H. Heine über den Denunzianten#

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Herausgeber
  1. Wolfgang Rasch
Fassung
1.1
Letzte Bearbeitung
14.12.2019
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153 H. Heine über den Denunzianten.#

Diese kleine Schrift ist die Vorrede zum dritten Theile des Salons, hat sich aber ganz auf eigne Hand etablirt und umplänkelt das Buch, welches sie bevorworten soll, wie eine Sicherheitsgarde, von allen Seiten ankommend, leicht beritten, mobil. Sie wird bereits in aller Händen sein und wahrscheinlich schon dem „Denunzianten“ selbst schlaflose Nächte gemacht haben. Müde jedoch der Polemik, wollen wir einige Punkte aus Heines Brandmarkung seines Gegners hervorheben, die nicht mit dem Spektakel einer methodischen Hinrichtung zusammenhängen. Wird jetzt nicht so viel gegen W. Menzel geschrieben, daß man fürchten muß, das Mitleid des Publikums schlägt zu Gunsten des beängstigten Mannes über? Heine hat es möglich gemacht, noch einige andre Gedankenreihen an seine Vorrede anzuknüpfen. Wir meinen sein gewagtes Geständniß, daß er bei der Verfolgung seiner Schriften und der Nothwendigkeit, sich einer ausschließlich Berlinischen Censur fügen zu müssen, um seine Existenzmittel käme. Das Geständniß hört sich bettelhaft an. Allein es ist anständig abgefaßt; man sieht noch keinen zerrissenen Rock, keinen schäbigen Hut; wohl aber eine Noth, wo der Bettler stolzer ist, als der Mildthätige, der in die Tasche greift.

Heine ist auf den Punkt gekommen, wo ihn sich sein Oheim dachte, als er, wenn es wahr ist, sagte: Hättest Du was gelernt, brauchtest Du keine Bücher zu schreiben! Hätte sich Heine mit dem „schwarzen Ungehängten“ (Siehe seine Reisebilder Thl. I.) associirt und lieber in Kaffée, Thran und Indigo gemacht, als in Mondschein, Pariser Zuständen und politischen Eulenspiegeleien; so würde ihn zwar auch die nordamerikanische Krisis haben werfen können; allein er hätte doch in Güte sich mit den Creditoren abfinden, vom schwarzen Brett der Failliten sich wieder auslöschen und mit der Zeit an die Börse kommen 154 können. Allein als Autor! Als geächteter und sequestrirter Publizist, von einer hohen Behörde zu Protokoll genommen, angewiesen, seine Schriften für das halbe Deutschland von einem einzigen Censor, Herrn Hofrath John in Berlin, prüfen zu lassen - da hat Salomo Heine Recht gehabt. Denn hätte er jetzt was gelernt, nämlich was indossirte, trassirte und gerittene Wechsel sind; dann braucht’ er nicht drucken zu lassen, daß er umkäme, wenn die preußische Präventivmaaßregel nicht aufhörte! Oder wär’ er auch nur Advokat in Hamburg geworden, so hätte er jetzt andre, als seine eignen Prozesse zu führen. Er hätte ja doch alle Monat einmal ein Gelegenheitsgedicht machen können. Das wollte aber frei sein, wie der Vogel im Walde, war blind von dem Schatten des Lorbeerkranzes, den man dem jungen Dichter aufsetzte; das tändelte so fort, griff Fürsten und Herren an, machte die Religion zum Spott, ließ sich eine St. Simonistische Mütze aus Egypten schicken, blieb so lange in Paris, daß der Paß ablief und aus einem Spaziergang ein Exil wurde, hat nun Kaiser und Reich gegen sich aufgebracht, und - steckt voller Schulden und Finanzverlegenheiten, die Thiers, der auch vom Mastbaume der Politik herunter geglitten ist, nicht mehr berichtigen wird!

Heine hat sich dem deutschen Publikum von jeher mit seinen Fehlern und Tugenden wie ein poetisches Kind gezeigt. Man ist so vertraut mit seinem Taufschein, seiner Mutter, einer geb. von oder aus Geldern, mit seinen Studentenjahren und seinem Pariser Comfort. Sein ganzes Leben liegt vor uns wie eine bunte Landkarte aufgerollt. Damit stimmt nun sein Geständniß, daß er kein Geld mehr hätte, naiv zusammen. Freilich sind wir Deutsche nur poetisch bis zu einem gewissen Grade. Daß wir nun auch denken sollten: Wie viel Liebes und Gutes hat nicht Heine geschrieben, wie rührend ist sein Scherz, wie drollig sein Pathos, wie lächerlich sind seine Thränen, wie wunderlich und anziehend alle seine Geberden! Und daß wir nun statt Göthen und Schillern und Lessingen ein Denkmal aus Stein zu setzen, es so machten, wie die Franzosen mit Berryer, und Heinen ein Landgut kauften, oder so wie die Engländer mit Walter Scott und ihm seine Schulden bezahlten - dazu werden wir Zeitlebens zu ungeschickt und tölpelhaft sein. Die Regierungen beschränken Heines Thätigkeit, weil es das öffentliche Wohl verlangen soll; allein kein Staatsmann wird 155 so roh oder eingebildet sein, Heines außerordentliche Geistesgaben und seine künftige Genugthuung, die ihm die Literaturgeschichte geben wird, in Zweifel zu ziehen, wie denn grade von der äußersten politischen Intoleranz, von Gentz, das authentische Geständniß vorhanden ist, daß er für Heine nicht bloß eingenommen war, sondern schwärmte, daß sein Alter sich in Heines Buch der Lieder verjüngte und daß selbst in seinen Irrthümern und Uebertreibungen ein eigenthümlicher Reiz von Wahrheit und Natur läge. Niemand würde uns hindern, Heinen bei einem Pariser Hause so lange eine Pension auszumachen, bis das polizeiliche Interim abgelaufen und dem Staate genuggethan wäre. Aber noch keinen rothen Heller werden die Deutschen zusammenbringen. Dafür giebt es viele Gründe.

Einmal sagen die Liberalen: Ja, wenns noch Börne wäre! Nun hatte aber Börne diese deutsche Großmuth glücklicher Weise nicht nöthig; denn er brauchte wenig und hatte das, was er brauchte. Er konnte gut den Verlauf der Dinge mitansehen! Er konnte gut Briefe aus Paris schreiben! Daß Heine schwach ist, glaub’ ich wohl; denn wir sollen nur menschliche Maaßstäbe an Menschen legen. Allein charakterlos ist er nicht. Selbst das Unglück, woran er jetzt leidet, macht ihn nicht feige. Ich hab’ ihn nirgends bitten oder betteln sehen.

Dann haben wir Deutsche gar eigne Begriffe von Dichtern und Cicaden, von Nektar und Ambrosia, von poetischen Müllern, die vom Winde leben; und doch zeigt uns jede Seite in der Geschichte unserer Literatur, daß unsre edelsten Geister mit den erbärmlichsten Lebensverhältnissen kämpfen mußten. Göthe hat darum auch so abscheulich gewirkt, daß er, der am weitesten im Vorgrunde Stehende war und Niemand ihn von menschlichen Rücksichten, weil sie ihn gar nicht plagten, bedrückt fand. Dadurch haben wir uns bei unsern großen Geistern nur an theatralische Repräsentation gewöhnt und nie daran gedacht, sie mit menschlichen Zuständen in Zusammenhang zu bringen. Später zogen sich gar die Fürsten und Hofleute von der Literatur zurück. Die Periode des Mißtrauens begann. Jean Paul würde jetzt keine baierische Pension mehr gezogen haben, wenn sie nicht Dalberg in seiner Capitulation mit der Krone Baierns ihm ausbedungen hätte. Die Schriftsteller wurden entweder Vielschreiber, und hielten sich durch die Masse ihrer Produktionen; oder sie gewannen durch den Buchhandel bedeutende Summen, 156 wenn sie auch weniger schrieben und nur recht gelesen waren. Die Literatur spaltete sich in Parteiwesen. Die Regierungen machten im Interesse der Grundsätze, auf welche sie gebaut sind, der freien Circulation einer aufsätzigen Literatur den Garaus. Sie hatten Recht in ihrem Rechte; aber was thatet ihr, die ihr als Parthei die bedrängten Autoren die Euern genannt hattet? Ihr sagtet: Börne verdiente, der Pariser Briefe wegen, unsre Hülfe nicht, selbst wenn er ihrer bedurft hätte. Ich aber sage, er schrieb seine Pariser Briefe nur deßhalb so heftig, weil er wußte, selbst von seiner Parthei würde ihm kein Vorschub geleistet werden, so oder so! Lebte Jean Paul noch unter uns und hätte durch irgend einen Nachtrag zu den „Dämmerungen“ seine Pension verscherzt; würdet ihr sie ihm gezahlt haben? Nein, armer Jean Paul, die Deutschen vergleichen die Dichter mit den Göttern, die irdischer Speise nicht bedürfen. Jetzt erheben sie z. B. Friedrich Rückert, der von seiner Armuth in seinen Gedichten ebensoviel spricht, wie Heine in seiner Prosa. Rückert hat eine Professur der orientalischen Sprachen, von der er nicht leben kann. Er muß arbeiten, er muß Euch den ganzen Orient in Verse setzen. Der Gott in ihm ist freilich seinem Geist so treu, daß er selbst den gezwungenen Vielschreiber nicht verläßt. Ihr seht das Alle, schickt ihm Ehrenbecher und - keinen Wein dazu. Habt ihr nicht so viel Zartgefühl, Rückerts Lage so zu heben, daß er durch die Hülfe nicht beleidigt würde? Es gibt der Mittel genug, hier zu wirken und dabei doch discret zu sein.

Man hat gesagt, daß die gegenwärtige deutsche Schriftstellerepoche nur dazu bestimmt scheine, einer zukünftigen den Weg zu bahnen; Großes werde aus ihr nicht gedeihen; sie werde den Graben füllen müssen, über welchen ein andres Geschlecht zum Siege kömmt. Und ich glaube das von Herzen. Jene Misere, die Heine nun aufgedeckt hat, wird mit an dieser Unzulänglichkeit Schuld tragen. Die Zahl von Schriftstellern, welche eine Rückwand am Staate haben, der sie als Beamte oder Pensionäre besoldet, wird immer kleiner. Noch leben: A. W. v. Schlegel, Steffens, v. Rehfues, Tieck, Ed. v. Schenk u. A. Der Nachwuchs, was man rings an Talenten erblickt, muß schon suchen, sich auf eigne Hand zu bevestigen, und wie soll er es, wenn die öffentlichen Thatsachen sich ihm nicht zuneigen! Werden sie es? Ich zweifle. Das Mißtrauen gegen die Literatur ist 157 Regierungsmaxime geworden. Man lese nur die fürchterlichen Beschuldigungen derselben, wie sie von Löffler in seiner Gesetzgebung der Presse im beinahe offiziellen Tone gegeben werden.

Blicken wir in einer solchen Gedankenverbindung noch einmal auf Heines Brochüre und den Salon III zurück, so beschleicht uns ein tiefes Mitleid mit dem deutschen Literaturwesen, wie es sich seit einem Decennium gestaltet hat. Diese schönen metallenen Worte, diese zarten Bilder, diese reizenden, neckenden Wendungen, die ganze Frühlingswärme des Heinischen Gemüthes - und dagegen die Eiseskälte unsrer täglichen Erfahrungen, die grobe Angeberei an der Spitze der populären Kritik, die Einschüchterung des Buchhandels, die Grundsatzlosigkeit der Preß-Gesetzgebungsbegriffe, die Entfremdung der öffentlichen Thatsachen, die eher das Literaturwesen vernichten als begünstigen möchten und jedenfalls unter Regelung derselben ganz formelle und mechanische Hülfsmittel, die Niemanden nützen und Allen schaden, verstehen; was bleibt da für Trost und Hoffnung übrig? Vielleicht, daß diese Krisis vorübergeht. Vielleicht, daß noch eine Zeit kömmt, wo die Literatur ihre Geburten nicht mit Angst auf offener Straße ablegt, wo die Gefahr überstanden ist, als könnte vor lauter Parthei- und Zeitungswesen, vor lauter Tendenzen, wie Mysticismus und Materialismus, vor einer Politik der bloßen Administration und des Beamtenwesens, vor lauter Entfremdung der auf ihre bedrohten Vorrechte bedachten Machthaber sich gar kein einiges behagliches und im Zwecke unverdächtigtes Schriftwesen mehr aufrecht erhalten. Bis dahin kann man denn auch nichts anders thun, als denen, die die Feder schon einmal ergriffen haben, rathen, daß sie an kleinen und harmlosen Aufgaben ihre Kraft sich erhalten mögen; denen aber, die begierig sind nach Schriftstellerruf und Oeffentlichkeit, daß sie lieber ein Handwerk treiben, lieber graben und Schiffe ziehen mögen, als unter jetzigen Verhältnissen glauben, mit dem Dichterruhme sich eine Stellung erwerben zu können. Wie oft bieten sich uns nicht junge Talente zur Theilnahme am Literaturwesen an! Ich ermuntere Niemanden. Sie mögen dichten und denken; sie mögen aber die Welt so nehmen, wie sie ist und sich mit dem Bestehenden aufs bedächtigste abfinden. Man kann der literarischen Jugend Deutschlands wahrlich keinen aufrichtigeren Rath ertheilen.

Apparat#

Bearbeitung: Wolfgang Rasch, Berlin#

1. Textüberlieferung#

1.1. Handschriften#
1.1.1. Übersicht#

Es sind keine handschriftlichen Überlieferungsträger bekannt.

1.2. Drucke#

Gutzkows Rezension von Heines Broschüre "Ueber den Denunzianten Eine Vorrede zum dritten Theile des Salon" (Hamburg, 1837) erschien zuerst 1837 in "Beurmann's Telegraph". Gutzkow übernahm den Text im Jahr darauf etwas verändert in seinen Sammelband Götter, Helden, Don-Quixote, wo er unter dem Titel H. Heine im zweiten Abschnitt des Buches unter Helden zu finden ist. Für die Buchfassung strich Gutzkow den gesamten ersten Absatz des Zeitschriftendrucks, fügte am Schluß einen kurzen hinzu, der ironisch auf eine mutmaßliche Reaktion Heines nach der Lektüre der Rezension Bezug nimmt.

J K[arl] G[utzkow]: H. Heine über den Denunzianten. In: Beurmann's Telegraph. (Neueste Folge.) Frankfurt/M. Nr. 20, [04.] August 1837, S. 153-157. (Rasch 3.37.08.04)
E H. Heine. In: Karl Gutzkow: Götter, Helden, Don-Quixote. Abstimmungen zur Beurtheilung der literarischen Epoche. Hamburg: Hoffmann u. Campe, 1838, S. 201-214. (Rasch 2.17.2.7)

2. Textdarbietung#

2.1. Edierter Text#

J. Der Text folgt in Orthographie und Interpunktion unverändert dem Erstdruck. Textsperrungen werden übernommen. Silbentrennstriche (=) werden durch - wiedergegeben. Die Seitenzählung wird mit Klammern [ ] an den betreffenden Stellen in den Text eingefügt.

Die Liste der Texteingriffe nennt die von dem Herausgeber berichtigten Druckfehler sowie die Emendationen. Fehlende oder überzählige Spatien im Erstdruck wurden stillschweigend korrigiert.

2.1.1. Texteingriffe#

1,17 zu zn

3,31-32 im Vorgrunde i m Vorgrunde korrigiert (Entsperrung) nach E

2.2. Lesarten und Varianten#

Anders als die Zeitschriftenfassung bringt die Buchfassung zum Schluß (S. 214) folgenden Absatz:

Fehlt in J]

Als Heine diesen Aufsatz gelesen hatte, rief er mit komischem Schmerze aus: Ach er wird meinem Credit schaden!
E

Kommentar#

Der wissenschaftliche Apparat wird hier zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht.