieri, als an den Schöpfer des humoristischen Faust und des weichen Egmont. Die Idee, durch dieses Standbild die Goetheschuld für abgetragen zu erklären, wurde beseitigt und das Geschenk der drei hochherzigen Bürger in der Vorhalle der Bibliothek aufgestellt.
Man hätte nun zunächst glauben sollen, die Stadt selbst würde die Initiative des zu begründenden Denkmals ergreifen und von Seiten hohen Senats die Bürgerschaft auffordern lassen, durch Unterzeichnung die nöthigen Mittel vorzustrecken. Aus Gründen aber, die theils in einer gewissen Indifferenz aller republikanischen Staatskörper, wenn sie nicht von einem Perikles, einem Cosmo von Medicis beseelt werden, theils in andern, unten zu nennenden Gründen liegen, geschah dies nicht, sondern der Vorstand des hiesigen Kunstvereins im Bunde mit der Verwaltung der Städel’schen Kunstakademie stellte sich an die Spitze eines Unternehmens, welches der deutschen Nation gegenüber jetzt zur Nothwendigkeit geworden war. Gleich die erste Subscription brachte bedeutende Mittel zu Wege. Man verpflichtete sich, einen bestimmten Beitrag drei Jahre lang zu zahlen.
Ein Comité, welches sich für die thatkräftige Verwirklichung der Idee gebildet hatte, faßte den Beschluß, es sollte dem unsterblichen Mitbürger Goethe auf einem der öffentlichen Plätze seiner Vaterstadt ein Standbild aus Erz geweiht und Thorwaldsen mit der Ausführung des Modells beauftragt werden. Der Name dieses Künstlers wurde mit Freuden vernommen. Sonstige Entgegnungen wurden beseitigt und so wirkte einstweilen der Plan im Stillen fort.
Eine wesentliche Veränderung trat ein, als Thorwaldsen, überhäuft mit Bestellungen, den Termin, bis zu welchem er das Standbild liefern könnte, sehr weit hinausschob. Man ging deshalb um so lieber zu Schwanthaler über, als einestheils weder Guttenberg noch Schiller, beide von Thorwaldsen modellirt, für Thorwaldsens Beruf zu öffentlichen großen Volksstandbildern sprachen, anderntheils die von Thorwaldsen vorgeschlagenen Basreliefs sich in jenen abgenutzten Allgemeinheiten von Musen und Grazien und dergleichen allegorischen Nüchternheiten, die auf jeden Poeten passen konnten, bewegten. Goethe in seiner Ursprünglichkeit schien, wie Schiller, nicht von ihm erfaßt zu sein.
Je näher nun das von Schwanthaler begonnene Modell seiner Umgestaltung in Erz entgegenrückte, desto lebhafter wurden in Frankfurt die Debatten über die Stelle, wo man das Denkmal hinsetzen sollte. Frankfurt, eine alterthümliche, auf engen Raum begrenzte Stadt, besitzt wenig öffentliche Plätze. Der einzige geeignete große war inzwischen zu einer Guttenbergsgruppe bestimmt worden, der einzige geeignete kleine, der Platz am Fach der Gallusstraße, war zum Durchbruch eines immer nothweniger werdenden neuen Thores bestimmt. So blieb nur die Wahl zwischen einigen annähernd geeigneten Räumen, von denen jeder einen leidenschaftlichen Vertheidiger fand. Trotz der etwas engen Räumlichkeit wäre unstreitig das Dreieck am Ende der Zeil, wo jetzt der Haltplatz der Droschken ist, derjenige Ort gewesen, wo sich das majestätische Standbild am erhabensten ausgenommen hätte. Unbedeutend war die Umgebung auf dem Theaterplatz, zu kolossal das Werk, um hinaus in die Gartenanlagen, welche die Stadt umgeben, gestellt zu werden. Somit vereinigte man sich, es dahin zu stellen, wo es jetzt steht, nicht ohne Einspruch des Kirchenvorstandes der französisch-reformirten Gemeinde, die Goethe für zu heidnisch hielt, um in der Nähe ihrer gegenüber liegenden Kirche zu stehen. Man hat auf diese Prüderie keine Rücksicht genommen und der Volkswitz sagt jetzt: „Goethe wollte in Frankfurt nie ein Amt annehmen, nun ist er doch noch Kirchenvorsteher geworden.“
Der Zeitpunkt der Vollendung und Aufstellung rückte heran. Von Schwanthaler’s Gesundheit hörte man viel Betrübendes, sogar von Stiglmayer’s, des Gießers, Tode wurde man plötzlich wehmüthig überrascht, aber das Standbild war vollendet und zog in der königlichen Gießerei zu München schon lange die bewundernde Aufmerksamkeit der Kenner auf sich. In Frankfurt hatte man gehofft, das Standbild schon zum 28. August, dem Geburtstage des Dichters, begrüßen zu können, aber die Aussichten dazu verzögerten sich von Woche zu Woche, bis plötzlich die Freudenbotschaft kam, daß im October das hehre Standbild in Frankfurts Mauern könnte aufgestellt sein.
Zur Einleitung dieses feierlichen Actes wählte das große, seit vielen Jahren wirkende Comité einen besondern Festausschuß, der sich seinerseits durch Hinzuziehung einiger gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und artistischen Notabilitäten verstärkte. Gleich bei seinen ersten Arbeiten stieß dies Festcomité auf viele Schwierigkeiten. Beim Entwurf der Feierlichkeiten, die die Enthüllung des Standbildes ehren sollten, stellte sich sogar der Kostenpunkt als kein geringes Hinderniß dar. Man fühlte, daß man der Stadt, daß man Goethen eine großartige Huldigung schuldig war, aber man fand sich auch gänzlich auf die Mittel beschränkt, welche noch nicht einmal hinreichten, den vollen Kostenbetrag des Denkmals selbst zu decken. Im ersten Anlauf war die Theilnahme für das Budget des Monumentes sehr ergiebig gewesen. Die fehlenden Nachschüsse aber einzutreiben wurde schwieriger. Es ergab sich, daß nur ungefähr 350 Bürger dieser gebildeten und wohlhabenden Stadt an dem Denkmal Goethe’s sich interessirt hatten. Die Stadt als solche hat dies Denkmal nicht begründet. Weder Senat noch Bürgerschaft waren geneigt, sich durch die That an ihm zu betheiligen. Ja als es verlautete, daß die Kosten des Denkmals sowohl wie der Feierlichkeit noch nicht ganz gedeckt wären, nahm der Senat Anstand, die Bildsäule „als ein Eigenthum der Stadt“ anzunehmen. Um die bevorstehende Feier nicht zu stören und diesen Act der Eigenthumsübergabe, der „unvorsichtigerweise“ an den Behörden in den Verheißungen des Programms durchgegangen war, nicht zu hindern, half man sich, durch einen vermittelnden Ausweg über die Schwierigkeiten dieses Punktes einstweilen hinwegzukommen.
Das Comité, durch diese und ähnliche Erfahrungen über die Stellung seiner Wirksamkeit zum öffentlichen Geiste der Stadt unterrichtet, war vollkommen berechtigt, eine Feier zu entwerfen, die sich nur innerhalb des für die Idee kund gewordenen Interesses hielt. Der alte Spruch, der Prophet gilt in seinem Vaterlande nichts, bewährte sich täglich. Goethe, der jugendliche Dichter des Goetz und Werther, war vergessen, man kannte nur noch den alten Herrn in Weimar, der, die Zeit seiner Blüthe überlebend, über die Zeitereignisse manche Worte hatte fallen lassen, die dem Bewußtsein unserer freisinnigen Epoche kränkend waren. Es fehlte in der That grade in Frankfurt am meisten an der durchgreifenden Hingebung für Goethe. Dazu kam der unglückliche Umstand, daß Goethe vor Jahren in übler Laune, gekränkt von der Einforderung seiner rückständigen Einkommenssteuer, sein Bürgerrecht in Frankfurt aufgegeben hatte, eine Calamität, wenn man einmal einräumen muß, daß der Bürger einer Republik mit Stolz auf dieses Recht eifersüchtig sein darf und von einem Frankfurter es doppelt taktlos war, so gewaltsam seine Beziehung zur Aelternstadt abzuschneiden. Endlich kamen auch noch die Verketzerungen einer in Frankfurt nicht unwirksamen Pietistenpartei hinzu, um im Großen und Ganzen die Stimmung für Goethe auf einen Pflichttheil der dem großen Genie gebührenden Anerkennung herabzudrücken. Das Comité durfte allerdings voraussetzen, daß frankfurter Bewohner sich über diese Dinge deshalb hinwegsetzen würden, weil es sich um eine im Namen Deutschlands abzutragende Schuld handelte. Da man dies aber nicht that, so sind seine Anordnungen, die die Feier nur innerhalb des für das Denkmal activ gewesenen Bürgergeistes hielten, mehr als gerechtfertigt. Nachdem im Grunde durch die Masse für Goethe nichts geschehen war, hatte man auch Recht, die Masse von der Feier auszuschließen. Man ordnete den Zug, der zum Standbilde am 22. October heranwallen sollte, aus den Elementen, die sich entweder für das Denkmal bewährt hatten oder die als Corporation zu irgend einem wissenschaftlichen oder künstlerischen Zwecke mit der Idee des Tages in einem natürlichen Zusammenhange standen.
In der That, es hatte dieses Fest eine merkwürdige symbolische Bedeutung. Es war ein Fest des Geistes, offenbarend den Kampf des Genies gegen begründete und unbegründete Rechte der Materie. Wer wird läugnen, daß in dieser dem Fest vorhergehenden Gleichgültigkeit der Masse eine ernste Lehre für die großen Monarchen des Gedankens lag, und wer kann streiten, daß in dem einstimmigen Jubel nach der Enthüllung und am Abend des Festes, wie in dem versöhnten Hinblick auf das nun fest begründete Erzbild wiederum die hohe allgewaltige Macht des Geistes ausgesprochen liegt? Lehrreich war dies Fest für beide Theile, für die Aristokratie der Intelligenz sowohl wie für die Demokratie der Gesinnung. Es sagte: Gehört Eurer Zeit und Eurem Volke, Ihr Starken am Geiste! Und den Parteisüchtigen gab es die Lehre, daß man an großen Geistern dulden, schonen und die individuelle Entwicklung der Einzelnen, mehr aber als dies die Bildungsgänge, wie sie einmal geworden sind in alten Zeiten, anerkennen solle.
Den 16. October traf das Standbild in Frankfurt ein. Schon in München war der kolossale Wagen, der es überbringen sollte, aus der Werkstatt des Gießers mit Kränzen und Fahnen geschmückt ausgefahren. Wie billig mußte er auch in Frankfurt mit entsprechender Feierlichkeit empfangen werden. Leider begünstigte das Wetter nicht diesen ersten Act der bevorstehenden Huldigungen. Unter strömendem Regen, aber doch von Tausenden Neugieriger umringt, wurde der gewaltige Wagen mit frischen Blumenkränzen geziert. Zu den bayrischen Fahnen gesellten sich die frankfurter. Ein Musikcorps bahnte den Weg vom aschaffenburger Thor durch Sachsenhausen über die Mainbrücke. Den Spielleuten folgten die Zöglinge des Städel’schen Kunstinstitutes mit ihrer Fahne, diesen schlossen sich die Mitglieder des Comité’s und ein von Straße zu Straße wachsender Zug der neugierig Nachströmenden an. Das Wetter heiterte sich auf, als der sechsspännige Wagen in die Hauptstraße der Stadt, die Zeil, einlenkte, und wohl ist Manchem, der früher kalt den Vorbereitungen zum Feste zugesehen hatte, dieser erhebende Anblick aufs Herz gefallen. In diesen Straßen, mußte sich das empfängliche Gefühl sagen, auf diesen Plätzen war jener Mann ein harmlos spielender Knabe, dessen erzgeformte Männergestalt nun zu uns zurückkehrt, um dauernd bei uns zu weilen!
Der Erzgießer Müller, der in Gemeinschaft mit dem zu früh verstorbenen Stiglmayer den Guß des Bildes besorgt hatte, begleitete die Säule und ging sogleich ans Werk, sie aufzurichten. Die dazu nöthigen Anstalten waren schon alle getroffen, das Fundament war gelegt – leider ohne die übliche Grundsteinlegung und Einlage von Erinnerungsgegenständen und Votivtafeln! – Am 18. October, unter dem Donner der gerade die Schlacht bei Leipzig feiernden Kanonen hob sich in dem bedeckten Raume die eherne Gestalt aus dem Wagen empor auf den granitenen Sockel. Wer Gelegenheit hatte, diesem Momente beizuwohnen, war von dem Eindruck erschüttert.
Inzwischen traf das zur Anordnung der Enthüllungsfeierlichkeiten niedergesetzte Comité alle Anstalten zu einem würdigen Feste. Diese Aufgabe war nicht leicht. Es galt hier nicht nur eine versäumte Zeit nachzuholen, sondern noch schwieriger mußte die Benutzung des nur geringen Materials von Theilnahme sowohl wie der äußern Mittel erscheinen. Die Kosten des Denkmals fingen erst allmälig an, ihre Deckung zu erreichen, und nun ergab sich der Nothwendigkeit eines würdigen Festarrangements gegenüber neue Verlegenheit. Die Behörden der Stadt, nicht ahnend, daß für eine kleinliche Feier später der ganze Gemeingeist Frankfurts solidarisch würde verantwortlich gemacht werden, griffen mit Rath und That nicht zu. So beengt war der Gesichtskreis dieser Behörde, daß es die größte Mühe verursachte, nur einige Bäume, die dem Standbilde seinen Effect benahmen, fortschaffen zu dürfen. Später, als in den meisten Zeitungen von den Fremden, die zum Besuch hierher gekommen waren, das Fest als hinter den Erwartungen zurückgeblieben dargestellt wurde, mochte man es höhern Orts genug bereut haben, daß man sich mit seiner engen und der Begeisterung unfähigen Gesinnung so bloßgestellt hatte. Aber nicht nur die Behörden ließen die Gelegenheit vorübergehen, der Welt zu zeigen, was im Wetteifer mit der Monarchie auch die moralische Kraft eines kleinen freistädtischen Gemeinwesens vermöge, sondern ganze Stände und die reichsten Familien verhielten sich zu der nahe bevorstehenden festlichen Zukunft gleichgültig. Einige der reichsten Handelshäuser verbaten sich jede Aufforderung zur Mitwirkung. Von Zünften hatte sich nur das einzige Maurergewerk mit einem Beitrage zum Denkmale betheiligt. Konnte man unter diesen traurigen Erfahrungen dem Comité verdenken, daß es die Feier nur als einen Schlußstein zu seinem bisherigen siebenjährigen Wirken auffaßte und sie innerhalb derjenigen Elemente anordnete, welche sich für den Sinn und die Bedeutung der kommenden Tage aus eigenem Antriebe empfänglich gezeigt hatten?
Was man auch nach der Feier in den Zeitungen über den getäuschen Eindruck mancher Voraussetzungen gelesen haben mag, was davon einseitig oder begründet sein möge, es ist ungerecht, die Anordnungen des Comité’s zu verklagen. Im Gegentheil macht dem Comité jene Consequenz Ehre, mit dem es inmitten so vieler Widersprüche sein Werk durchführte. Mit Stolz und Charakterfestigkeit unterließ man, bettelhaft um Sympathien für Goethe zu werben. Die Aufforderung, für das Denkmal zu wirken, war früher an Alle ergangen. Es hatten sich nicht über 350 Beisteuernde gefunden. Eine Summe, die Senat und Bürgerschaft zugeschossen hätte, fehlte. Deshalb handelte man charakterfest, wenn man nicht die Zünfte aufforderte, im Festzuge mit zu erscheinen. Die Fremden, die die Zünfte mit ihren Fahnen vermißt haben, hätten somit den öffentlichen Geist der Stadt, aber nicht die Anordnungen des Comité’s zu tadeln.
Um den festlichen Augenblick der Einweihung und Enthüllung des Standbildes nicht durch den Zudrang des Volkes zu stören, hatte eine geschlossene Tribüne gezimmert werden müssen. Noch verhüllte ein weißer Mantel geheimnißvoll das eherne Standbild. Inzwischen kam mit leidlich günstiger Witterung der erste Tag des Festes, der 21. October, heran. Die späte Jahreszeit machte einen großen Zufluß von Fremden unmöglich, doch kam der Kanzler von Müller aus Weimar, vieljähriger Freund Goethe’s und gleichsam der persönliche Vertreter jener Erinnerungen, die man zu ehren gedachte. Die Enkel Goethe’s waren zu kommen verhindert durch die Trauer um ihre eben verstorbene Schwester Alma. Riemer dankte für die erhaltene Einladung entschuldigend. Eckermann erhielt den nach Weimar gesandten Brief erst verspätet in Hannover. Bettina von Arnim beklagte den „Mangel einer nach Frankfurt führenden Eisenbahn“ und gab von Berlin aus nachträglich einige Winke für die Festtage, die, ihren Zartsinn bekundend, befolgt worden sind.
Zur Vorfeier hatte die Direction des Stadttheaters eine Vorstellung von Goetz von Berlichingen veranstaltet, keine glückliche Wahl, da der Sinn unserer Zeit sich von der Rohheit jener verendenden Faustrechtsepoche oft abgestoßen fühlen mußte, und die künstlerische Anlage dieses Erstlingswerkes die künftige Unsterblichkeit des Autors nicht zu verbürgen scheint. Man hätte nur Tasso oder Iphigenia geben sollen. Die Gelegenheit, mit Tasso und Iphigenia volle Häuser zu machen, kommt so selten, daß sie hier mit freudiger Hand hätte ergriffen werden sollen. Das Publicum hatte sich in weihevoller Stimmung versammelt. Ein Prolog von Dr. Weismann verfaßt, und von Herrn Reger vorgetragen, hatte den feierlichen Ernst dieser Stimmung erhöht. Eine Vorstellung des Tasso oder der Iphigenia würde den Abend zu einem entsprechenden Ende geführt haben.
Am folgenden Morgen zeigte sich am Geburtshause Goethe’s auf dem Hirschgraben über der Thür eine neu eingerahmte weiße Marmortafel, die nun in goldenen Buchstaben jedem Fremden das Haus zeigt, in welchem er vorsprechen kann, wenn er geneigt ist, die Räume zu sehen, wo Goethe seine Knaben- und Jünglingsjahre verlebte.
Gegen elf Uhr versammelten sich im Local der städtischen Reitbahn alle Diejenigen, welche veranlaßt waren, sich einem Festzuge anzuschließen, der nach einer kurzen Wanderung durch einen Theil der Stadt sich in dem abgegrenzten Festraume um das Standbild auflöste und die dortigen Sitze einnahm. Dieser Zug, angeführt von der Militärmusik, bestand aus den Liederkränzen, den Schulen der obern Classen des Gymnasiums, den Schülern des Städelschen Instituts, den Deputationen der verschiedenen wissenschaftlichen und artistischen Anstalten der Stadt, den Contribuenten des Denkmals, den Fremden und den Deputationen des Buchhandels und der Buchdruckerei. Manche haben diesen Zug länger, die Fahnen zahlreicher gewünscht. Man hat auch hier wieder die Zünfte sehen wollen, aber zu einem bloßen Schaugepränge wollte man keine Feier veranstalten. Unter Guttenberg’s Aegide konnten sich in Mainz Alle vereinigen, die nur einigermaßen mit Mühe täglich ihre Zeitung herausbuchstabiren, Goethe’s Schild aber ist nur klein. Und hier in Frankfurt sollte er naturgemäß nur Diejenigen decken, welche für ihn gewirkt, für ihn gestritten hatten. Wer dies fühlte, dem war der Zug ein erhebender Anblick. Es war etwas Muthvolles, Trotziges, so siegreich hindurchzuwandeln durch die Vorurtheile des engen Weltsinnes. Es wäre schal gewesen, wenn man in diesem Zuge hätte Elemente sehen 52 müssen, die nicht hineingehören wollten, Elemente, die Goethen nichts hatten bringen können, als ihre Fahne.
Im Festraum hatten sich inzwischen die Behörden der Stadt und die Frauen versammelt. Tausende von Menschen wogten durch die Straßen. Auf die Zweige der Bäume des Alleeplatzes war die Jugend geklettert. Aus allen Fenstern, ja von den Dächern herab gruppirten sich die Zuschauer. Der Zug hatte Mühe, sich durch die Volksmassen Bahn zu brechen. Eine Abtheilung des Bürgermilitärs machte dicht am Eingang zum Festraume Spalier. Endlich waren die Sitze eingenommen und eine von den H. H. Weismann und Schwenk gedichtete, von dem Musikdirector Messer componirte und von den Liederkränzen vielhundertstimmig vorgetragene Cantate eröffnete die Feierlichkeit. Nachdem trat der Präsident des Festcomité’s, Dr. med. Spieß, an die Stufen des noch verhüllten Monumentes und hielt aus bewegter, tiefergriffener Brust eine freie Rede. Ein durchgreifendes Beherrschen der ganzen Oertlichkeit war nicht vorauszusetzen. Doch innerhalb des Geheges machten sich die Worte des Redners vollkommen geltend. Er schilderte die ganze Bedeutung des Augenblickes, entrollte die Geschichte des Denkmals mit kurzen Thatsachen und wandte sich dann zu einem paränetischen Zwecke, zur Aufforderung an Frankfurt, den Geist der höheren Bildung, den Geist der Wahrheit und Schönheit aus dem Denkmale sich ansprechen und für alle Zukunft anwehen zu lassen. Zum höchsten Schwunge entfaltete sich die ergriffene Stimmung des Redners, als er sich dem Augenblick nahte, wo er das Zeichen der fallenden Hülle geben sollte. Man fühlte den Schlag des Herzens mit, man empfand den weihevollen Schauer, der den begeisterten Sprecher durchrieselte. Endlich fiel die Hülle, ein Moment des stillen Erstaunens unter den Tausenden, und dann der Ausbruch eines bewundernden Jubels. Da stand das eherne Bild! Majestätisch und groß! Das Wort mußte zum Preise verstummen, nur der Ruf Aller konnte noch reden, bis die Musik und der Gesang dem Streiten und Wogen der Gefühle das Ende eines melodischen Ausdrucks gab. Die Bürgermeister der Stadt empfingen während dieses unvergeßlichen Moments ein Pergament, in welchem das Standbild der Stadt – zum Schutz empfohlen wird. Das Programm hatte gesagt – „zum Eigenthum übergeben“; aber der Senat hatte die Bildsäule als „Eigenthum“ der Stadt nicht annehmen wollen.
Aber hinweg jetzt mit der Erinnerung an diese kleinen charakteristischen Zwischenfälle! – das Standbild ist enthüllt und so groß ist die Macht des Geistes – und die menschliche Schwäche – nun bewundern sie Alle das Bild, nun will ein Jeder an ihm betheiligt gewesen sein, nun ist Aller Einwand, selbst die Einkommensteuer, vergessen! Das Standbild ist in künstlerischem Betracht geradezu als ein großes Meisterwerk zu bezeichnen. Die Vorstellung eines in sich fertigen und harmonisch abgeschlossenen Ganzen tritt dem Beschauer unmittelbar entgegen. Mit äußerst feinem und richtigem Gefühl für bildnerische Darstellung ist hier die glückliche Uebereinstimmung aller Theile mit dem Ganzen gefunden und das unbedeutendste Zubehör ist mit in die Idee des Monumentes aufgenommen. Es ist hier nicht zufällig oder willkürlich ein Gegenstand auf einen andern, die Statue auf ein Postament und eine Anzahl Relieftafeln auf sonst leere Flächen gesetzt, sondern dieses Alles bedingt sich wechselsweise und gehört den Formen nach ebenso nothwendig zu einander, wie dieses dem Material nach der Fall ist. Der Maßstab, 14 Fuß Höhe der Figur bei 12 Fuß Höhe des Postamentes ist für die gegebene Lokalität ein äußerst günstiger, entspricht allen nur möglichen Standpunkten des Beschauers und zwischen zu Groß und zu Klein ist hier geradezu die schwierige Mitte eingenommen. Da Schwanthaler das Standbild nicht eigentlich für diesen Platz berechnete, so ist das richtige Verhältniß zur Umgebung als die Folge eines glücklichen Zufalls zu bezeichnen. Goethe ist in ruhiger Haltung dargestellt, aber es ist dies keine künstlich angenommene peinliche Ruhe, noch auch ist es eine nachlässige, sondern es ist eine natürliche, die eben so schlicht, als schön ist. Die Aehnlichkeit des Hauptes wird allgemein gerühmt und viele Stimmen aus Goethe’s vertrauter Umgebung sprechen sich über den Porträteindruck sehr günstig aus und dennoch ist hier mehr gegeben. Es ist der Greis Goethe und der ewig jugendliche. Dem Ausdruck nach ist die Figur weder mit sich noch mit der Umgebung beschäftigt, sondern sie erscheint sorglos um beides in geistiger Thätigkeit. Die Gewandung, in einfachen Maßen gehalten, entfernt sich ebenso von bloßer Natürlichkeit, wie von der Prätension eines idealstylisirten Werkes. Die Reliefs, welche das Postament auf den vier Seiten umgeben, bilden unter sich eine zusammenhängende Composition. Auf der Vorderseite nimmt die Wissenschaft als allegorische Figur die Mitte ein, zu ihrer Rechten befindet sich die Gestalt der dramatischen Poesie, mit einem Gefolge der bedeutendsten Personen aus den Dramen Goethe’s; zur Linken zeigt sich die Gestalt der epischen Poesie, an welche sich Hermann und Dorothea, einzelne Personen aus Wilhelm Meister und den Balladen Goethe’s anschließen; auf der Rückseite des Monumentes, wo die aus den Dramen und epischen Dichtungen dargestellten Personen zusammentreffen, steht eine Victoria und reicht Kränze nach den beiden Seiten hin. Durch diese sinnreiche Anordnung sind die Reliefs auf dem Postament sehr schön in ein zusammenhängendes Ganze gebracht, das sich einfach und anspruchslos vor dem Beschauer entwickelt, und ihm nicht blos die geistigen Gebilde des Dichters, sondern zugleich auch die vorwiegenden Züge in dem Wesen desselben vergegenwärtigt. Das Ganze ist aus einem Guß erfunden, wie es zugleich dem Material nach ein Gußwerk ist; aber die Schwierigkeit der technischen Behandlung zeigt sich nirgends, das Ganze scheint wie von selbst entstanden.
Da wegen vorgerückter Jahreszeit die öffentliche Enthüllungsfeierlichkeit nur kurz sein konnte, so war es die Absicht, das um 5 Uhr beginnende Festbankett zu einer wesentlichen Ergänzung dieses feierlichen Actes zu machen. Man wählte deshalb vor allen Dingen zu diesem Zwecke keinen Gasthof, sondern bot Alles auf, ein dem Handelsstand gehörendes Lokal, den neuen Börsensaal, den eigentlichen Tummelplatz des frankfurter Wohlstandes, eingeräumt zu erhalten. Dieser Saal, ein Raum von vielleicht überladener architektonischer Schönheit, war mit Kronenleuchtern erhellt. Die Reihe der für 300 Personen bestimmten Tische und Gedecke bot einen imposanten Anblick. Ein im Laufe des Abends enthülltes Transparentgemälde, von dem phantasiereichen Moritz von Schwind rasch entworfen und ausgeführt, stellte Goethe’s Geburt unter allegorischen Umgebungen und mit einer darüber schwebenden Glorie dar, welche Goethe’s eigne Mittheilungen über seine Nativität, über die Constellation der Gestirne zur Stunde seiner Geburt, zu bildlicher Anschauung brachte. Prof. Hoffmann erläuterte später die Arbeit des Künstlers in sinnigen und anspielungsreichen Versen. Die Musik trat bei diesem erhebenden Feste nur in der Form anspruchsloser Tafelgesänge auf. W. Speyer hatte eine Goethesche Strophe zur Einleitung componirt. Orchestermusik mußte man des schallenden Wiederhalles wegen vermeiden. Auch darin behielt man den Charakter eines ernsten Festes bei, daß nach der Einleitungsstrophe eine von Konrad Schwenk verfaßte Rede verlesen wurde, die in beinahe wissenschaftlicher Form den Zuhörern noch einmal Goethe’s Gestaltenwelt vorführte. Die einzelnen Phantasiegebilde des Dichters wurden nach verschiedenen Gesichtspunkten gruppirt. Der Verfasser dieser Abhandlung hatte mehr im Auge, den Reichthum der durch Goethe gebotenen An-53regungen anzudeuten, als ihn selber zu erschöpfen. Die Toaste und Reden fanden alle den freudigsten Anklang. Dr. Müller riß auch durch den Vortrag hin; dem Hörer wurde wohl bei den sanften Moll-Accorden, mit denen er Frankfurts Ruhm und Ehre pries. Einem mehr in Dur gesetzten Toast des Unterzeichneten auf Weimar (s. Nr. 72 d. Bl.) folgte eine gleiche Aufregung. Die Gefühle waren einmal im Ausströmen begriffen; nun kam es nur darauf an, ihnen das rechte Uferbett abzustecken. Leider waren des Kanzlers von Müller Entgegnungsworte nur einem Theile hörbar, doch fühlte Jeder, wie bedeutungsvoll der Mund war, der in diesem Augenblicke sprach. Dr. Weismann ließ die Fremden, Inspector Passavant die Künstler leben, die das Erzbild geschaffen hatten. Dann folgte in bunter Reihe manche überraschende Spende, witzige von den Doctoren Stiebel, Hoffmann, Wihl, von dem Theaterdirector Malß eine Vertheidigung der frankfurter Bürgerlichkeit Goethe’s in frankfurter Mundart, an der Goethe selbst um so mehr seine Freude gehabt hätte, als er von dem Talente dieses Schriftstellers, dem wir den „Frankfurter Bürgercapitän“ verdanken, mit großer Anerkennung in seinen Schriften geurtheilt hat. Auch noch eine ernste Andeutung von einem Bruder des Dr. Weismann wurde verlesen; doch machte sich gegen das Ende des Banketts freilich der Geist des Genusses geltend und protestirte mit dem Glase in der Hand gegen fernere nur noch geistige Libationen.
Auch lockte es, die Straßen zu schauen im wogenden Gedränge. Die Liederkränze brachten dem erleuchteten Standbilde Serenaden und hielten frohe Versammlung im Saal des Weidenbusches. Einen kleinen chinesischen Laternenzug kann man als eine Humoreske ansehen. Aber prächtig erleuchtet war Goethe’s Geburtshaus und die aufgeregte jüngere Bewohnerschaft Frankfurts ließ sich dort vom Festtaumel zu Huldigungen in Form der Walpurgisnacht auf dem Brocken hinreißen. Die Polizei hat später einigen allzu mephistophelisch aufgetretenen Goetheverehrern Prügel austheilen lassen; ein bitterer Nachklang zu einem Feste, bei dem man auch Blocksbergscenen letztlich hätte als zum Parnaß gehörig immerhin ausnahmsweise ansehen sollen. Stiller und friedlicher verklang eine entfernte Nebenfeier, die sich vorm Thore in der Mainlust angesiedelt hatte. Die Gesellschaft Iris brachte in kleinerem Kreise fast dieselben Begriffe und Erinnerungen zu froher Geltung, welche schon im Börsensaale ausgesprochen waren. Die Redner, die hier auftraten, die Herren Creizenach, Sattler, Rau, Mai, Weil, fanden für ihre rednerischen und poetischen Darbringungen die einstimmige, oft rauschende Anerkennung einer aus ungefähr 70 Personen bestehenden Versammlung.
Am Mittwoch Abend, nach der Vorstellung des Egmont im Theater, vereinigte der Saal des Weidenbusches noch einmal die zerstreuten Theilnehmer des Festes. Donnerstag Abend veranstaltete die in humoristischen Formen bestehende indische Gesellschaft oder der Ganges eine von mehren angesehenen Fremden, z. B. Dingelstedt besuchte Nachfeier im augsburger Hofe. Das Lokal war mit Blumen geschmückt. Der zeitige Präsident, der Unterzeichnete, eröffnete die Sitzung mit einer aus Ernst und Scherz gemischten kleinen Abhandlung über das „Indische in Goethe“, und vertheilte bei dieser Gelegenheit eine Anzahl kleiner hölzerner Reliquien, die aus dem bei Goethe’s Geburt von seinem Großvater gepflanzten und mit Goethe’s Tod abgestorbenen Birnbaume – S. Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde II. S. 254 – waren angefertigt worden. Eine freundliche Beschützerin alles Guten und Schönen, Mad. Belli-Gontard, hatte diese sinnige Idee ausgeführt.
Freitag hielt zum Beschluß die große Museumsgesellschaft ihre erste Wintersitzung, ausschließlich zu Goethe’s Ehren. Dr. Clemens leitete diese Feier, die leider von einem Unfall, dem Abbröckeln eines kleinen Theils der Saaldecke, unterbrochen wurde, mit einem Vortrage über die Principien der Beurtheilung Goethe’s ein. Sonst waren alle Vorträge, alle Gesänge dieses Concert-Abends gleichfalls dem Zwecke dieser ganzen, nun ablaufenden Festwoche gewidmet.
Wir sind zu Ende. Man hat gesagt, die schönste Erinnerung an diese Tage und die bleibendste wäre das Denkmal selbst. Möchte auch der Geist sich nicht zu schnell verflüchtigen, der wenigstens einen Theil unserer Stadt während jener Augenblicke beseelte. Und mögen Die, welche hinter ihren Mitbürgern an Begeisterungsfähigkeit, Aufopferung und bescheidener Unterordnung der Person unter eine Idee zurückblieben, sich heranbilden zu freieren Auffassungen für eine Zukunft, die in ihrem Schooße noch oft Gelegenheit bergen kann, wo der Einzelne sich, wie in jenen Goethe-Tagen, vor der Macht des Geistes anerkennend zu beugen hat!
Frankfurt am Main. K. G.
Apparat#
Bearbeitung: Madleen Podewski, Berlin#
1. Textüberlieferung#
1.1. Handschriften#
1.1.1. Übersicht#
Es sind keine handschriftlichen Überlieferungsträger bekannt.
1.2. Drucke#
2. Textdarbietung#
2.1. Edierter Text#
Die Seiten-/Zeilenangaben im Apparat beziehen sich auf die Druckausgabe des Beitrags im Band: Ueber Göthe im Wendepunkte zweier Jahrhunderte. Mit weiteren Texten Gutzkows zur Goethe-Rezeption im 19. Jahrhundert hg. von Madleen Podewski. Münster: Oktober Verlag, 2019. (= Gutzkows Werke und Briefe. Abt. IV: Schriften zur Literatur und zum Theater, Bd. 3.)
2.1.1. Texteingriffe#
159,8 sich. sich ausgefallenes Satzzeichen
Kommentar#
Der wissenschaftliche Apparat wird hier zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht.