Wir stellen die Gutzkow Gesamtausgabe zur Zeit auf neue technische Beine. Es kann an einzelnen Stellen noch zu kleinen Problemen kommen.

Richard Savage oder der Sohn einer Mutter#

Metadaten#

Herausgeber
  1. Susanne Hesse
  2. Juliane Parthier
Fassung
1.2: Überführung nach TEI, Korrekturen im Text, Anpassungen / Ergänzungen im Apparat
Letzte Bearbeitung
07.2021

Text#

1 Richard Savage#

oder#

der Sohn einer Mutter.#

Trauerspiel#
in#
fünf Aufzügen.#

2 Zum ersten Male gegeben auf dem Nationaltheater in Frankfurt a. M. den 15. Juli 1839.

3 Personen.#

Lady Macclesfield.

Viscount Marishall, ihr Schwager.

Lord Tyrconnel.

Lord Berwick.

Lord Winchester.

Richard Savage, berühmter Dichter.

Richard Steele, Journalist, sein Freund.

Miß Ellen, Schauspielerin.

Lord Oberrichter von England.

Toms, ein Schneider.

Kitty, seine Frau.

Haushofmeister der Lady.

Ein Bedienter der Lady.

Zwei Bediente des Lord Tyrconnel.

Ein Bursche.

Ein Schauspieler.

Wachen. Masken. Bediente.

Die Handlung spielt in London. Zeit: 172*. Zwischen den einzelnen Akten liegen immer mehrere Wochen.

5 Erster Aufzug.#

Erste Scene.#

Ein Zimmer in Miß Ellen’s Wohnung. Ein Tisch mit Schreibzeug und Papieren. Ein Spiegel.

Miß Ellen. Steele. Später Richard Savage.

Miß Ellen. Immer tadeln, nichts als tadeln! Steele, glauben Sie denn, daß Sie das bei mir empfiehlt?

Steele. Schöne Freundin, wie können Sie das tadeln nennen? Sie spielten gestern die Herzogin Anna hinreißend, bewunderungswürdig; aber Sie würden sie auch richtig gespielt haben, wäre sich Gloster der Tiefe seines Charakters bewußt gewesen. Sie ließen den Degen, den Ihnen der Tyrann anbot, ihn zu durchbohren, mit einer wunderbaren Wahrheit sinken, und dennoch schienen Sie nur anzu-6deuten, daß Sie der Ehrgeiz trieb, die Huldigung des mißgestalteten Mörders anzunehmen. Nein –

Miß Ellen. Mein Gott, Sie werden doch nicht glauben, daß es Liebe ist, die die Herzogin diesem Scheusal in die Arme führt?

Steele. Liebe nicht, schöne Ellen; – was komm’ ich mir so albern vor, Ihnen erklären zu wollen, warum ein Weib die Schwächen eines Mannes vergessen kann! Richard III. ist ein Ungeheuer, aber ein so geniales Ungeheuer, seine Reden sprühen einen solchen Uebermuth des gottvergessensten Menschentrotzes, daß Anna über das Großartige seiner Bosheit diese selbst vergißt und in ihm jenen genialen Stolz liebt –

Miß Ellen. Der alle Männer so hinreißend macht.

Steele. Mit Ausnahme der Recensenten.

Miß Ellen. Da haben Sie recht, darin ganz gewiß! Steele, wenn Sie nur Ihr ewiges Tadeln ließen! Hab’ ich den Abend die Zuschauer durch mein Spiel erwärmt, bin ich sogar mit solchen Lorbeeren gekrönt, die mir mein eigenes 7 Bewußtsein für etwas, was mir selbst gelungen scheint, aufsetzt, träum’ ich eine selige Nacht, wo ich nichts als klatschende Hände um mich zu erblicken glaube: so kommen Sie am folgenden Morgen und lassen mich den bittern Nachgeschmack meines Glückes kosten. Sehen Sie Savage! Nie übertreibt er, wie Sie, sein Lob, weil er nicht nöthig hat, mich für die kleinen hinkenden Boten, die hinterher kommen, zu trösten. Nie bricht er so wie Sie mit Ausrufungen: Göttlich! Himmlisch! in mein Zimmer; denn dieser Vorposten bedarf er nicht, weil nicht ein ganzes Heer von Freilichs, Allerdings, Dennochs und Abers hinterher kommt!

Steele. Richard Savage, unser guter Freund, ist Alles, nur kein kritischer Kopf. Der erste Eindruck entscheidet bei ihm. Wie bei allen dichterischen Naturen gibt es für ihn nur Dinge, die ihn ansprechen, oder solche, die gar nicht für ihn vorhanden scheinen. Dem, was er nicht gestalten kann, hängt er auch nicht nach, und bewegt sich nicht, wie ich, in dem verworrenen Gebiete halber Schönheiten, halber Wahrheiten, unvollkommener Versuche und ermüdeter Anläufe, mit denen sich der Kritiker einmal beschäftigen muß. Ein guter dramatischer Künstler, liebe Ellen, muß auf den Beifall des Verstandes mehr, als auf den der Phantasie geben.

8 Miß Ellen. Mit Eurem Verstand, mit Eurer Kritik! Wählt Euch andere Gegenstände aus, um witzig zu sein; warum immer wir Schauspieler? Ihnen zumal, Steele, seh’ ich es an, daß die ganze Bitterkeit, mit der Sie unsre Bühne in Ihrem Journal beurtheilen, nur daher kommt, daß Sie unter den Komödianten eigentlich die Minister verstehen. Weil Sie das Parlament nicht stürzen können, wollen Sie wenigstens Drurylane stürzen. Weil man im Cabinet des Königs Sie vergißt, sagen Sie, daß wir Acteurs vergeßlich sind, kein Gedächtniß hätten und schlecht auswendig lernten. Gäbe man Ihnen ein Portefeuille –

Steele. So würd’ ich aus der Theater-Herzogin von Gloster eine wirkliche machen. Doch kommen Sie, ich begleite Sie in den Shakespeare-Clubb.

Miß Ellen (vor einem Spiegel ihre Toilette ordnend). Was macht Savage? Ich sah ihn so lange nicht und hätte doch über sein neues Stück und meine Rolle noch Manches mit ihm zu sprechen.

Steele. Es ist zum Lachen, mit welcher wunderlichen Grille er sich seit einigen Tagen beschäftigt. Niemand kann seiner habhaft werden, da er in einer fortwährenden Be-9wegung ist. Er will entdeckt haben, daß irgend eine vornehme Dame aus der höchsten Gesellschaft seine Mutter ist.

Miß Ellen. Das würde ihn sicher sehr glücklich machen; denn Sie kennen ja die Melancholie, in die er zu verfallen pflegt, so oft das Gespräch auf seine Geburt kommt. Er hatte immer die Ahnung eines vornehmen Ursprungs, ob er gleich in den ärmlichsten Verhältnissen erzogen wurde. Vater und Mutter hat er, wie er uns oft erzählt, nie gekannt, noch je erfahren können, wem er das Leben verdankt.

Steele (halbironisch). Die traurigste Erfahrung, die er und Sie machen könnten, dürfte wohl die sein, daß er Ihr Bruder wäre.

Miß Ellen. Sie wissen, Steele, daß ich unter allen Männern nur zwei lieben könnte; den Einen nennen zu hören, wird Ihnen die Bescheidenheit verbieten, der Andere ist Savage, Sie wissen, wem ich den Vorzug geben würde, wäre Savage bei aller Gluth seiner Empfindungen fähig, sein Herz einer weiblichen Einwirkung gefangen zu geben. Er ist es nicht, und Sie wissen nur zu gut (sinnend und mit lächelnder Wehmuth), daß Sie mein Herz erst aus der zweiten Hand besitzen.

10 Steele. Wenn Savage’s Empfindungslosigkeit gegen Frauen daher käme, daß er nie Vater und Mutter kannte, wer weiß, ob er mit der Mutter nun nicht auch die Liebe fand –

Miß Ellen. Mir ist sein Gemüth ein Räthsel. Während Savage einige Sinne in überreizter Schärfe besitzt, fehlen andere ihm gänzlich. (Nach einer kleinen Pause.) Lebt er noch so wild und wüst?

Steele. Er ist seit einigen Tagen wie umgewandelt. Sah man ihn bisher nur im Umgange mit jenen wüsten Gesellen, die er in den Tavernen sich zu Freunden macht, ohne Unterschied, ob es Matrosen oder jüngere Söhne eines Pairs sind, so scheint er jetzt diese Lebensweise, wenn nicht zu bereuen, doch vergessen zu haben. Mit der Gewißheit, er werde seine Mutter entdecken, ist es, als wäre eine sittliche Verklärung über ihn gekommen, die aus seiner vielleicht angebornen Anlage Alles hervorzaubert, was nur Adeliges in ihm verborgen liegt. Aus den Schlacken seiner bisherigen Aufführung glänzt jetzt nur noch das edle Metall seines Genies hervor; ja selbst die Armuth, aus der er früher fast eine Art Schaugepränge machte, wird von dem plötzlichen Adel seines Benehmens so verwischt, daß dieses Gentlemans Wohnung Niemand, 11 es ist schrecklich, zu sagen! in den ärmlichsten Winkeln der Vorstadt, in die er sich nächtlich verkriecht, suchen würde.

Miß Ellen. Entsetzlich, daß er vor der Theilnahme seiner Freunde von jeher in ein solches Elend flüchtete! Es ist edel, seinen Freunden keine Unbequemlichkeit schaffen zu wollen, aber grausam, ihr Gewissen zu vergiften und sie mit dem Gedanken zu quälen, daß sie nichts für ihn thun!

Savage (reißt die Thüre auf und tritt schnell herein). Da bist Du ja, Steele! Alle wissen es, die Welt weiß es, und Du noch nicht. Ich habe meine Mutter gefunden!

Miß Ellen. Nur ihm diese Botschaft?

Savage. Miß Ellen! Ihnen sag’ ich den Namen: Lady Macclesfield. (Legt Hut und Handschuhe ab.)

Miß Ellen. Lady Macclesfield? Sie gibt in der großen Welt den Ton an.

Steele. Sie hat außer dem größten Dichter unserer Epoche auch die kleinen schneeflockenartigen Toupets auf die Welt 12 gebracht, die vor einigen Wochen beim Kopfputz der Damen Mode wurden.

Savage (wieder vortretend). Freunde, noch weiß ich nichts von ihr, als daß sie ein Herz voll zärtlicher Liebe besitzen muß. Die Aussagen der Pflegeältern, die mich erzogen, die Uebereinstimmung der Zeugen, die ich reden ließ, die Kirchenbücher und Taufregister, die ich nachschlug, Alles kommt darin überein, daß ich der Sohn des Grafen Rivers bin, der so glücklich war, meiner schönen Mutter noch früher zu gefallen, als er um ihre Hand anhielt. Der Tod des Grafen und die Bewerbung des Lord Macclesfield verhinderten, daß ich schon damals in die Rechte meiner Geburt eingesetzt wurde. Ich kam in die Hände meiner Pflegeältern, unter die Aufsicht gewissenloser Vermittler, die mich um meine Geburt, meine theure Mutter um ihren Sohn betrogen. Für jede Thräne, die meine unglückliche Mutter um mich weinte, sollen diese Elenden, die das Märchen meines Todes erfanden, einen Tropfen ihres Blutes zahlen! Daß man mir den Lord stahl, konnte der künftige Dichter ertragen, der sich mit einer Schwanenfeder seinen eigenen Adelsbrief schreiben durfte; aber daß man mir die Mutter stahl, daß man meine Jugend zu einer geruchlosen Blume, mein Herz zu einer wehmüthigen Einöde machte, in die kein Strahl der zärtlichsten 13 Liebe, die es gibt, der Mutterliebe, fiel – ach, die Größe dieses Raubes kann man nur begreifen, wenn man die Seligkeit meines jetzigen Besitzes versteht, wo ich sagen kann: Ich habe sie gefunden, sie, die mir das Leben gab!

Miß Ellen. Richard, Sie schwärmen für Ihre Mutter, wie für eine Geliebte!

Savage. Freunde, es geht mir ein ganz neues Leben auf! Bisher hab’ ich geträumt, jetzt erwach’ ich. Der Schlüssel, der bisher zu den verworrenen Noten meines Daseins fehlte, ist gefunden und es sind die göttlichsten Harmonieen, in denen die todten Chiffern der Vergangenheit lebendig werden. Nun bekommen meine Hoffnungen und Absichten eine sonnenhelle Beleuchtung; ich habe den Punkt gewonnen, von welchem aus sich mir mein Leben wie eine geordnete und begränzte Landschaft darstellt; das Weibliche, das die eine Hälfte des Weltlebens ausmacht, wie sich die Zeit in Tag und Nacht spaltet, geht mir in dem schöneren Dufte der Blume, in den geregelteren Wallungen des Herzschlages, in meinen plötzlich gewiegter und voller werdenden Begriffen und Gedanken auf. Es ist, als wenn ich jetzt erst entdeckte, daß alle Dinge einen Schatten werfen, alle Töne ein Echo nachklingen, alle 14 Verhältnisse des Daseins ihre Regel und ihr schönes Gesetz haben.

Miß Ellen. Und wenn Sie sich geirrt hätten, Savage (bittend), wird Ihnen diese wunderbare Verzauberung Ihres Wesens bleiben?

Savage. Irren? (greift einen Pack Papiere aus der Tasche) Seht, Freunde, da sind Briefe und Siegel! Wenn wir so gewiß von den Todten auferstehen, wie ich meine Mutter gefunden habe, dann würden, (lachend) bei Gott! alle Christen sich in Heilige verwandeln. Lies, Steele! (gibt ihm die Papiere) prüfe jeden Buchstaben, nimm an, es wär’ ein alter Schriftsteller, dessen Aechtheit Du Silbenstecher zu beweisen hättest; spare die Mühe nicht, den Punkt auf dem i zu untersuchen – Du wirst finden, was ich gefunden habe – eine Mutter! Miß, ich schreib’ Ihnen ein Stück, worin Sie die Mutter der Gracchen spielen sollen!

Miß Ellen. Seit wann wissen Sie dies außerordentliche Glück?

Savage. Daß es Lady Macclesfield ist, seit gestern.

Miß Ellen. Und Sie eilten nicht sogleich, sich ihr zu Füßen zu 15 werfen? Freilich, gestern war großer Ball bei der vornehmen Dame.

Savage. Ich gesteh’ Ihnen, Miß, ich kann noch eine gewisse Zaghaftigkeit nicht überwinden. Hundertmal stand ich seit gestern vor ihrem prächtigen Hause, und blickte starr auf die Fenster, die fast die ganze Nacht erleuchtet waren. Die Klänge der Musik, denen ich mit verzaubertem Ohr lauschte, stimmten mich so wehmüthig, daß ich abwechselnd über mein Glück lachen und weinen mußte. Ich schlich mich leise dicht an das Portal und drückte mit kindischer Freude meine Lippen an die marmorne Schwelle. O Miß, wie ein Kind auf Weihnachten sich freut und zitternd vor Erwartung in der dunkeln Stube lauscht, bis sich nebenan das von hundert Lichtern strahlende Geheimniß der Bescheerung öffnet, so steh’ ich mit banger Freudigkeit und wag' es noch nicht, dem Glück, das mir der Himmel schenkte, in’s Antlitz zu sehen.

Steele (der inzwischen mit den Papieren beschäftigt war). Es ist kein Zweifel, diese Papiere sprechen alle wie aus einem Munde für die Richtigkeit dieser interessanten Entdeckung. Es ließe sich daraus eben so sehr ein Roman, wie ein Proceß machen, der gewinnen muß.

16 Savage (die Papiere Miß Ellen gebend). Seht Ihr? O, es ist so gewiß, wie Shakespeare’s Unsterblichkeit! Jetzt zögre ich auch nicht länger. Heute noch geb' ich der Mutter ihren Sohn zurück.

Miß Ellen. Sind Sie aber auch gewiß, Richard, daß Ihre Mutter die Entdeckung eines Fehltritts ihrer Jugend gern sieht?

Savage (sicher). O, meine Mutter hat ein großes Herz.

Steele. Und einen so kleinen guten Ruf, daß freilich davon nicht mehr viel weggenommen werden kann. Höchstens müßte man vielleicht befürchten, Du dürftest ihr als Liebhaber willkommener sein, denn als Sohn.

Savage (sich über Miß Ellen lehnend und mit ihr die Papiere prüfend). Wie Ihr so klug seid und da der geifernden Zunge des Gerüchts nachsprecht! Die Andern wissen erst, daß ich eine Mutter gefunden habe; Ihr seid die Einzigen, die erfuhren, daß es Lady Macclesfield ist. Scheut sie sich, offen zu bekennen, daß sie durch einen Fehltritt ihrer Jugend die Mutter Richard Savage’s wurde –

17 Steele. Richard Savage’s! Wie stolz!

Savage. Ja, Steele, stolz – stolz – trotz Deiner Wochenschrift.

Steele. Beruhige Dich; Dein nächstes Stück soll in jetzt üblicher Weise gerühmt werden, noch ehe es aufgeführt wurde. Also – scheut sie sich, als eines Richard Savage’s Mutter vergöttert zu werden –

Savage. – so muß mein Glück der Welt leider zum Theil verborgen bleiben. Ich werde dann nur noch ihr Sohn in der trauten Einsamkeit ihres verborgensten Gemaches sein –

Steele. Falls Du dies nicht von einem ihrer jüngern oder ältern Freunde besetzt findest.

Savage. Karrikire nur zu! Immer das Lächerliche, immer der ätzende Verstand, der von jedem Dinge will, daß es zwei Seiten haben müsse! Und wenn sie nun das Feuer ihrer Jugend auch noch für ihr Alter bewahrt hat! Wenn sie auch gern den Becher der Freude an ihre Lippen setzt 18 und nach den Rosenblättern hascht, die auf dem Weine schwimmen! Bei Gott, sie ist die Mutter eines Dichters! Dessen Phantasie, dessen jetzt freilich endende regellose Genußsucht, meine Thorheiten und tausend verkehrten träumerischen Eingebungen müssen doch irgendwo herkommen. Lord Rivers, mein Vater, war vielleicht ein Heupferd von aristokratischem Stutzer, so ein Gentleman, dessen Philosophie über die Schleife seiner Cravatte nicht hinausging und der meine geniale arme Mutter vielleicht blos durch eine Locke verführte, die er sich am linken Ohre schön zu drehen wußte. Wer wird auch Lord Macclesfield gewesen sein? Wenn sie nun, wie eine Biene, frei über die Hecken und Zäune der alltäglichen Convenienz hinausschwärmt und den Honig ihrer Zelle dorther entnimmt, wo sie ihn findet, wird sie dann, die ewig junge, kühne, edle Frau, nicht um so gewisser meine Mutter sein?

Miß Ellen (die Papiere, nachdem sie darin geblättert, zurückgebend, innig). Richard, möchte das letzte Siegel, das auf diese Papiere gedrückt wird, der Kuß Ihrer Mutter sein! Möchte die stolze Frau, der Sie das ganze Feuer Ihres edlen Herzens zuwenden, den Himmel nicht verschmähen, in welchen die Liebe eines solchen Sohnes versetzen muß! (Wie von einem unterdrückten Gefühl zu etwas Anderm übergehend.) Kommen Sie, Steele, es ist Zeit, daß ich in die Sitzung gehe.

19 Savage (ihre Hand küssend). O Miß, Sie sind so gut! Auch Du, Steele (ihm die Hand gebend), thauest aus Deinem Froste auf, da ein Sonnenstrahl aus dem Glücke Deines Freundes auf Dich fällt! Ich bleibe einen Moment noch in Ihrem Zimmer, Miß; ich habe einige Briefe zu schreiben und sehe dort auf dem Tische Schreibzeug. Ich lese Ihnen nichts.

Miß Ellen. O lesen Sie, Richard! Sie würden in der Stimmung, wo Sie jetzt nur von einem einzigen Gedanken beherrscht sind, mein Todesurtheil – wenn es dort läge – nur für eine Rechnung der Wäscherin ansehen. Kommen Sie, Steele. (Nimmt Steeles Arm. Beide ab.)

Savage (allein. Schreibt im Stehen einige Billete, die er zusammenlegt und zu sich steckt; während dem spricht er). Sie hat so Unrecht nicht – mein Kopf, wahrhaftig, ist ein Kleiderschrank geworden, ganz mit Gegenständen der Garderobe angefüllt – ; so, dies Billet an den königlichen Schneider auf dem Westminstersquare. Ich muß mich in eine anständige Kleidung werfen: Credit wird man mir schon gewähren, da ich ja – – der Sohn – – meiner Mutter bin! Auch eine prächtige Wohnung werd’ 20 ich miethen, um sie nicht zu betrüben, die liebevolle, nur an Glanz gewöhnte Frau. Sie soll nichts davon wissen, daß ich bisher darben mußte und mir im Winter oft nur durch den prometheischen Funken meiner Phantasie einheizen konnte. Gott, es ist nichts schändlicher, als mit seiner Armuth andern Leuten dicht unter die Augen treten und sie in der Harmlosigkeit ihres Daseins durch einen Jammer stören, dem sie nicht immer abhelfen können. Diesen Brief an den Hebräer Matthews – ich brauche Geld; meine Mutter wird Alles erstatten, sie wird ihre Chatoulle öffnen und sagen: Richard, wähle; Gold, Silber oder Papier, was Dir besser gefällt! Und diesen Zettel an die Wirthin zum goldnen Kamm, wo ich genug geschoren wurde; sie soll ihre Rechnung machen, ich werde nie wieder in ihre räucherige Höhle kommen und mich an dem Anblick von Matrosen vergnügen, mit denen ich nur deshalb umging, um mich zu trösten, daß ihre Verworfenheit doch noch tiefer stand, als mein Elend! (Nach vorn) O, wie hat sich das nun Alles verändert! Ich trete wie aus dem dunkeln feuchten Schacht einer Kohlengrube an das helle Tageslicht der Sonne, und meine Augen zucken mir noch, da sie an so viel Glanz, Hoffnung und selige Gewißheit nicht gewöhnt sind. Wie wird sie mir Muth zusprechen müssen, die herrliche Frau, wenn ich vor sie trete und nichts stammeln werde – als: Mutter! Sie wird denken müssen für mich, handeln für mich, reden für mich, ich werde nur lachen und weinen können. 21 Und ich komme ja auch so elend nicht, wie der boshafte Neid des Schicksals es wollte; ich habe meine Widerwärtigkeiten ja übersprungen und lege ihr einen kleinen Lorbeerzweig von Dichterruhm zu Füßen und kann sagen: So klomm’ ich in die Höhe, nicht ahnend, wem dereinst zur Ehre! Ich schenk’ ihr ja nicht einen jungen Wüstling aus Bath, dem tausend Gläubiger die wenigen Haare seines Hauptes gezählt haben, und der noch mehr durch geistigen Bankrott erschöpft an der Schwelle ihres Hauses niedersinkt; schenk’ ihr nicht einen bloßen Klotz von Menschen, den die Natur roth angestrichen und mit irgend einem obscuren Namen auf dem Rücken gestempelt hat, damit er nicht mit andern verwechselt werde. Sie wird meine Schriften kennen, sie wird wissen, was Steele, Addison, Johnson über mich geschrieben haben, sie wird wissen, daß ich nicht zu jenen Stümpern gehöre, die sich auch Dichter nennen, die aber, um natürlich zu scheinen, ihre Erfindungen nur mit wahnwitziger Consequenz durchsetzen, und, um sie wahrscheinlich zu machen, sie mit den Lackfarben einer schreienden Natur überpinseln, oder solche Helden, die mit dem Zwerchsacke ihres Selbstlobes von einem Journalisten zum andern betteln, und die weniger für ihren Ruhm, als an ihm arbeiten. – Ich halte mich nicht länger. Diese Billete besorgt und dann hin zu ihr! Noch heute muß ich die Trauerkränze, die über meinem vermeintlichen Grabe in ihrem Gedächtnisse hangen, mit Rosen der Freude vertauschen, und aus allen 22 Thränen, die sie um mich geweint hat, eine Perlenschnur zaubern, die uns wie eine diamantene Fessel auf ewig umschlingen soll. (Ab.)

Zweite Scene.#

Ein prachtvolles Zimmer im Hôtel der Lady Macclesfield.

Lady Macclesfield, Lord Winchester und Lord Berwick treten von der linken Seite auf. Viscount Marishal ist bereits eingetreten und wartet.

Lord Winchester. Wir gehen, wie ich sehe, Beide nicht ohne Hoffnung, und doch kann Einem nur die erbetene Huld zufallen.

Lady (stolz, doch graziös). Was soll ich machen, meine Herren? Ich werde wahrscheinlich so entscheiden, daß ich Ihnen, Mylord, gestatte, auf dem Rennen in Epsom Ihren Jokey gelb, Ihnen, Mylord, den Ihrigen in Blau erscheinen zu lassen; so bilden Sie Beide zusammen meine Farbe, und können auch dann schon nicht anders als gute Freunde bleiben!

23 Lord Berwick. Es ist ein Urtheil, das hart, aber doch noch weiser als das Salomonische ist.

(Beide mit einer Verbeugung ab.)

Lady (finster zu Viscount Marishal). Sind Sie schon wieder in London, um mich mit einem Processe zu unterhalten?

Viscount (durchweg boshaft). Das wird von Ihnen abhängen, Mylady.

Lady (blättert auf dem Tische in französischen Büchern mit goldnem Schnitt). Sie glauben, ich würde freiwillig mich zum Opfer Ihrer schlechten Lebensart in Paris machen, und die Verlegenheiten decken, in welche Sie sich durch Ihre jämmerliche Leidenschaft für das Spiel stürzen?

Viscount. Ich denke, Mylady, wir haben uns in unsern Leidenschaften nicht viel vorzuwerfen, um so weniger, da wir dem Vermögen meines Bruders gegenüber uns im gleichen Rechte befinden.

Lady (absichtslos die Worte fallen lassend). Es war nicht die kleinste unter den Thorheiten mei-24nes verstorbenen Mannes, daß er Ihnen an seiner Hinterlassenschaft einen Antheil vermachte, der mir jede freie Bewegung in meinem Eigenthum abschneidet.

Viscount. Eigenthum? Sie werden das nicht Ihr Eigenthum nennen, was durch Ihren Tod, falls ich Sie überlebte, das meinige würde. Mein Bruder war ein Narr, sonst würd’ er Sie nicht geheirathet haben; aber er machte sein ganzes der Thorheit gewidmetes Leben durch jenen einzigen vernünftigen Gedanken wieder gut, den er auf seinem Sterbebette hatte. Mylady (zieht ein Papier aus der Brusttasche), hier ist ein Wechsel auf Paris von zehn tausend Pfund; Sie werden die Güte haben, ihn zu unterschreiben.

Lady (ihn gegen das Licht haltend, lachend). Wer bürgt mir, daß diese Zahlen nicht mit einer Dinte geschrieben sind, die Ihnen erlaubt, morgen 20,000 daraus zu machen! Es wäre das erste Mal nicht, mein Herr Schwager, daß Sie gezeigt hätten, wie fleißig Sie in Paris die Chemie studiren.

Viscount. Mylady, als mein Bruder einst mit Ihnen den Heirathscontract unterschrieb, hielt er ihn da auch gegen das Licht, um gewiß zu sein, daß man ihm nicht mit sympathetischer Dinte noch einen gewissen Sohn des Grafen Rivers hineinschreiben konnte?

25 Lady. Es steht Ihnen vortrefflich, mir Moral zu predigen.

Viscount. Der Knabe war todt, als mein Bruder davon hörte. Er war ein so gutmüthiger Narr, mein Bruder, daß er den Jungen adoptirt und im Testament vielleicht seinen eigenen Bruder darüber vergessen hätte.

Lady. Warum muß ein so elender Mensch, wie Sie, so feig sein? Ließen Sie sich in Duelle ein, so könnt’ ich hoffen, daß irgend ein guter französischer Fechter mich von Ihrem lästigen Dasein befreite; Ihre Rente würd' ich anwenden, um eine Kirche bauen zu lassen.

Viscount (spöttisch). Eine Kirche!

Lady. Meine Schwelle würden Sie doch dann nicht mehr berühren, mir keine Briefe mehr schreiben, die Sie aus den pariser Spielhäusern datiren, mich in meinen Gefühlen und Neigungen nicht mit jenen Frauen verwechseln, denen Sie Geld geben müssen, damit sie Ihr vertrocknetes Herz annehmen. Ich werde Ihnen die Unterschrift des Wechsels schicken.

26 Viscount. Vertauschen Sie ihn aber nicht zufällig mit irgend einem Liebesbriefe, damit er nicht an eine unrechte Adresse und der Brief an mich kommt. Mylady, ich wäre im Stande, den Wechsel zu vergessen und im Mantel, verhüllt, daß Sie mich nicht erkennten, bei einem der entzückenden Stelldicheins, die Sie gewähren, in der That zu erscheinen.

Bedienter (tritt ein). Mister Richard Savage!

Lady (sich besinnend). Kenn’ ich nicht; (stolz befehlend) Nach diesem Herrn! (Bedienter ab.)

Viscount. Kennen ihn nicht? So will ich nicht stören, daß Sie seine Bekanntschaft machen. Leben Sie wohl, Mylady, morgen geh’ ich über den Kanal. (Will ab).

Lady. So will ich beten, daß es den ganzen Tag stürmen möge.

27 Viscount (rückkehrend, nach einer kleinen Pause). Thun Sie’s nicht, Mylady! Sie beten so selten, daß Gott darüber erstaunen würde, daß Sie einmal zu ihm kommen, und Ihnen das Eine Mal, um Sie zu ermuntern, fortzufahren, am Ende die Bitte gar erhörte. Adieu! (Ab.)

Lady (jetzt und später mit dem Wechsel spielend, ihn zusammenrollend u. s. w.). Ich wüßte nicht, daß ich je einen Menschen mehr gehaßt hätte als diesen Wüstling – vielleicht den Grafen Rivers, als er treulos wurde – (ernst sinnend) doch ist das lange her –

Savage (tritt schüchtern ein und entfernt sich nur allmälig von der Thür).

Lady. Mein Herr?

Savage (tritt langsam näher).

Lady. Sie haben ein Anliegen?

28 Savage (endlich vorn, aber sie noch von der Seite betrachtend und schüchtern). (Bei Seite.) Anders als ich dachte – und doch – wenn sie’s wüßte – und wie bring’ ich’s an?

Lady. Ihr Name, mein Herr?

Savage. Richard Savage.

Lady. Besinne mich nicht –

Savage (schnell). Sie kennen Richard Savage nicht?

Lady (verbindlich und verlegen). Ah! Sie wollen mich malen, Sie sind Künstler – oder was sag’ ich, Sie wollen ein Concert geben – auch das nicht? – nun so werden Sie – Mein Herr, klären Sie mich auf!

Savage. (für sich; schmerzlich). Gott! da knickt schon eine Hoffnungsblüthe ab. Sie kennt nicht den kleinen Werth Dessen, was sie besitzen soll! 29 (laut und schüchtern) Mylady, Richard Savage ist ein junges Talent, das nicht unglücklich in einigen poetischen Versuchen war, mehrere Stücke aufführen ließ, die eine Wiederholung erlebten –

Lady. Ah, Sie gehören jener neuen Richtung an, die unsern Geschmack wieder für das Studium Shakespeare’s gefangen nehmen will, und wollen mich auffordern, Theil an den Sitzungen jener Damen zu nehmen, (spöttisch) die mit ihrer etwas starken Einbildungskraft und mit jährlichen Geldbeiträgen für die Wiederbelebung jenes veralteten Theaterdichters glauben wirken zu können. Ich ziehe jene Werke vor, in welchen sich die britische Kraft mit den feinern Regeln und Gesetzen der französischen Grazie vermählt hat.

Savage. Mylady, eine Britin!

Lady. Lassen Sie – Ich habe überhaupt eine Abneigung gegen Das, was Sie Literatur nennen. Es sind meist verworrene Köpfe, die hier ihren träumerischen Schwindel für die Eingebungen der Gottheit halten und uns mit Gewalt Das, was sie für edel und gut ausgeben, aufzwingen wollen. Es sind meist junge Leute aus niedern Ständen, denen man noch verzeihen könnte, daß sie ihre Ansichten und Begriffe vom Leben auf den Ehrgeiz, in die höhern 30 Kreise einzudringen, begründen, die aber nicht mehr zu ertragen sind, wenn sie den ihnen angebornen Mangel an feiner Weltbetrachtung, an Sitte und conventioneller Schönheit auf die Beurtheilung von Verhältnissen übertragen, die ihnen verschlossen sind, und zum Glück wol auch verschlossen bleiben werden.

Savage. Mylady, Sie verwunden mein Herz, und doch (halblaut für sich) gerade in dieser Sprödigkeit liegt etwas, das mir den Triumph, sie überwinden zu können, doppelt reizend macht. (Sich zu ihr wendend, entschlossen) Mylady, betrachten Sie mich!

Lady. Was wollen Sie?

Savage. Tief, tief in die Augen, in die Mundwinkel, in die kleinen Furchen der Stirn blicken Sie mir und fragen Sie Ihr Herz!

Lady. Ich begreife Sie nicht!

Savage. Ich hab’ Ihnen etwas Großes zu sagen, ein Geheimniß, ein Grab zu öffnen; aber ich sähe so gern, daß die Stimme der Natur mir entgegen käme, und Sie mir, Mylady, selbst das wunderbare Ereigniß von meinen zitternden Lippen nähmen –

31 Lady. Sie beängstigen mich, mein Herr! Welch eine Sprache! Was soll das?

Savage. O Gott, soll ich denn über tausend Schmerzen erst klimmen, bis ich zu einem Glücke komme, das ich kaum noch den Muth habe mir selbst zu erobern! Wenn der Wärter hinter dem Käfig eines wilden Thieres leise fortschleicht, so springt es auf, schmiegt sich an die Wand und ahnt die Nähe seines Herrn und Freundes – und hier –

Lady (ihn mit Befremdung und Angst betrachtend und halb wie zur Flucht gewendet). Ihre Bilder, mein Herr –

Savage. Sind schlecht gewählt! Ja, ja, was quäl’ ich Sie und mich! Mylady, hören Sie mich! Sie hatten einen Sohn, nach seinem Vater genannt Richard – Lady Mason, Ihre Mutter, erbarmte sich Ihrer und Richard’s und ließ ihn zu einem alten ehrlichen Schulmeister in St. Albans geben –; Lord Rivers starb, Lady Mason starb, Richard kam zu armen Leuten, die ihn erzogen und nicht begruben – nicht begruben, Mylady, Sie brauchen Ihren Richard nicht erst im Jenseits zu begrüßen – er lebt, er liegt zu den Füßen seiner Mutter! – (Stürzt ihr zu Füßen.)

32 Lady. Was ist das? Welch’ eine schändliche Betrügerei! Entfernen Sie sich – fort, augenblicklich!

Savage. Mutter –

Lady. Sie sind ein unverschämter Betrüger!

Savage. Mutter, die Stimme der Natur!

Lady. Die Stimme der Gesetze werd’ ich reden lassen – (Eilt an den Tisch und klingelt heftig.)

Savage. Mutter! (Ein Bedienter erscheint an der Thür.)

Lady. Ruf’ das Haus zusammen! (Bedienter winkt nach hinten.) Was hat man mit mir vor? (Die Flügelthüren öffnen sich und mehrere Lakeien treten zögernd herein. Zu ihnen) Daß dieser Herr nie wieder meine Schwelle betritt! (Zu Savage mit Nachdruck) Elender! (Schnell zur Seite ab.)

Savage (aufblickend und die Hände vor die Augen schlagend). Allmächtiger Gott! Ist es möglich? (Die Bedienten treten an ihn heran.)

33 Zweiter Aufzug.#

Erste Scene.#

Zimmer in Steele’s Wohnung. Ein Tisch, mit Papieren bedeckt.

Steele. Später Lord Tyrconnel.

Steele (tritt geschäftig ein und legt erschöpft Hut und Handschuhe ab). Ich hätte nie geglaubt, daß es so viel Mühe kostete, sich über die Welt lustig zu machen. Unaufhörlich muß man in Bewegung sein, um die tausend Gerüchte und Meinungen des Tages einzufangen, ehe sie veraltet sind; und kaum hat man dem Einen seine Form gegeben, daß es in leichter, gefälliger Kleidung vor die Menge treten kann, so beschäftigt uns schon wieder etwas Anderes, das wir uns nicht dürfen entgehen lassen. Ein Journalist genießt nicht das Reizende seiner Thätigkeit, ein Tag verdrängt den andern; während das Publicum sich an der 34 Nummer erfreut, die heute ausgegeben wird, bin ich schon wieder hinter ganz etwas Anderem her, das ich für meinen Kram in acht Tagen brauche und nur noch nicht recht gestalten kann. Da wieder der ganze Tisch voll Briefe! (Geht an den Tisch und setzt sich.) Anonyme Einsendungen, die man zwar im Prospectus nicht berücksichtigen zu wollen erklärt und am Ende doch abdruckt! – Auch anonyme Pasquille auf die Redaction selbst: ja, ja, die Hälfte der Kugeln, die man verschießt, rikochettiren. – Eine Schilderung der Umtriebe bei der letzten Parlamentswahl in Westminster; sehr willkommen! – Ein orientalisches Märchen, wahrscheinlich nur eine Satyre auf die Minister! – Eine anonyme Androhung, daß man mein Journal verbieten würde – Schreckschüsse – vielleicht officielle. Eine Ausforderung zum Duell mit einem jungen Dichter, dessen lyrische Erstlinge ich mit den Masern, Rötheln und andern Kinderkrankheiten verglichen habe; (legt seinen Degen auf den Tisch) auch nicht übel! – Ein Billet von Miß Ellen. (Steht auf; nach vorn) Das liebenswürdige Geschöpf! (Lies’t) Sie ist außer sich vor Entzücken über die Wirkung, die der Erfolg der heutigen Aufführung des Overbury auf Savage’s Mutter machen dürfte! Wird die gefühllose Dame aber hingehen? Niemand kann über ihr hartes Herz unglücklicher sein, als diese treue Seele! Savage selbst ist Narr genug, immer noch auf die Erweichung dieses Steines zu hoffen. Man klopft.

35 Lord Tyrconnel (hereinbrechend). Mein Herr, ich komme in einer Angelegenheit zu Ihnen, von der Sie wissen werden, daß sie in diesem Augenblick ganz London beschäftigt, die schändliche Grausamkeit der Lady Macclesfield gegen ihren Sohn – (schnell) es ist ihr Sohn – alle Stimmen, alle Zeugnisse kommen darin überein –

Steele. Ihr Name?

Lord Tyrconnel. Lord Tyrconnel.

Steele. Ah, Mylord, ich weiß, Sie beteten die hartherzige Mutter einige Jahre hindurch an, waren, glaub’ ich, nicht unglücklich, wurden aber später verabschiedet und – ergreifen –

Lord Tyrconnel. Diese Gelegenheit, mich zu rächen? Nein, Sir, denken Sie edler von mir – und doch: ich gestehe, daß ich die Gräfin hasse und nicht Moralist genug bin, meinem Hasse nicht all das Material zu verschaffen, das mir die Aufführung dieser Dame selbst darbietet.

Steele. O, wir Journalisten kommen ja oft in den Fall, zu 36 beobachten, wie mit der Wahrheit oder dem, was man dafür hält, Motive verbunden sein können, die das Gute und Edle auch immer vortheilhaft für uns machen. Womit kann ich dienen?

Lord Tyrconnel. Ihre Feder, Mister Steele, ist scharf wie die Waffe des Schwertfisches. Sie haben mit ihr den Wallfischbauch des vorigen Ministeriums durchsägt –

Steele. Sie sprechen ja wie ein Grönlandsfahrer.

Lord Tyrconnel. Sie würden auch die Fähigkeit haben, diesen Skandal einer Mutter, die ihren Sohn nicht anerkennen will, aus der darüber entrüsteten Conversation Londons in die Journalistik einzuführen. Sie sollten der Nachwelt die Kunde von einem Weibe hinterlassen, das im Angesicht der unwiderleglichsten Zeugnisse für die Echtheit ihres Sohnes dem Muttergefühle trotzt, und mit der schändlichsten Grausamkeit und Kälte ein Besitzthum zurückweist, um welches sie von allen Müttern Londons beneidet wird. Von dem Ruhm Savage’s abgesehen, wo findet man einen Sohn, der mit mehr Beharrlichkeit und Sanftmuth die grausame Laune seiner Mutter erträgt! Sie verweigert ihm ihr Haus, er heftet seinen lechzenden Blick an ihre Fenster. Sie zerreißt seine Briefe, er ist froh, die 37 Fetzen davon wieder zu bekommen, weil ihre Hand sie berührt hat. Sie ist ein Ungeheuer, ganz London sagt es; und um sie zu demüthigen, müssen es jetzt auch die öffentlichen Blätter sagen.

Steele. Mylord, Savage ist mein Freund. Nächst einem weiblichen Wesen, das Sie nicht kennen, bin ich es wohl, der sein Schicksal am meisten bedauert; aber ich kann nicht sagen, daß mir die Aufführung meines Freundes gefällt. Es ist, denk’ ich, eines Mannes nicht würdig, sich in dem Grade, wie es von der Lady geschieht, mit Füßen treten zu lassen –

Lord Tyrconnel. O, es ist seine Mutter –

Steele (nachdenkend). Sie meinen, die Liebe eines Kindes küßt die Ruthe, die es züchtigt –

Lord Tyrconnel. Denken Sie sich ihn, wie er seine ganze Jugend hindurch über seine ihm verborgene Herkunft brütet, Vater und Mutter nicht kennt und plötzlich entdeckt, daß ihm eine der ersten Damen des Königreichs das Leben gab. Nun ist er Dichter, Phantast, lebte auch, wie ich höre, früher in den Tag hinein und setzte den Adel seines Ge-38müths, tollkühn genug, der Gefahr des Scheiterns in wilder Gesellschaft aus. Er kennt nur Täuschungen, nur die Welt der Bücher, ja, was wird ihm die Liebe und das Wesen der Frauen sein? Etwas, das er nur im Bereiche der Kunst kannte. Da entdeckt er diese Mutter, nun findet er sich im Leben zurecht, er fühlt sich nun in etwas Wirklichem heimisch, er hat den Brennpunkt für sein Herz gefunden, die erste Anknüpfung für ein Verständniß der Welt.

Steele. Ich bewundere Ihre Menschenkenntniß, Mylord; Sie mögen Recht haben; aber doch, doch sind es Thorheiten, die Savage begeht. Er hat sich, gleich als er die unglückliche Entdeckung machte, in ein Meer von Schulden gestürzt, aus welchem seine Freunde ihn nicht wieder herausfischen können. In dem märchenhaften Vertrauen, die Mutter würde Alles bezahlen, was er brauchte, um anständig vor ihr zu erscheinen, hat er alle Kleidermagazine der Stadt ausgekauft, Wagen und Pferde sich angeschafft, eine glanzvolle Wohnung bezogen –

Lord Tyrconnel. Ich bin reich – sollte sich da nicht Hülfe schaffen lassen?

Steele. Nein, ich sage Ihnen, dieser liebenswürdige, aber wunderliche Schwärmer, ist wie ein Verbrecher, der, 39 hundertmal gestraft, sein Vergehen nicht lassen kann: alles Geld, das ihm seine Freunde steuern, verwendet er nur zu dem einen Zweck, seiner Mutter zu imponiren, mit vier Pferden hundert Mal des Tages an ihrem Hause vorbeizufahren, ihre Dienerschaft zu bestechen, ihr heimlich Ueberraschungen zu bereiten, glänzende Gesellschaften zu geben, um von sich reden zu machen und auf den Ehrgeiz des kalten Weibes zu wirken –

Lord Tyrconnel. Mein Gott, das macht mir Alles diese Mutter noch fürchterlicher! Sie können das dulden, Sie, Steele, der die Literatur des Tages erfunden hat, Steele, der jene olympischen Blitze der öffentlichen Meinung schmiedete, die zerschmetternd aus Ihrer Hand in den Lug und Trug unserer verdorbenen Sitten und Meinungen niederfahren?

Steele. Gemach, Mylord! Je verheerender meine Waffe ist, desto vorsichtiger soll man mit ihr umgehen. Die öffentliche Meinung ist nicht immer die richtende Themis, sondern weit öfter eine Harpye, die nichts wieder herausgibt, was sie einmal zerrissen hat. Beschuldigt sie einmal die Tugend eines Engels, der Himmel selbst kann ihn nicht wieder ganz rein waschen. Tausend Rechtfertigungen, tausend Widerlegungen – es bleibt immer etwas hängen.

40 Lord Tyrconnel. Hier ist von einem Teufel die Rede. Ich hab’ es selbst gesehen, daß Savage sich dicht vor ihren im vollesten Laufe ansprengenden Wagen stellte, der Kutscher hält inne, sie blickt zum Schlag hinaus, erkennt ihren Sohn und ruft ihren Leuten mit zorniger Geberde zu, fortzufahren. Hätten ihn nicht Andere weggerissen, er wäre gerädert worden.

Steele. Nun sagen Sie aber selbst, sind das von Savage nicht Uebertreibungen? Bald schwingt er sich auf den Schlag ihrer Kutsche und wirft ihr im währenden Fahren Blumen hinein; bald schlägt er ihr Gedichte an die Thür’ ihres Hôtels, bald wirft er in ihre Theaterloge seidene Tücher hinein; wenn sie im Park fährt, er steckt hinter jedem Strauch; wo sie etwas in der City kauft, er mischt sich in den Handel; wenn sie die Kirche besucht –

Lord Tyrconnel (ironisch). Lady Macclesfield besucht auch die Kirche?

Steele (lachend). Mylord, die Geschichte ist bis jetzt nur noch eine Komödie. Erst wenn ich sehe, daß Savage wirklich 41 unglücklich ist, daß sein Aeußeres abfällt, daß er mit seinen tausend Thorheiten auch die einstellt, auf Rechnung seiner Anerkennung Seitens dieser Mutter wie ein Fürst zu leben, und noch eins – wenn sie gegen den außerordentlichen Beifall, den sein dichterisches Talent heut’ in Drurylane finden muß, gleichgiltig bleibt – sehen Sie, hier regt sich der Stolz des Literaten und der esprit de corps, der uns Alle zusammenhält – dann, Mylord, fragen Sie wieder an.

Lord Tyrconnel. Mister Steele, eine Biographie der Dame von (bedeutungsvoll) meiner Hand geschrieben, steht Ihnen zu Diensten. – Studiren Sie inzwischen die Lehre von den Giften, die Zoologie der afrikanischen Wüste, studiren Sie alle Verirrungen des weiblichen Gemüths seit Messalina bis auf Katharina von Medicis, und Sie werden sich von mir noch Bilder und Vergleichungen borgen müssen, um den Charakter der Lady ganz zu erschöpfen. All’ die Bitterkeit Ihres Ausdrucks, Ihre ironischen Wendungen, Ihre zermalmenden Sarkasmen – ich bitte Sie, Mister Steele, sparen Sie sie für dieses Autodafé auf! (Zudringlich vertraulich) Ich bin ein Bewunderer Ihres Geistes, Mister Steele, ich gehöre schon lange zu Ihren guten Freunden, Mister Steele, ich billige auch Ihre politischen Ansichten, Mister Steele, ich bin frei von 42 allen Vorurtheilen, ich – doch Ihre Zeit ist kostbar, leben Sie wohl! (Ab.)

Steele (ihm verächtlich nachsehend). Diese liberalen Edelleute! Nur weil sie eitel und furchtsam sind, geben sie sich das Ansehen, als liebten sie die Freiheit! Ihre Stammbäume bleiben doch immer dieselben, ob sie nun wild und knorrig im Wald ihrer Privilegien dem Sturm der Zeit trotzen, oder ob sie zierliche kleine Döschen daraus drechseln, die sie der Freiheit präsentiren, um ein galantes Prieschen daraus zu nehmen. Der will für die Tugend und das Unglück auftreten! Der will, da er vergeblich einer stolzen Lady den Hof machte, jetzt mit der öffentlichen Meinung liebäugeln! Er hat darin Recht: – ich werde mich seinem Antrage nicht ganz entziehen dürfen, – aber man sieht doch, daß in dieser Welt fast keine Wahrheit mehr denkbar ist, zu der nicht hinten eine kleine versteckte Hühnersteige – des Interesses führt. (Ab zur Seite.)

43 Zweite Scene.#

Freie Straße. Links das Haus der Lady Macclesfield. Abenddämmerung.

Savage, darauf ein Bedienter der Lady Macclesfield.

Savage (im Mantel, zu den Fenstern aufblickend). Es ist sieben Uhr. Mögen sie nun mein Stück heut’ im Theater viertheilen und den todten Rumpf dem Publikum zum Gelächter hinwerfen, mögen sie mir aus menschlichen Gestalten hölzerne Puppen machen, die ein bemaltes Gesicht haben und von einem Drahte regiert werden, der aus ihrem schlechten Gedächtniß in den Rettungskasten des Souffleurs führt, mögen sie das Erhabene gespreizt, die Tugend wie ein Landmädchen, das Schöne wie eine Kokette geben und meine Verse, wie kleine Kieselsteine, im Mörser ihres hohlen Pathos zerstampfen – (wehmüthig) mich kümmert’s nicht; schon seit einer Stunde harr’ ich hier vergebens und sehe nicht, daß sie einer Schöpfung ihres Sohnes die Theilnahme schenkt und nach Drurylane fährt. (Sich selbst Muth gebend.) Vielleicht will sie warten, bis sie im Druck erscheint, vielleicht ängstigt sie das Gefühl, daß ich um das Schicksal meiner Arbeit besorgt wäre, sie fürchtet 44 einen unglücklichen Erfolg. (Fast scherzend) Ja, sie mit ihrem abscheulichen französischen Geschmack – könnt’ ich ihr nur Sinn für die echte Natur abgewinnen: Sie hat zu viel Verstand, um in solchen Dingen ganz verständig zu sein. – – – Nichts regt sich im Hause. Wagen rollen dort genug, die sich beeilen, an das Portal des Theaters zu kommen; hierher lenkt keiner ein. Und gewiß, sie wird zittern, bis sie erfährt, wie Alles abgelaufen – Gott, man nennt sie kalt –, sie hat mich abgewiesen –, sie will mich nicht für ihren Sohn annehmen; es ist ja meine eigene Schuld. Ich bin ihr zu schroff gegenüber getreten; das will ertragen sein, wenn die Todten auferstehen; wer würde nicht erschrecken, wenn er plötzlich ein Grab neben sich geöffnet sieht! Sie ist hart, weil sie großen Geistes ist! Ihr Gemüth steht unter der Herrschaft einer vielgeprüften Welterfahrung und eines ihr vielleicht durch bittere Entdeckungen zur andern Natur gewordenen Mißtrauens! In der großen Welt erfrieren die Herzen! Ihre Bildung hat sie auf Abwege geführt; ha (kindlich) was werd’ ich ihre Begriffe läutern und ihr das Buch der Natur aufschlagen müssen, und alle Schönheiten und Geheimnisse desselben entziffern; ja, ja, Mutter, du sollst in Morgen- und Abendstunden einst noch meine Schülerin werden, du wunderliche, spröde Frau! – Horch, es geht eine Thür drinnen. (Lauscht.) Es war nichts. Mich friert – vor Hunger. Pfui, daran denkt man 45 nicht – (Zieht ein Beutelchen hervor.) Es sind Goldstücke darin, – gehören aber nicht mir!

(Ein Bedienter mit einem kleinen Paket tritt aus dem Hause und will schnell dem Hintergrunde zugehen.)

Heda, guter Freund!

Bedienter (sich umsehend). Seid Ihr’s? Nehmt Euch in Acht, daß der Haushofmeister Euch nicht sieht. Ihr sollt hier nicht immer vor dem Hause stehen.

Savage (gibt ihm das Beutelchen). Nimm dies, guter Freund, und sage mir, fährt meine Mutter heut’ in’s Theater?

Bedienter (das Geld einsteckend). Kann ich nicht sagen.

Savage. Wie lebt meine Mutter? Wann stand sie heut’ auf?

Bedienter. Ihr habt mich gestern ganz dasselbe gefragt; heute lebte sie nicht anders als gestern.

46 Savage. Was trug sie heut’ bei Tische für ein Kleid?

Bedienter. Gelb.

Savage. Wie war ihr Kopfputz?

Bedienter. À la reine.

Savage. À la reine – hm – hm – sie war geschminkt? Ein wenig? (schelmisch) sag’s nur heraus!

Bedienter. Freilich; – mein Gott, diese Dinge haben wir Bediente Euch ja schon hundert Mal gesagt.

Savage. War sie heiter? Wer besuchte sie? Las sie nichts? Sieh, was hast Du da?

Bedienter. Ei, die Lady ist gar nicht so bös, als man sagt –

Savage (vorwurfsvoll). Wer sagt das?

47 Bedienter. Sie schenkte mir die Bücher, sie zu verkaufen.

Savage (nimmt das Paket und schlägt die Bücher auf; mit erstickter Stimme). Es sind meine Schriften! ..... Laß sie mir, guter Freund; ich werde sie Dir gut bezahlen. Trag’ sie in meine Wohnung!

Bedienter. Wie Sie wollen. Gute Nacht! (Ab.)

Savage (allein). Sie hat Recht – die verdammte Eitelkeit! will auch nun den ganzen Plunder abwerfen, nichts mehr sein, als nur noch ihr Sohn, nichts Anderes mehr. Sie kann das Wesen einmal nicht leiden, und ich komm’ ihr immer mit dieser ihr lästigen Koketterie, mit meinem Ruhm, den ich ihr in’s Haus schicke, mit meiner Prahlerei – es soll nicht mehr sein, es thut wehweh – aber sie hat Recht.

(Die Thür’ öffnet sich und in einer geschmackvollen Portechaise tragen zwei Träger die Lady Macclesfield heraus.)

48 Lady (aus dem Fenster der Portechaise). Nach Drurylane! (Nach rechts hinten ab.)

Savage (nacheilend). Sie ist’s! Sie geht hin – dochdoch(zurückkehrend und freudig) nein, ich gehe nicht nach, sie könnte mich entdecken und umkehren. Himmel, ihr Herz erweicht sich! Sie wird der Brillant in dem heutigen Ringe der festlich geschmückten Logen sein und milde und versöhnende Strahlen auf den Ruhm ihres Sohnes werfen. Nun werden in meiner Dichtung die Redeblumen würziger duften, meine Gleichnisse werden treffender, meine Bilder ähnlicher werden, die Gestalten, die ich zeichnete, werden in ihrer Sonne einen erhabneren Schatten werfen. Sie, sie wird meine Schöpfung verklären und den glücklichsten aller Söhne an ihr großes, versöhntes Herz drücken. (Ab.)

49 Dritte Scene.#

Die Theaterloge der Lady Macclesfield. Ein niedriges, spitz nach dem Hintergrunde auslaufendes, geschmackvoll decorirtes Zimmer, vorn mit niedrigen Eingängen, links und rechts; hinten mit einem Balcon, der mit einem bunten Vorhang verhängt ist. Ein Stuhl steht an der Brüstung.

Viscount Marishal tritt links ein und späht, ob die Loge leer ist.

Viscount. Sie ist nicht hier – in ihrer Wohnung verläugnet sie sich und ich muß sie sprechen. Ich komme athemlos von Paris, weil mir hier saubre Geschichten vorgehen, die gefährlich zu werden anfangen. Ein Sohn! Vielleicht gar ein Erbe ihres Vermögens! Wer kann den Gesetzen trauen, deren Ja oder Nein fast immer nur von der größern oder geringern Kunst der Advokaten abhängt! Ich muß selbst zugegen sein, um diesen gefährlichen Handel zu hintertreiben. (Horcht nach der Oeffnung in’s Theater zu.) Man gibt ein Stück von dem Menschen! Ich bin so zerstreut, daß ich dem Zusammenhang nicht folgen kann. (Wieder nach vorn.) Das wären mir saubre Aussichten in die Zukunft! Sie sperrt sich zwar, wie ich höre, ihn anzuerkennen; aber die Gesetze werden sie dazu zwingen. Mir sollt’ er vor die Klinge kommen!

(Die Lords Berwick und Winchester blicken und treten dann herein.)

50 Lord Berwick. Sie ist nicht hier – sieh’ da, Viscount Marishal.

Lord Winchester. Viel Aufmerksamkeit für Ihren Neffen, daß Sie seinetwegen die Reise von Paris machen –

Viscount. Ich bitte Sie, meine Herren! Mein Neffe hätte sich keinen abgeneigtern Kritiker verschreiben können als mich. Aber sagen Sie mir um Gottes willen, glaubt denn sogar die fashionable Welt an die Echtheit dieses Findlings?

Winchester. Es ist ihr Sohn – er ist’s –, da ist gar kein Zweifel.

Lord Berwick. Sie leidet schrecklich darunter. Alle Welt zeigt mit Fingern auf sie, man überschüttet sie mit Pasquillen, die man ihr in ihr Haus schickt, man überreicht ihr in den Gesellschaften Bonbonsdevisen, welche Verse von ihrem Sohne enthalten, man quält sie mit Spott, Verachtung, Zurücksetzung –

Viscount. Das sieht dem Londoner vornehmen Pöbel ähnlich! Die Damen unserer Salons würden sich fast alle ebenso in einer ähnlichen Lage benehmen, und nun, da eine an-51dere das Bad aushalten muß, spielen sie die Empfindsamen! Haben sich nicht auch schon die Geistlichen –

Lord Winchester. Allerdings – schon auf manchen Kanzeln ist gegen die Lady gepredigt worden, sie ist so fürchterlich in die Mode gekommen, daß vor ihrem Hôtel Gras wächst. Wir, die wir noch im Stillen ihre guten Freunde sind, würden mit dem Bann belegt werden, erführe man, daß wir ihre Loge besucht hätten.

(Lady Macclesfield tritt ein.)

Lord Berwick. Sie kommt nicht her – heute, wo das Stück ihres Sohnes gegeben wird, würde sie einen Aufstand befürchten müssen, erriethe man sie hinter dem Vorhange da!

Lady. Guten Abend, meine Herren! (Die drei Edelleute fahren betroffen zurück.)

Lady (zum Viscount). Sie wieder in London? Ich habe ja gehört, daß Sie in Paris auf den Tod lägen?

Viscount. Deshalb gerade kam ich nach London, weil ich hörte, daß hier die Todten wieder auferstehen.

52 Lord Berwick. Mylady, das heut’ angesagte Stück ist nicht abgeändert –

Lord Winchester. Sie wollten es wagen, sich den zudringlichen Blicken der Menge gerade heute –

Lady (lachend). Haben Sie vielleicht einen bösen Traum gehabt, Mylord? Sie sprechen ja wie Cäsars Gemahlin, als er in die verhängnißvolle Senatssitzung ging! Was fürchten Sie denn, das heute meine Nerven so angreifen würde? (Nach dem Vorhang zeigend.) Was spielen sie denn heute?

Lord Berwick. Overbury.

Lord Winchester. Trauerspiel –

Viscount. In fünf Aufzügen, Mylady! Bedenken Sie die Folter.

Lady. Von? (Die beiden Lords verlegen.)

Viscount (bei Seite, erstaunt). Das muß ich sagen!

53 Lady. Von?

Lord Berwick (zögernd zu Winchester). Wer ist es doch?

Lady (lachend). Sie sind mir auch ein rechter Kunstrichter, Mylord! Wissen nicht einmal den Namen des Verfassers –

Lord Berwick (verbindlich stotternd). O ich glaube, es verlohnt der Mühe nicht; das Stück ist schlecht; es ringt ein hohler Pathos die Hände drin, und die trocknen Worte werden wie ein Salat mit nichts als Thränen angefeuchtet. Es ist ein Dichter, der von der Poesie so etwas wegbekommen hat, wie, mit Shakespeare zu reden, ein durch’s Gras laufender Pudel an seinen Ohren etwas vom Thau auffängt –

Lord Winchester (fest und forschend). Es ist von Richard Savage –

Lady. Dank’ Ihnen, Mylord – (schalkhaft) Ich wußt’ es übrigens schon – (zu Lord Berwick) Sie haben aber trotz Ihrer Citate wenig Geschmack, Mylord, oder, was ich eher annehmen möchte, zu viel Galanterie. Sie wissen, daß ich mich nicht in den Club habe aufnehmen lassen, den jetzt einige phantastische Närrinnen gestiftet 54 haben, um für Shakespeare zu wirken – aber dieser Richard scheint mir noch der erträglichste von der neuen Richtung. Seine Weise hat etwas Fieberhaftes, das ist wahr, oder eine gewisse ängstliche trockene Hitze; aber seine Bilder, treffen sie auch nicht immer das, wofür sie als Vergleichung dienen sollen, führen uns doch in eine schöne idealische Welt ein, die recht hübsch wäre, (mit einigem Gefühl) wenn man sie festhalten könnte. (Zu Lord Berwick.) Ihren Arm!

Lord Berwick (in großer Verlegenheit zögernd und plötzlich sehend, daß nur ein Stuhl an der Balustrade steht). Mylady, es ist nur ein Stuhl dort! Sogleich! (Schnell ab.)

Lord Winchester. O, wir müssen deren mehrere haben. Bin sogleich wieder da. (Schnell ab.)

Viscount. Ha, ha! Meine theure Schwägerin, in welcher Mittagshöhe muß ich Ihre Sonne wiederfinden! Was die beiden Herren für Beine machten, als sie so glücklich sein sollten, Sie dem Ihnen so wohlgeneigten Parterre vorzustellen! Sie suchen Stühle und werden sich morgen in der Abenddämmerung, daß sie ja nicht gesehen werden, entschuldigen, daß sie keine hätten finden können. Zum Teufel, was ist das für eine Geschichte mit Ihrem Sohn?

55 Lady (nach einer Pause mit gepreßter, verlegener Stimme). Es ist mir ganz lieb, daß sie fort sind – ich will allein sein. Sie besuchen mich morgen, lieber Schwager; ich habe in Westmoreland Güter gekauft, ich hörte gern Ihre Meinung darüber; auch müssen Sie zu einigen neuen Pachtbriefen, die ich ausgestellt habe, Ihren Consens geben – einige bedeutende Posten sind auch eingezahlt, die ich nicht wieder unterzubringen weiß –

Viscount. O liebe Schwägerin, da werd’ ich schon helfen – (bei Seite) sie thut mir fast leid! (zudringlich vertraut und halb leise) Aber sagen Sie mir, was ist denn das eigentlich mit Ihrem –

Lady. Auch sind da einige Verfügungen zu treffen wegen der Kohlengruben, die uns in Durham gehören – es ist ein unterirdisches Wasser in sie eingebrochen – und – die Bergleute –

Viscount. Was Henker! Lassen Sie das ein ander Mal! Ich will hoffen, daß Sie in Ihrer hartnäckigen Verläugnung dieses Bastards des Grafen Rivers –

Lady. Unverschämter! (Geht in den Hintergrund, setzt sich auf den Sessel, zieht den Vorhang zurück und blickt in’s Theater hinaus.)

56 Viscount. Welche Keckheit! Den Vorhang weit zurückgezogen! (Auf den Zehen und hinausschauend.) Aller Blicke auf sie gerichtet! Wären es Pfeile, sie wäre durchbohrt. Wie man sich anstößt, wie sie murmeln! Alle Gläser auf sie gerichtet! Dort zeigt schon Einer mit dem Finger! Sie schwört ein Ungewitter herauf. Das gibt einen Aufstand! Ich ziehe mich zurück. (Ab.)

(Hinter der Scene. Entfernt aber deutlich vernehmbar.)

Männliche Stimme.

Du warst’s, die ihn verdarb.

Weibliche Stimme (Miß Ellen).

Ich?

Männliche.

Deiner Liebe
Verdankt er dieses Uebermaß der Triebe!

Weibliche (Miß Ellen).

O schilt mir nicht die holden Blumenkränze,
Die ich um meines Sohnes Kindheit wand!
Wo gab es Blumen, gab es Freudentänze,
Als er im Wetter seines Schicksals stand?
Als er noch klein, wie konnt’ ich wol ihn strafen,
Wenn oft ich noch den Todesengel sah,
Wie der der Wiege kleinem Friedenshafen
Um einen Schwung der Sense stand so nah!
57 Und als er groß, da kann die Mutter warten,
Der Vogel fliegt hinaus zum Nest;
Ihr schon genug, wenn er von seinen Fahrten
Sie immer fromm und treulich grüßen läßt.
Die Mutterlieb’ ist reich durch stetes Geben,
Sie ist schon glücklich, wenn sie weinen kann;
Dem Thaue gleicht ihr sorgenvolles Leben,
Er setzt sich nur in kühlen Nächten an.
Und ein Juwel’ ist einer Mutter Liebe, –
Doch nicht zu stolzem Schmucke ausgelegt –
Ein Talisman, den gegen böse Triebe
Man auf dem Busen still verborgen trägt.
Doch ruhig! Laß das Herz Mariens zeugen,
Als an dem Kreuze all’ ihr Glück verdarb,
(Laut und beziehungsreich)
Und jenen Marmorstein, in dessen Schweigen
Dem Griechen seine Niobe erstarb.
(Lauter Beifall hinter der Scene.)

Lady (reißt den Vorhang zu und kommt mit leidenschaftlicher Aufregung in den Vordergrund). Ich halt’ es nicht länger aus – diese Blicke tödten mich – diese Fingerzeige, diese Schadenfreude, diese Verwünschungen dicht an meinem Ohre, rechts, links, von oben, unten – Gott, welch' gräßliches Schicksal ist 58 über mich verhängt! Mein ganzes Dasein vergiften sie, meine Träume morden sie – schlafen, wachen – es ist dieselbe peinigende Verzweiflung, die, ich mag sein wo ich will, immer an meiner Seite ist. Sohn – Mutter – Mutter – Sohn – immer derselbe schauderhafte Refrain – es ist, als hätt’ ich in die Sonne gesehen und müßte nun auf Allem, wohin ich meine Augen richte, grüne und blaue Flecke wahrnehmen, die ich nicht verwischen kann, die immer wieder durch alle Farben durchbrechen, als hätt’ ich eine Mordthat begangen und könnte das Blut nicht von der Diele tilgen! Ich fühle nichts als Mutter für ihn – es ist in meinem Herzen auch nicht die kleinste Stelle für ihn, auch nicht ein Plätzchen, wo man eine Wiege hinsetzen könnte! Ich kann Alles sein, ich will die zärtlichste Geliebte werden, die treueste Schwester, das gehorsamste Kind, ich will fromm, demüthig, ich will tugendhaft wie ein Engel werden – nur die Mutter dieses Sohnes kann ich nicht sein! – Und hätt’ ich ihn wirklich unter meinem Herzen getragen – Natur, was bist du dann so stumm bei mir – warum sprichst du nicht mit Beredsamkeit zu meinem Herzen und lässest nirgend auch nur den kleinsten Funken von Liebe das Muttermaal sein, an dem ich ihn wieder erkennte? Briefe, Siegel, Ringe, Alles spricht für ihn und mein Herz nicht! – Ich kann nicht Mutter sein! – Und mögen sie nun meinen Namen durch den Koth der Straße schleifen, mögen sie mein Herz am Pranger der schwärzesten 59 Verläumdungen mit glühenden Zangen quälen, mögen sie mit tausend vergifteten Dolchen auf mein armes verlassenes und vereinsamtes Dasein zücken, – ich bin nicht seine Mutter; – ich will es nicht sein, (verzweiflungsvoll aus tiefster Brust) ich kann es nicht sein. (Heftig ab zur Rechten.)

Lord Berwick (stürzt links herein). Mylady!

Lord Winchester (nach ihm). Mylady!

Lord Berwick. Sie ist nicht mehr hier.

Viscount (tritt schnell herein). Mylady, das ganze Haus ist in Aufruhr – sie ist nicht mehr da –

Savage (stürzt herein). Mutter, ich schütze Dich – dieser Abend gehört mir zu – meine Herren, wo ist meine Mutter?

Viscount. Sind Sie der jämmerliche Phantast, der sich wie im 60 Blindekuhspiele aus den ersten Damen Englands auf’s Gerathewohl eine Mutter heraushaschen will?

(Hinter der Scene: Klatschen und der Ruf: „Savage! Richard Savage!“)

Savage (zieht halb den Degen). Mitten unter dem Jubel des Volks, mir, dem Gekrönten, diesen Schimpf?

Viscount (zieht den Degen und will Savage den seinigen aus der Hand schlagen). Weg, Bube, mit dem Spielzeug –

Savage. Weg mit dem Gestrüpp, das mir den Weg zu meiner Mutter versperrt! (Fechten. Er ersticht den Viscount.)

Viscount (fällt in Lord Berwicks Arme).

Lord Winchester (läuft an die Thür). Wache!

Savage (geht in gemessenen schwankenden Schritten, den Degen in der Hand, an die Brüstung der Loge, reißt den Vorhang auf und ruft, da der Jubel schweigt, hinaus). England! Du willst mir Lorbeeren geben? Gib mir 61 die Palme der Versöhnung, gib mir den Oelzweig des Friedens, den Du mit meiner armen Mutter schließest. Kann mich eine Krone beglücken, deren Perlen die Thränen eines Weibes sind? Kann mich ein Altar ehren, auf dem man mir eine Mutter opfert? England, die Unsterblichkeit, mit der Du belohnst, wiegt nicht eine einzige Stunde des Elends auf, wenn Du zürnst! Zürne nicht! Verzeihe der Mutter, um des Sohnes willen! (Lauter Beifall. Drei Mann Wache treten ein.)

Lord Winchester (auf Savage zeigend, mit fester Stimme). Der Sprecher da ist Euer Gefangener!

62 Dritter Aufzug.#

Erste Scene.#

Im Hause der Lady Macclesfield.

Miß Ellen wartet. Haushofmeister tritt aus der Seitenthür.

Haushofmeister. Die Lady wird sogleich erscheinen! (Als wollt’ er eine Unterhaltung anspinnen.) Gott, seit dem Tode des Viscount haben wir viel zu thun! Da sind hundert Rechnungen, die nicht bezahlt, und tausend, die bezahlt, aber nicht eingetragen sind. Die Lady sitzt den ganzen Tag unter Papieren, und hat alle Stunden mit einem Notar oder Advocaten oder sonst einem Geschäftsmann zu verhandeln. Haben Sie vielleicht auch –

Miß Ellen. Nein!

63 Haushofmeister. Nun, das wird der Lady lieb sein, ’mal von etwas Anderem als von ihrem Schwager und (leiser) Sohne zu hören.

Miß Ellen. Mylady hat wol nicht Ursache, über den Tod des Erstern besonders unglücklich zu sein?

Haushofmeister. Ne, das wahrhaftig nicht! Sie macht gar kein Hehl draus, daß sie froh ist, ihn los zu sein. (Leise.) Es war ein Blutsauger, ein Nimmersatt; was sie hergab, ging wie in ein Sieb.

Miß Ellen (bei Seite). Desto besser! So hat sie doch durch seinen Tod mehr gewonnen als verloren und wird gegen Richards unglückliches Loos nicht unempfindlich bleiben –

Haushofmeister. Ihr Sohn ist ja – so zu sagen – zum Tode verurtheilt.

Miß Ellen. Muth! Muth! Sie muß ihn retten!

Haushofmeister. Sie kommt – (Schnell ab.)

(Lady Macclesfield tritt schnell herein.)

64 Lady. Entschuldigen Sie, Miß, mein Ausbleiben. Ich wollte doch erst den Brief lesen, den Sie mir vor einigen Tagen schickten.

Miß Ellen (betroffen). Erst jetzt?

Lady. Ich las, als ich ihn erbrach, Ihre Unterschrift – Sie sind Schauspielerin.

Miß Ellen (fest). Ja.

Lady. Ich achte diesen Stand insofern, als eine große Selbstverleugnung dazu gehört, ihn zu ergreifen und sich von der übrigen Gesellschaft gleichsam freiwillig auszuschließen, – indessen hielt ich Ihren Brief für nicht so dringend –

Miß Ellen (schnell). Und nun Sie ihn gelesen?

Lady. Miß, Sie müssen es hoch aufnehmen, daß ich mit Ihnen über einen Gegenstand rede, dessen bisher in meiner Gegenwart Niemand erwähnen durfte. Nur will ich 65 Ihnen gleich sagen: Sie sind Schauspielerin, meine Gute, Sie machen ein Gewerbe daraus, die menschlichen Leidenschaften greller aufzutragen, als selbst die Natur sie colorirt, und so haben Sie auch hier nur Farben gewählt, für welche Sie in der Wirklichkeit kaum ähnliche Mischungen finden würden –

Miß Ellen. Kann etwas wirklicher sein als die Gefahr, in der Ihr (sich verbessernd) – in der Richard Savage schwebt?

Lady. Erwähnen Sie, ich bitte, diesen Namen nicht früher, als bis ich Sie dazu auffordere! Sie sind nicht fähig, Miß, über die Dinge zu urtheilen, wenn sie über die gewöhnliche Oberfläche der Verhältnisse auch nur ein wenig hinwegstreifen! Sie werden aus dem Fluge eines Straußes, der mit dem Fuß nie recht die Erde zu verlieren wagt, immer den Flug eines Adlers machen. (Ironisch.) Dafür sind Sie Schauspielerin! Die Komödianten kommen selten in die Lage, einfache Gefühle, wie sie die wirkliche Erfahrung des Lebens darbietet, zu zeichnen; ein Schmerz, der nicht mit den Händen gesticulirt, ist für sie keiner; eine Freude, die nicht mit fliegenden Haaren tobt, nennen sie Kälte; ewig in der Traumwelt erhitzter Phantasieen weilend, machen sie an das Leben Ansprüche, welchen das Leben nicht genügen kann.

66 Miß Ellen (bewegt). O Mylady, wie verkennen Sie meinen Stand! Wir armen Schauspieler verdienen Ihre Vorwürfe, wenn ein schärferes Auge, ein beweglicheres Herz, ein treueres Gedächtniß, als man es freilich mitten im Gewühl des Alltagslebens hat, einen Vorwurf verdienen. Wir pflücken die Blumen, die Sie kalt zertreten; wir sammeln auf dem Felde der Erfahrung diese kleinen Blumen, die Ihnen zu gering scheinen, und binden sie des Abends zu Sträußern und Kränzen, weil die Entfernungen der Bühne zu groß sind, um aus ihnen das Kleine ganz deutlich wahrzunehmen. Sie dürfen, wenn Sie einen Bettler am Wege sehen, mit einem gespendeten Almosen an ihm vorübergehen, wir müssen stehen bleiben, ihn nach seinem Kummer fragen und jene Blicke beobachten, die die vorüberwandelnde Menge stumpf und kalt auf seine Blöße wirft –

Lady. Weil Sie das darzustellen haben, weil Sie Studien machen müssen. So werden Sie immer bei einem einzelnen vorkommenden Falle den ganzen Reichthum von Erfahrungen, die Sie bei ähnlichen Lagen gesammelt hatten, anzubringen suchen und in dieser Art nie recht zu einem klaren, einfachen und natürlichen Gefühl kommen, wie es das Leben bietet.

67 Miß Ellen. O Mylady, Sie haben ein falsches Vorurtheil! Wenn ich des Abends die Schminke von meinen Wangen nehme, den Flittertand einer phantastischen Garderobe ablege und wieder zu den Empfindungen hinabsteige, die das Leben mir als meine Aufgabe zu durchkosten gab – glauben Sie mir, dann bedarf ich der Phrase nicht, um den Schmerz über ein seit frühester Jugend einsames Dasein zu fühlen, der Phrase nicht, um mir die Bilder meiner früh vollendeten, unvergeßlichen Mutter, einer in ihren schönsten Hoffnungen betrogenen und schmählich getäuschten Schwester, eines Bruders vorzuzaubern, der bei der königlichen Marine diente und sein Grab in den Wellen des indischen Oceans fand. (Mit Thränen.) O Lady, wenn wir dem lauschenden Zuhörer in den Schmerzen, die wir auf der Bühne wiedergeben, nur eine feine Berechnung der Beobachtung und der Kunst zu entwickeln scheinen, wie oft geben wir da nur unsere eignen Thränen wieder, und beschwören Empfindungen aus den Ruinen unserer Vergangenheit herauf, die wir nicht zu erheucheln brauchen.

Lady. Lassen Sie uns davon abbrechen! Sie fordern mich in Ihrem Briefe auf, an die Königin eine Bittschrift einzureichen für das verwirkte Leben eines Abenteurers, der mir durch einen schändlichen Mord einen so nahen Verwandten –

68 Miß Ellen (schnell). Nahen Verwandten? (Ruhiger.) Mylady, wer könnte Ihnen näher verwandt sein, als der Unglückliche, der mitten aus einer glänzenden Ruhmeslaufbahn gerissen wurde und um Ihretwillen nun einem schmählichen Schicksale entgegensieht?

Lady. Es ist dies die schreckliche Folge seiner maßlosen Ehrbegierde, mit deren schauderhafter Consequenz er sich eine Mutter aus den höchsten Ständen erobern wollte!

Miß Ellen (bitter). O welch’ ein Glück für ihn, eine so vornehme und kalte Mutter zu haben!

Lady. Man wird das Todesurtheil nicht an ihm vollziehen – ich höre, daß sein Schicksal dahin gemildert ist, daß er transportirt wird.

Miß Ellen. Ist dies eine Milderung? Statt durch einen fürchterlichen Augenblick ihn schnell aus einem Leben voll Gram und Leiden zu entführen, schleppen sie ihn nun über unermeßliche Gewässer Tausende von Meilen weit nach den Wohnungen von Verbrechern hin, die mit vergiftetem Gewissen und stieren Augen ihn als der ihrigen Einen 69 begrüßen werden, ihn, dessen engelreines Gemüth schon vor der Schilderung eines gemeinen Verbrechens schauderte! Sie, Sie, Mylady, können retten; flehen Sie die Königin an; ganz London erwartet von Ihnen diesen Schritt, der Ihnen die Achtung Englands wiedergeben wird!

Lady. Mischen Sie, ich bitte, in Ihre Begeisterung für einen jungen Dichter, der Ihnen so schöne Rollen schreibt und – vielleicht selbst mit Ihnen einübt, keine Beleidigungen für mich! Mir ist an der wankelmüthigen Meinung Londons wenig gelegen. Jetzt ist es Mode, gegen mich Partei zu nehmen; ich kenne London genug, um zu wissen, wovon es abhinge, daß es für mich Partei nähme. Es ist ein so schöner Roman, den man erfunden hat, und der sich des Morgens bei der Toilette, wenn man seine Papilloten abwickelt, so empfindsam besprechen läßt! Lassen Sie plötzlich bekannt werden, daß Richard Savage stottert, oder sonst eine niedrige Beziehung sich an ihn knüpft, so werden Sie erstaunen (lachend), wie die Waage seiner jetzigen Popularität sinkt.

Miß Ellen. Ein Glück, daß in seinem großen Herzen und seiner edlen Gestalt die zärtlichere Natur ihre Vorkehrungen getroffen hat, daß ihm solche Erfindungen nicht schaden können.

70 Lady. Ich will auch nur sagen, wie flüchtig das Interesse ist, welches man diesem armseligen London einflößen kann. Hätte der junge Mann durch seine Frevelthat nicht Sorge dafür getragen, daß man ihn immer im Munde hat, er würde längst vergessen sein.

Miß Ellen (bedeutungsvoll). Man wird ihn nie vergessen! (Nachgiebig bittend.) Aber was that ich? Ich reizte Sie. Es kann Ihr Ernst nicht sein, ist es nicht; Sie werden die Königin bitten, gewiß, gewiß, Sie werden!

Lady. Nein, Miß, ich werde nicht. Thät’ ich’s, so würde man dem abgeschmackten Märchen, daß es mein Sohn wäre, um so mehr Glauben schenken, und mich dann erst recht verdammen, wenn ich ihn später doch nicht anerkennte.

Miß Ellen. Gott, diese Berechnungen, Mylady –

Lady. Bin ich mir selbst schuldig und einer spätern, beruhigtern Zeit, die mich richten soll.

Miß Ellen. O ich hör’ es, Sie schwanken, Ihre Berechnungen verfangen sich, Sie können fürchten, für empfindungs-71los zu gelten – nun werden Sie es auch nicht sein wollen, Sie werden erschrecken vor dem schauderhaftesten Rufe einer Frau, daß man sagt: Sie hat kein Herz! Sie machten diesen todten Gedanken, diese Kälte, diese Härte schon zum Gegenstande Ihres Nachdenkens – was fehlt nun noch, Mylady, daß Sie die Thüren Ihrer Herzenskammern aufreißen und den Frühling der Mutterliebe auf das Eis, das sich in ihm gesammelt, mild schmelzende Küsse drücken lassen –

Lady. Sie irren sich –

Miß Ellen. O wagen Sie es, wagen Sie es, gut und lieb zu sein! Ich weiß es ja, nur das Leben der höhern Gesellschaft, die Lüge conventioneller Formen, die Medisance der großen Welt hat Sie erkältet, hat Ihnen den Muth genommen, wahr und gefühlvoll zu sein, hat Ihnen diese spitzen Entschlüsse, diese eckigen Absprünge, diese ungeheure Selbstbeherrschung gegeben – aber können Sie sich dabei glücklich fühlen? Kann Sie der Ruhm, eine Königin des Hasses zu sein, stolzer machen als der, eine Sclavin der Liebe genannt zu werden? O gewiß, gewiß; wenn es Ihr Sohn ist, gebührt der Mutter die Liebe; wenn er es nicht ist, gebührt dem Weibe, da er Sie dafür hält, das Mitleid!

72 Lady (streng und sich zu ihrem Zimmer wendend). Ich habe genug gesagt, und, ich dächte, Sie auch –

Miß Ellen. Nicht genug, wenn Ihr Herz nicht erweicht ist. Noch hoff’ ich – Sie schwanken – Sie ringen mit Ihrer kalten, kalten Philosophie, mit den Verhältnissen, mit der Etikette – ja auch dies – ja mit Ihrem Stolze – man hat Sie gekränkt, man verspottet Sie, verfolgt Sie, o das ist schlecht! – Aber Sie werden siegen, durch Ihre Großmuth siegen, durch Ihre Vergebung; gewiß, Sie gehen zum Hof, Sie schreiben, Sie bitten um Gnade für Richard –

Lady (nicht ohne einiges Gefühl). Ich bewundere Ihre Beredtsamkeit, aber ich bedaure, ihr widerstehen zu müssen. (Ab.)

Miß Ellen (ihr nachblickend). Sie läßt mich allein? Sie bleibt kalt? – stumm? – grausam?! (Nach einigem Bedenken, fest) Nun denn, so geh’ ich selbst zur Königin! (Ab.)

73 Zweite Scene.#

Kerker. Helldunkel.

Savage steigt eine Treppe im Hintergrunde herab; die Riegel werden hinter ihm zugeschoben.

Savage. So lassen sie mich noch manchmal frische Luft im Hofe dieser finstern Mauern schöpfen! Ach, es sind die letzten Athemzüge, mit denen ich Englands Luft trinke! Ich werde die Heimath verlassen und so viel Tausende von Meilen nur zurücklegen, um jenseit des Oceans mein Grab zu finden. Was ist mir jener südliche Himmel mit seiner Pflanzenpracht und seinen taghellen Sternennächten! Die verpestete Atmosphäre Birminghams und Manchesters, der Kohlenduft in den Fabriken, die gelben Nebel Altenglands sind mir balsamische Luft gegen die würzige Temperatur jener südlichen Welt, die sich für mich in einen großen, lachenden, blühenden und darum um so grausamern Kerker verwandeln wird! Und ausgestoßen unter Verbrecher, die mit plattgedrückten Nüstern, unheimlich weißen Augensternen und trotzigen Stirnen die Geschichte ihrer Bosheiten erzählen, selbst wenn sie der Henker ihnen nicht mit dem glühenden Eisen der Brandmarkung auf die Haut gezeichnet hätte! Ausgestoßen 74 unter Menschen, welche alle mit einem Ende des Strickes, an welchem die königliche Gnade sie vom Galgen schnitt, herumwandeln, so daß ihre Kinder damit spielen, Kinder, denen man als Ammenmärchen die grausigen Abenteuer ihrer Aeltern erzählt!– Mutter, Mutter! das ganze Leben stellen sie nun zwischen uns! Tod hier, Tod dort, an den beiden äußersten Grenzen, und dort erst Wiedersehen! Sie sagen, Du trügest die Schuld meines Schicksals, während ich doch nur die Schuld des Deinen trage! Nicht Dein Zögern, mich an’s Herz zu drücken, thut mir so weh, als der Haß und die Verdammung der Welt, die Dich verfolgt! Daß Du auch so starr sein mußt, daß Du Deine Liebe und Deinen Namen so umnebelst und an dem heitern Horizont Deines Gemüths Dir diese drohenden Ungewitter der Verfolgung heraufbeschwörst. Nicht was sie an mir thut, schmerzt mich, sondern daß sie es thut, daß sie sich freiwillig zum Schleifstein der scharfen Zungen der Verleumdung macht; (schmerzlich sinnend) wenn ich je auf den Stolz, unter ihrem Herzen gelegen zu haben, verzichten würde, so geschäh’ es, um ihr den Sieg zu lassen und die Menschlichkeit ihrer Empfindungen in den Augen der Welt zu retten. (Gerassel an der Thüre. Steele kommt die Treppe herab.)

Savage. Steele!

75 Steele (ihn umarmend). Hundert Mal war ich an der Thür Deines Kerkers, aber erst nach der Fällung des Urtheils wollte man mich einlassen. Armer Richard!

Savage (heiter). Soll ich Dir sagen, was mich für mein Unglück, wenn es einen Trost gibt, trösten könnte? Daß mir etwas so Fürchterliches hat begegnen müssen, daß selbst Dein sonst so verstecktes Gemüth aus dem Dachsbau seiner weltmännischen Philosophie heraus mußte!

Steele (mit sich selbst bekämpfender Rührung). Nun, (bei Seite) ich muß ihn zerstreuen – Du wirst doch noch immer nicht gehängt. Sieh einmal, ich bemitleide Dich und mich, daß Du uns aus der Stickluft Londons entführt wirst; aber Botany Bay, mein Freund, (bei Seite) ich muß ihn zu trösten suchen – verlohnt wirklich einmal ein gründliches Studium. Für mein Journal ist es mir ungeheuer viel werth, dort einen Correspondenten zu haben. Nimm an, der Zustand unserer Colonieen soll schauderhaft sein, die Gouverneure saugen ihnen, hungriger als die Spanier in Mexiko, das Blut aus, kein Schutz der Gesetze, keine Hülfe beim Parlament ist für die unglücklichen Bewohner derselben gegeben, 76 Alles geht durch den Gouverneur, die Beweisführung und der Hülferuf des Klägers durch die Hände des Beklagten – das muß einmal an’s Tageslicht, da kann ich, wenn ich in's Parlament komme, drei Ministerien mit in Schach halten. Und wie lange wirst Du dort bleiben? Du kommst mir vor wie Portwein; er wird erst gut, wenn er 'mal die Linie passirt hat. Wie viele Brustkranke machen nicht diese Reise freiwillig, um durch die Seekrankheit geheilt zu werden? Du wirst eine kleine Reihe von Jahren dort bleiben, und mit einem merkwürdigen Schatz von Erfahrungen, um den ich Dich beneide, wieder zu uns zurückkehren. Glaubst Du denn, die gegenwärtige politische Lage Englands würde sich lange halten?

Savage. Kehrt' ich je zurück, würd’ ich viel verändert finden–meine Mutter wäre todt – und ich selbst – erleb’ es nicht– mein Dasein ist geknickt, ich hänge am Leben nur noch wie eine überreife Frucht; ein kleiner Windstoß – und ich bin abgeschüttelt. Was weiß man von meiner Mutter?

Steele. Laß den Gedanken an dies Weib! Der vorschnelle Tod, den Du dem Viscount gabst, hat einige Familien wieder mit ihr ausgesöhnt. Sie veranstaltet nun Bälle, die immer noch genug besucht sind, um ihr Gelegenheit zu geben, recht mit ihrer Lieblosigkeit zu prahlen. Der 77 Hof, der von Deinen Ansprüchen fest überzeugt ist und Dich deshalb zum Transport begnadigte, hat es ihr nahe genug gelegt, sie sollte für Dich einen Schritt thun, sie ist mit Briefen, Bittschriften aller Art deshalb bestürmt worden, – sie bleibt kalt und gibt Bälle. Hätte man Dich gehängt, sie würde sich dafür ein Fenster gemiethet haben.

Savage. Ich muß über Dich lachen, Steele. Es ist eine wahre Freude, wie Du die Dinge so lange biegst, bis sie krumm werden oder brechen!

Steele. Savage, ich bemitleide Dich! Du entfremdest Dir Deine Freunde durch dieses Vertrauen, das Du immer noch auf eine Anerkennung setzest, die Du bei dem Charakter der Lady niemals finden wirst.

Savage. Laß das, lieber Freund! Geheimnisse zu enträthseln, die in der tiefsten Menschenbrust schlummern, bist Du nicht der Mann. Was treibt man draußen in der Welt?

Steele (aufstehend). O es ist erstaunlich, was die Macht des Journalismus wächst. Wir haben von allen Dingen, die jetzt vorgehen, die Fäden in der Hand. – Wir spinnen das ganze Gewebe Dessen, was man heute noch zu behaupten, 78 zu glauben, zu unternehmen wagt. Die Gold- und Silberbarren der Wissenschaft haben wir in courante Münze umgeprägt, die von einer Hand zur andern wandert und den schnellsten Umsatz der Ideen befördert. Zu den edlen Metallen eines Bako, eines Locke setzen wir das Kupfer hinzu, wir legiren das Silber und geben die Wahrheit sechs- , sieben- , achtlöthig heraus, je nachdem sie die Menschen fassen können. Es will heutigen Tages Alles seine Form haben. Die Philosophen läßt man’s aus Bechern, die Kinder aus Löffeln nehmen; den Frauen versetzen wir die schwierigsten Probleme mit etwas brillanter Einfassung, etwa in Gestalt eines Fächers, mit dem sie in der Gesellschaft anmuthig kokettiren können. Die Ideen müssen Gemeingut werden; Alle sind berufen; die Menschheit will wissen, woran sie ist!

Savage. Und die Dichter werdet Ihr dabei zu Grabe tragen!

Steele. Lustspiele, Savage, Lustspiele! Die Menschen sind der Trauerspiele satt, Eurer wahnsinnigen Könige, Eurer händeringenden Jungfrauen, Eurer Geisterbeschwörungen; satt, satt– Lustspiele, Savage! Feine gesellschaftliche Beziehungen, satyrische Gemälde des Lebens der höhern Stände, Ironien auf die Advokaten, auf die Aerzte, auf die Priester – das ist ein Feld, Savage; Witz, Witz, Witz! Frage die Schauspieler, sie urtheilen selbst so. 79 (Zieht ein Papier hervor). Da hätt’ ich das Beste fast vergessen. Dies ist die fürchterlichste Satyre, die je auf ein menschliches Wesen geschrieben wurde. Wäre Deine Mutter eine Griechin, sie würde sich aufknüpfen!

Savage (will ihm das Papier entreißen). Was?

Steele (hält es in die Höhe). Sie kommt in die nächste Nummer meines Journals. Noch nie hat die englische Sprache einem Nadelholzbaum so geglichen, wie hier. Alle Kammermädchen Londons könnten damit eine Woche lang ihren Damen das Haar aufstecken, denn jedes Wort ist eine Stecknadel. Wo ich in unserm Sprachschatze nur etwas Reizendes, Bürstendes, Kratzendes, Krallendes entdeckte, Alles hab’ ich zum Aufbau dieser Stachelpyramide verwandt. Lies selbst! (Wendet sich zum Hintergrund.)

Savage (nimmt das Papier. Ruhig). Ich werde Dir dafür eine Ode an meine Mutter geben. (Zerreißt es.)

Steele (komisch entrüstet). Savage! Mein bester Artikel – da zerrissen – die gelungensten Einfälle, Sarkasmen, wie Scheidewasser – 80 Himmel, was mach’ ich! Mein Journal will seine Spalten gefüllt haben, aus dem Gedächtniß kann ich diese Eingebungen des Momentes nicht wieder herstellen – o Savage, Du solltest selbst wissen, daß der echte Schriftsteller, (polternd) wenn er die Wahl hätte zwischen allen Freuden des Paradieses und der Ehre, ein geistreiches Bonmot gemacht zu haben, sich nicht besinnen würde, das letzte vorzuziehen – (Nachgiebig) Du mußt mir nur nicht zürnen, Savage! Du mußt mich nicht für lieblos halten! Auf der andern Seite stand der Entwurf zu einer Vertheidigung Deiner Ansprüche, die einige hübsche Stellen enthielt–nein, nein–(weicher) mein armer Freund, die ich mit dem ganzen Feuer einer Beredtsamkeit geschrieben, die vom Herzen kommt. Und wenn ich Dein krankes Auge, Dein wehmüthiges, schmerzdurchzittertes Lächeln sehe, nun, so werden mir ja die Worte, mit denen ich der Welt die Geschichte Deines schönen Herzens erzählte, wieder zuströmen, wie in einer guten Stunde die Ahnungen meines bessern Selbst. Ehe Du von uns scheidest, Savage, sehen wir uns noch. Dein Rächer lebt in mir. Wenn du am Strande der fernen Inseln des stillen Oceans stehst und Du siehst ein gewitterndes Leuchten über den Spiegel der Wellen blitzen, dann denke: es sind die Vorboten der Donner meines Wortes, die ich in Deiner Sache schleudern werde; denn welch’ einen schönern Triumph kann wol die Macht der Rede feiern, als das edelste Opfer unsrer künstlichen geselligen Verhältnisse zu 81 vertheidigen und an einem gebrochenen Herzen, wie dem Deinigen, zu zeigen, daß wir Ereignissen entgegengehen, wo die Natur, dies ewige Maß der Dinge, zu Gericht sitzen wird über eine verlebte Welt, wie die unsrige. Mich übermannt mein Unwille. Wir sehen uns noch; lebe wohl! (Will ab. Savage eilt ihm nach und umarmt ihn.)

Die Schlösser rasseln an der Thür. Lord Oberrichter tritt die Stufen herab mit einigen Griffiers; nach ihm Lord Tyrconnel mit einem glänzenden Gefolge von goldbordirten Lakaien.

Savage. Man kommt, mir die Stunde anzusagen, wo ich von Englands theuerm Boden scheiden soll! – Es ist mehr als ein Todesurtheil.

Oberrichter (ein Papier in der Hand). Sir Richard, mit wahrem Vergnügen entledige ich mich der Pflicht, die mich zu Ihnen führt. Sie sind frei.

Savage (auf ihn zustürzend). Mylord!

Oberrichter. Sie sind frei! Die Königin war früher gegen Sie eingenommen. Ihre That nicht allein, sondern auch Ihr früherer Ruf, Sir Richard, Ihre ungeregelte Lebensweise hatten den Hof gegen Sie mißgestimmt. Die jetzige Berichtigung des Urtheils über Sie und die völlige Be-82gnadigung verdanken Sie nächst Ihrem allgemein geachteten Rufe als Dichter einer weiblichen Vermittelung, über welche ich nicht nähere Auskunft geben kann.

Savage (zu Steele). Hörst Du, Steele? Sie ist besiegt, ihr Stolz ist gebrochen –

Oberrichter. Ob Sie Ihrer Mutter die Freiheit verdanken, kann ich nicht sagen. Hören Sie den schriftlichen Erlaß: „In Erwägung, daß Sir Richard Savage die an dem Viscount Marishal begangene Tödtung unter Umständen vollzog, die Uns schon bestimmten, die gegen ihn ausgesprochene Todesstrafe in Deportation zu mildern; in Erwägung, daß Sir Richards Jugend und Unerfahrenheit Uns jetzt erst deutlicher an’s Herz gelegt sind, und von ihm ein seiner geistigen Ausbildung angemessener Lebenswandel zu erwarten steht, wollen Wir ihm den vollen Genuß seiner frühern bürgerlichen Rechte und Freiheit anheim geben, mit der besondern Hoffnung, daß er sein Talent stets zur Verherrlichung des Vaterlandes und Unsers ruhmvollen Hauses anwenden werde.“

Steele (bei Seite). Man wird ihn noch zum Hofdichter machen – Nichts gegen Staat und Kirche! – (laut) Richard, mögen Dir die Musen diese Freiheit segnen!

83 Savage. Noch ist es mir wie ein Traum! (Auf die Bedienten zeigend) Welche wunderliche Begleitung?

Lord Tyrconnel (hervortretend). Sir Richard, Sie sehen in mir einen Ihrer lebhaftesten Bewunderer. Lord Tyrconnel fühlt es, daß England Ihnen eine Schuld abzutragen, ein Verbrechen, das man an Ihnen begeht, wieder gut zu machen habe! Ich bin reich genug, Alles nachzuholen, was die Nation an Ihnen versäumte. Ich war mit Ihrem Vater, Lord Rivers, entfernt verwandt, ich erkenne Sie in dieser Verwandtschaft an; wird in meiner Familie ein Besitz oder Titel frei, so soll er unverzüglich auf Sie übertragen werden. In meinem Hôtel hab’ ich Ihnen ein ganzes Stockwerk eingeräumt und es so poetisch, wie mir armen Dilettanten nur möglich ist, einzurichten gesucht. Alle Cirkel der höchsten Gesellschaft, die Gesellschaften des Hofes stehen Ihnen offen. Sie müssen dies Gegengewicht gegen die Intriguen Ihrer Mutter haben.

Savage (schnell, um ihn zu belehren). Sie sprach die Königin!

Lord Tyrconnel. Möglich, aber noch ist keine öffentliche Anerkennung erfolgt. Sie wird auch bei dem hoffärtigen 84 Charakter dieser Dame so lange nicht erfolgen, bis Sie sich in den Strahlen des Glanzes befinden, den ich jetzt um Sie verbreiten werde. Zwei meiner Landhäuser stehen Ihnen ganz zu Befehl. Einige Züge der ausgesuchtesten Pferde harren mit Kutschen, die ich eigens in Paris bestellte, stets Ihres Winkes. Dies Ihr Haushofmeister, dies Ihr erster Kammerdiener, dies das übrige dienende Personal, welches ich ganz Ihrer Verfügung anheim gebe. (Hier beginnt hinter der Scene ein heitrer Marsch.) Ich, ich führe Sie nicht im Geheimen auf den Platz, der Ihnen jener Intrigue gegenüber gebührt; ich ließ von diesem schmählichen Orte, der Sie hier zwei Monate gefangen hielt, einen Teppich legen bis in meinen Palast. Ganz London soll Ihren Triumph feiern, die ganze junge geistreiche Gentry der Stadt steht mit Rossen und Wagen vorm Thore dieses Hauses. Die Musik der königlichen Regimenter wurde mir zur Verherrlichung dieses Tages vom Commandanten des Tower gern bewilligt. Sie sind nicht mehr der Sohn einer gefühllosen Mutter, Sie sind Englands Sohn! (Trompetentusch draußen und ein Hoch der versammelten Menge.)

Inzwischen hat sich das Theater ganz mit Volkshaufen (besonders mit Matrosen, die ihre Schiffswimpel schwingen) angefüllt. Richard steht erstaunt und entzückt.

Steele (während der Marsch fortspielt, ironisch auf Tyrconnel zeigend). Da sieht man, wie nützlich es zuweilen den Söhnen sein kann, daß sie spröde Mütter haben!

85 Vierter Aufzug.#

Ein prachtvolles Zimmer, mit Seiteneingängen, im Hause des Lord Tyrconnel. Rechts im Vordergrunde ein Fenster oder Balcon. Die Hinterwand bilden Vorhänge, die später zurückgezogen werden und die Bühne um etwas verlängert darstellen. Ein Tisch vorn mit kostbaren Armleuchtern und brennenden Kerzen darauf.

Die Lords Tyrconnel, Winchester und Berwick.

Lord Tyrconnel. Ganz mein Schicksal! Ganz dieselben Launen und kleinen Bitterkeiten, denen zuletzt der Ausbruch eines Vulcans folgt.

Lord Berwick. Sie hat sich seit einem halben Jahre erstaunlich verändert, ihr Gemüth und ihre Haut, Beides ist älter geworden.

86 Lord Winchester. Es ist unstreitig die Folge der Aufregung, in welche sie die Angelegenheit mit ihrem Sohn versetzt. Sie will es zwar nicht wahr haben, aber es hat doch ihre Ruhe, wenigstens ihr Betragen gegen uns und alle Welt untergraben. Sagen Sie selbst, Berwick, wie oft sie bei hellem lichten Sonnenschein auffuhr und sich benahm, als sähe sie Gespenster?

Lord Berwick. Ja, sie hat jetzt etwas ordentlich Spukhaftes in ihrem Betragen. Ihre Behauptungen sind schneidender als je, ihre Ansichten paradox, ihr Stolz, wahrscheinlich durch die Zumuthung, einen plebejischen Sohn zu adoptiren, fährt so hinaus, als wohnte sie in den hängenden Gärten der Semiramis.

Lord Tyrconnel. Und wie nimmt sie nun die Lage auf, in die ich ihren Sohn seit seiner Freisprechung gebracht habe?

Lord Winchester. Was meinen Sie, Berwick? Mir war’s immer, als hätte sie das am meisten gekränkt.

Lord Berwick. Gerade von Ihrer Seite, Mylord, war es auch stark! Sie hatten das Vergnügen, einige Jahre lang ihr nicht 87 zu mißfallen, und gerade von Ihrer Seite mußte diese Handlung sehr verletzend für sie sein.

Lord Tyrconnel. Ich wollte nichts, als ohne Dinte und Feder ein Pasquill auf ihre Tugend schreiben.

Lord Berwick. So ganz allein das? Sein Sie einmal aufrichtig, Mylord; seitdem man Sie nicht mehr auf den Fuchsjagden sieht, pirschen Sie im Reviere der Popularität. Sie haben so etwas von einem Staatsstreiche mit Hülfe der Opposition auf dem Striche –

Lord Tyrconnel (lächelnd). Meine Herren, ich bitte –

Lord Winchester. Ja umsonst sind nicht alle Blätter voll von Ihrem Ruhme. Der Steele – war’s nicht der Steele? – behauptete neulich, Sie sprächen sechs Sprachen –

Lord Tyrconnel. Fünf sprech’ ich auch, und unte r der sechsten hat er wahrscheinlich die Sprache der Aufrichtigkeit verstanden. Ich kann Ihnen sagen, Mylords, daß ich wirklich Neigung für jene Partei im Parlamente habe, welche in der Verfassung Englands nicht die Garantie unserer politischen 88 Mißbräuche, sondern das Mittel, ihnen abzuhelfen, erblickt. Freilich kostet’s mich einiges Geld.

Lord Berwick. Indessen ist es schön, als der Mann des Volks gepriesen zu werden. Seit Ihrer edlen Handlungsweise gegen Richard Savage werden Sie vergöttert.

Lord Tyrconnel (geschmeichelt). Ja ich gestehe, daß die Leute die Motive dieses meines Schrittes verstanden haben. Ich wollte dem Genie meine Huldigung darbringen, und ein Wesen beschützen, das doch unstreitig ein Opfer unserer Standesunterschiede ist.

Lord Winchester. Nur sollen Sie, wie ich höre, wenig Freude an ihm haben.

Lord Tyrconnel. Er könnte Das, was ich an ihm thue, allerdings ein wenig dankbarer aufnehmen. Er ist krank, das entschuldigt ihn. Ich fürchte, daß ihn die Verzweiflung über seine Mutter allmälig verzehrt.

Lord Berwick. Seine Verschwendung soll ungeheuer sein.

Lord Tyrconnel (zögernd). Ei nun, wie man das nimmt. Den Werth des Geldes 89 weiß er freilich nicht zu schätzen. Er wirft es mit vollen Händen unter die Menge, gibt Hunderte für Zerstreuungen hin und hat doch keinen Genuß davon. Ein Glück noch, daß die Spitze aller seiner Thorheiten auf die Mutter gerichtet ist; so hab’ ich wenigstens das Vergnügen, zu sehen, wie sie davon verwundet wird. Heute, z. B., Mylords, sollten wir uns einen Spaß machen, bei dem Sie selbst eine Rolle spielen müßten.

Lord Winchester. Was meinen Sie?

Lord Tyrconnel. Ist Ihr Einfluß auf die Dame wol noch groß genug, um sie in eine Gesellschaft zu begleiten, bei der sie nicht ohne Schutz sein darf?

Lord Berwick. Mein letzter Dienst, den sie mir gestatten wird, wird wol der sein, daß ich sie heut’ Abend auf den Maskenball der Herzogin von Sussex führe.

Lord Tyrconnel. Vortrefflich, auch bei mir wird heut’ Abend Maskerade sein; meine whiggistischen Freunde gehen auf keinen Toryball. Sie, Mylords, treiben nur Politik in Liebesabenteuern, Ihnen verschlägt es ja nichts, wenn Sie statt zur Herzogin zu mir kommen.

90 Lord Winchester. Und Lady Macclesfield?

Lord Tyrconnel. Das ist mein Plan! Sie begleiten sie und führen sie statt zur Herzogin zu mir!

Lord Winchester. Aber den Kutscher –

Lord Tyrconnel. Den wird sie entlassen; sagen Sie ihm nur, er könnte dann sogleich bei mir in Dienst treten. Er muß vor meinem Hause halten. Die Façade des Hôtels der Herzogin hat mit meinem die größte Aehnlichkeit, die Treppen werd’ ich mit solchen Blumentöpfen zieren, die die Herzogin liebt; die Statue Cromwells, die auf meiner Flur steht, werd’ ich mit einer Copie der Diana vertauschen, Sie kennen sie ja bei der Herzogin; die Masken werden, hier wie dort, dieselben sein können, so daß es lange währen soll, bis sie den Irrthum merkt. Ich werde ihr dann den Sohn vorstellen und sie vor Aller Augen veranlassen, daß sie mit ihm tanzt.

Lord Berwick. Gnade aber Gott –

Lord Tyrconnel. Dem Kutscher! Er wird es bei mir besser haben, als bei ihr!

91 Lord Winchester (zu Lord Berwick). Da sich bei der Lady doch nichts mehr gewinnen läßt, so ist auch bei diesem letzten Spaß wol nichts verloren.

Lord Berwick. Ich bin dabei – um halb zwölf Uhr erscheinen wir.

Lord Tyrconnel. Es ist schon neun! Beeilen Sie sich! (Die beiden Lords ab.) Savage selbst darf von der Ueberraschung nichts wissen. Seine Zudringlichkeit würde die Entdeckung zu früh herbeiführen. Noch eine Weile mögen diese Späße dauern, dann werd’ ich Savage eine kleine Rente geben und ihn vor die Thür setzen. Da kommt er selbst.

Savage (tritt schnell ein in geschmackvoller, eleganter Kleidung). Ich suchte Sie überall, Mylord, und jetzt, (zögernd) wo ich Sie finde, habe ich doch nicht den Muth, meine Bitte auszusprechen.

Lord Tyrconnel. Sie wissen, Savage, daß ich jedem Ihrer Wünsche zuvorzukommen suche; wie sollt’ ich nun gar erst hinter ihnen zurückbleiben mögen?

Savage (seine Hand ergreifend). Sie sind das edelste Herz, das jemals Großmuth mit Bescheidenheit verband! Ich hab’ erfahren, daß meine 92 Mutter in Kent geboren wurde, auf dem Schlosse ihres Vaters, des Lords Mason; in einigen Wochen ist ihr Geburtstag. Wie wär’s, wenn wir daselbst allerlei Gegenstände aufkaufen ließen, die sie in die Zeiten ihrer ersten Jugendjahre zurückversetzen müßten?

Lord Tyrconnel. Sie wissen ja, Savage, daß ich zu Allem bereit bin; indessen trauen Sie da Ihrer Mutter eine Sentimentalität zu, die sie wahrhaftig nicht besitzt; auch werden Sie recht gut wissen, daß sie Ansprüche auf Huldigungen macht, bei welchen des Geburtstags einer Dame in ihrem Alter nicht schicklich Erwähnung geschieht.

Savage. Nun denn – so hab’ ich etwas Anderes. Meine Mutter soll den Wunsch geäußert haben, –

Lord Tyrconnel (lächelnd). Was Sie doch Alles erfahren!

Savage. O ich habe meine Späher überall – (zögernd) sie möchte gern einige von den Gemälden Hogarths in ihrer Galerie besitzen.

Lord Tyrconnel. Vielleicht die Geschichte vom verlornen Sohn –

93 Savage. Nein, ohne Beziehungen! Könnte man dem Maler nicht auftragen, irgend eine seiner nächsten Compositionen meiner Mutter – gleichsam selbst zum Geschenk zu machen – ?

Lord Tyrconnel. Sie wissen, Savage, ich bin zur Erfüllung jedes Ihrer Wünsche bereit. Sprechen Sie mit Hogarth – er ist theuer und mit Arbeit überhäuft, indessen rechnen Sie auf mich! Sie sind doch heut’ auf unserm Ball?

Savage. Ihnen und meinen Freunden zu Lieb’! Sonst muß ich gestehen, daß die Masken für mich etwas Abschreckendes haben. In Italien, wo man immer unter’m freien Himmel lebt, kann man wol einmal ein Bedürfniß fühlen, sich zu vermummen und unkenntlich zu machen, aber bei uns, wo so schon Alles so versteckt ist da noch Masken!

Lord Tyrconnel. Es ist ein nur scheinbarer Zwang, der gerade auf eine anmuthige Freiheit gegründet ist. Die phantastische Tracht, die Unbefangenheit hinter der Brustwehr der Unkenntlichkeit –

Savage. Nun ich werde kommen –

94 Lord Tyrconnel. Sein Sie überhaupt heitrer, mein lieber Freund, – streichen Sie sich die Locken aus der Stirn und stimmen Sie in die Lebenslust mit ein, die Sie hier rings umgibt! Sie müssen den rechten Sinn mitbringen, sonst ist Alles todt und werthlos, was sich vor Ihnen ausbreitet. Ich bin kein Alphons von Ferrara, aber wie ein zweiter Tasso verkümmern Sie mir unter all den Freuden, die ich Ihnen aus dem Füllhorn meiner Theilnahme schütte. Sein Sie heiter diese Nacht, sie wird Ihnen manche Ueberraschung bringen. (Ab.)

Savage (allein). Und Tasso dichtete doch wenigstens sein Jerusalem, als er in der lästigen Atmosphäre dieser Freuden und Ueberraschungen, dieser sogenannten Theilnahme lebte! Es waren heitere Gärten, deren melancholische Schattengänge ihm jene Einsamkeit zauberten, ohne die man nicht Dichter sein kann; holde hohe Frauenbilder lächelten ihn freundlich an und störten sein sinniges Träumen erst, wenn sie mit einem selbstgewundenen Lorbeerkranze kamen und seine still beglückte Dichterstirn bekränzten! Da lagen sanfte Bergeshöhen vor seinen friedlich sich weidenden Blicken, Rebenhügel, silberne Stromgürtel, die sich durch die grünen Fluren schlängelten, und selbst die fürst-95liche Pracht, die ihn umgab, hatte jenen classischen Schmelz griechischer Bildung, jene idealische Schönheit der Formen, die das Erbtheil eines Zeitalters war, in welchem Raphael den Pinsel führte. Aber was bieten sie mir? Lakaien in betreßten, geschmacklosen Livreen, Hundekoppeln, Tausende an der Zahl, wenn ich sie haben will, die prächtigsten Caminvergoldungen, Möbel aus den feinsten Hölzern Südamerikas, Thee, der in den Gärten des Kaisers von China selbst gewachsen ist, Weine und eine Tafel, die fürstlich ist: nichts als die glänzendste Art, sich das Leben bequem zu machen, bequem, einschläfernd, unterhaltend, wie sie’s nennen. Meine Phantasie kann nichts zaubern, da ihr hier Alles geboten wird; mein Gemüth findet keinen dunklen Winkel, da Alles von Lichtern wiederstrahlt; die Muse flattert hier scheu von einem Raum zum andern, und hört nicht mehr, wenn ich ihr rufe. Der Muse kann man nicht wie einem Lakaien klingeln, daß sie erscheint. Und wozu? Miß Ellen hat für mich gesprochen, sie nicht. Ich sitze wie ein Knabe am Bache und lasse ihn durch meine Finger gleiten: Ströme von Gold fließen durch; das einzige Ringlein aber von meiner Mutter – das bleibt aus.

Bedienter (tritt auf). Das Concert wird zu Stande kommen. Ein solcher Italiener! Sollte man’s glauben!

96 Savage. Wollt’ er nicht?

Bedienter. Nein! Hätt’ ihm können zu Füßen fallen, daß er die Lady zur Patronin seines Concertes wählte. Sie wäre aus der Mode, hieß es, alle Künstler hätten ihn vor ihr gewarnt, das Concert würde leer bleiben, wenn sie an der Spitze stände! Erst als ich ihm mit dem Notar garantirte, daß Sie fünf Concerte in London decken würden und zehn im übrigen England, falls ihm der Name der Lady irgendwo schaden würde, entschloß er sich, Ihre Mutter um die Patronage seiner Stimme anzugehen. Er singt vortrefflich!

Savage. Ist gut! (Bedienter ab.) Ich muß die Demüthigungen hintertreiben, die man sie überall empfinden läßt. England soll milder von ihr urtheilen. Ach – mein Unglück hat sich mir fast aus dem Herzen – – Es ist wie eine fixe Idee. Ein Glück noch, daß ich anfange, unentschlossen zu werden und mich oft selbst frage: solltest du dich doch geirrt haben! Während ich die kühnsten Brückenbogen der Hoffnung wölbe, wird ihr Fuß unten von den sich kräuselnden Wellen des Zweifels bespült, so daß ich, was ich mit einer Hand baue, schon mit der andern selbst wieder einreißen muß. Ich pflanze die Bäume und lege selbst die Axt des Zweifels an ihre 97 Wurzel. (Tritt an das offene Fenster.) Wie der Mond sein feuchtes Licht auf die ermüdete Stadt ausgießt! Wie da Häuser und Kirchen so dunkle gespenstische Schatten werfen! Der Abendwind singt mit lindem Wehen die Welt in den Schlummer, der sie Alle gleich und alle Herzen edel und gut macht. Kräht der Hahn der Frühe, so sind sie alle wieder Neider und Verleumder, streiten und belügen sich, zeigen wie wilde Thiere fletschend ihre Zähne und trotzen Gott in’s Angesicht, der sie doch alle nach seinem Bilde geschaffen hat! Die Nacht, die erschreckt sie, der Mond mit seinen Strahlen bindet sie. Sollte man nicht glauben (hinauszeigend), es wäre das eine Welt voll Liebe und Freundschaft, Duldung und zarter Schonung! Wuchset Ihr denn nicht alle auf demselben Baume, seid Ihr nicht die Söhne desselben Apfels, der einst die Sünde in das Paradies und den Schmerz in die Welt brachte? So, so wie Ihr dort schlummert, macht Euch ja einst alle der Tod gleich; warum ist das Leben nun nicht edler als der Tod? Warum Haß? Menschen, bei den schwebenden Sternen dort am Firmamente, bei des Mondes jahrtausendjährigem liebevollen Wächterdienst über die schlummernde Erde, warum hasset Ihr Euch? Warum lächelt Ihr nicht mit holder Liebe, wenn Ihr Euch Einer in des Andern Augenspiegel erblickt, und seid gut, gut, wie der Gott, der Euch geschaffen hat? Heilige Nacht, in Deinen Schatten birgt sich die selige Hoffnung, daß ein Tag kommen muß, wo alle Menschen 98 sich durchschauen wie mit krystallenen Leibern, und jede List, jede Lüge, jede Gewalt auf der Zunge und dem Herzen wie Schaum zerrinnt! Genius des Friedens, komm’, daß ich die heiße Brust an deinem Herzen kühle und sanft hinüberträume in das Land der Todten!

Ballmusik hinter den Vorhängen, die jetzt zurückgezogen werden. Kronenleuchter sieht man auf der verlängerten Bühne, und eine Menge bunt durch einander gehender Masken, welche sich allmälig auch in den Vordergrund begeben. Lord Tyrconnel, selbst maskirt, mit einer Maske in der Hand, begibt sich zu dem am Fenster träumenden Savage.

Lord Tyrconnel. Hier, Savage! Schon sind unsere Gäste in bestem Zuge –

Savage (schmerzlich bitter). Und mühen sich ab, fröhlich zu sein!

Lord Tyrconnel. Träumt nicht, junger Freund; Ihr werdet die besten Bekannten finden. Nehmt die Maske vor! (bindet ihm die Maske an.) Nun (faßt seine Hand) kommt und mischt Euch zu den Andern! (Gehen dem Hintergrunde zu.)

Miß Ellen (zu Savage). Was lasest Du in den Sternen, Maske?

99 Savage (betroffen). Daß Savage nicht würdig ist, Miß Ellens Freund zu heißen. Es ist Eure Stimme, Euer süßer Ton, mit dem Ihr für mich schon Wunder thatet, die ich Undankbarer –

Miß Ellen (freundlich und beziehungsvoll einfallend). Wunder haben meist natürliche Ursachen –

Savage. Aber nie so unnatürliche Folgen wie bei mir! Miß, verzeihen Sie, daß ich Ihren Schritt bei der Königin nicht in jedem Fußtapfen verfolgt und die Blumen meines Dankes darauf gestreut habe. Ach, Sie wissen nur zu gut, daß die Freude über die kühne That, die Sie mir widmen konnten, bei mir mit einer schmerzlich bittern Täuschung verbunden war!

Miß Ellen. Bin ich nicht längst gewohnt, Savage, nur wie ein Wanderer am Wege Ihnen nachzublicken, während Sie auf dem Flügelrosse Ihres Schicksals vorübersprengen? Früher war’s die leichte Art, mit der Sie Männern Ihre Freundschaft schenkten, die Sie mir entführte; jetzt ist es unter den Frauen die Eine, die Sie fesseln konnte.

100 Savage. Hätten Sie je geglaubt, daß die Erfüllung meines einzigen Wunsches auf Erden in so viel bittere Erfahrungen enden würde?

Miß Ellen. Ich hätte nie die stille Sehnsucht, die Sie nach Ihren unbekannten Aeltern trugen, nähren sollen. Was waren Sie ein Kind, wenn Sie von Ihren nächtlichen Träumen anfingen, wenn Ihnen die Mutter erschienen war, wenn Sie kamen und mit fieberhaft rollendem Auge sagten, es wäre Ihnen, als müßten Sie einst noch Ihre gewiß unglückliche Mutter blutig an Ihrem Vater rächen?

Savage. Weil ich nur an dies Eine dachte, was hab’ ich mir da nicht Alles entgehen lassen! Das ist gerade das Fürchterliche unsers Bewußstseins, wenn wir Jahre lang einer Hoffnung nachjagten und sie zuletzt doch in Nichts zerrinnen sehen mußten, daß wir uns dann vorwerfen, was wir in dem eitlen Streben Alles versäumten, wie der Frühling kam und ein anderer und noch ein anderer, und wir nichts hörten von der Nachtigall, nichts empfanden von der Blume, nichts in volleren Zügen aus dem Becher genossen, den uns die Freundschaft entgegenhielt; ach, Miß, um was Alles bin ich betrogen worden.

Miß Ellen. O, Richard, verzweifeln Sie nicht! Sie haben an 101 der Poesie eine Verjüngungsquelle, aus deren urkräftigem Borne Sie sich Alles selber schöpfen und schaffen können, was Ihnen die übrigen Menschen, nach ihrer eignen Schwäche auch Sie beurtheilend, bisher vergebens angeboten haben. Trinken Sie von diesem Quell, und die Welt wird Ihnen in einem neuen Lichte wieder aufgehen!

Savage. Nein, Miß, die Herzen der Menschen schafft man sich nicht. Die verschmähte Freundschaft, die abgewiesene Liebe ist so unwiderruflich wie ein Stelldichein, das man versäumte und das uns nie wieder geboten wird. Mußte sich mir auch in diesem einzigen Gedanken an eine Mutter Alles vereinigen, worin sonst ein Jünglingsherz seine Seligkeit findet! Alles Herrliche im Leben, alle Schönheit der Natur, allen Adel des menschlichen Gemüthes bezog ich auf sie, von ihr aus kam mir erst Licht und Wärme in meine Gefühle, ihr bracht’ ich die Erstlinge meines Daseins, die erlesensten Früchte meiner Einsamkeit, alles Stolze und Gefällige, was doch auch mit der Armuth und dem Elend eines freien Geistes verbunden sein kann, zum Opfer. Es ist hin! Mit dem einzigen Fehler in meiner Rechnung stürzte das ganze Gebäude zusammen.

Miß Ellen (auf den Hintergrund zeigend). Und rechnen Sie das äußere Glück, in dem Sie leben, diese glänzenden Verhältnisse für nichts?

102 Savage (bitter). Sprechen Sie nicht davon, Miß! Ich bin wie eine abgepflückte Blume, über die Einer gekommen ist, sie Blatt für Blatt zu verunzieren. Er wird sie ansehen, sie zu verdorben finden, um noch in ein Glas frischen Wassers gestellt zu werden – er wird sie über den Zaun werfen.

Miß Ellen (seinen Arm fassend, schalkhaft). Kommen Sie! Seien Sie heiter! Ich will Sie erst recht neugierig machen und Ihnen dann recht Vieles erzählen! (Beide mischen sich unter die Uebrigen.)

Lord Tyrconnel und Lord Winchester treten schnell in den Vorgrund.

Lord Winchester. Unser Plan ist vortrefflich gelungen – schon fährt ihr Wagen geradeweges hierher. Berwick ist von ihr zum letzten Male mit diesem Dienste beehrt worden – sie will sich, stellt sich wenigstens so, ganz von der großen Welt zurückziehen –

Lord Tyrconnel. So wird sie uns danken, daß wir ihr heute wenigstens einen Vorwand geben, erzürnt zu scheinen – (hinten hinauszeigend) Sehen Sie da!

103 Lord Winchester. Das ist sie!

Lord Tyrconnel (ihn fortziehend). So kommen Sie! Wir wollen ihr erst später unsere Aufwartung machen!

Lady Macclesfield und Lord Berwick, maskirt, treten vor.

Lady (befremdet). Ich finde, daß sich die Localitäten der Herzogin seltsam verändert haben.

Lord Berwick. Sie hat im Herbst gebaut – es ist weit geräumiger hier geworden – sonst war ihr Salon ein wahrer Engpaß von Thermopylä, wo oft mehr als dreihundert Menschen in Gefahr waren, erdrückt zu werden –

Lady. Auch die Gesellschaft scheint nicht die gewöhnliche zu sein –

Lord Berwick. Unter den Masken ist uns Alles fremd – wenn wir nur erst die Herzogin finden, so werden wir uns schneller orientiren können. (Gehen vorüber.)

104 Steele (als Arlequin mit der Pritsche, schon vorher öfters sichtbar, hier und da Schläge austheilend). Bin auch dabei! Heda! Herr Minister, was währt ein wenig länger als eine Mondfinsterniß?

Maske. Mein Ministerium.

Steele. Nein, – die Ehrlichkeit; denn die währt am längsten. (Zu einer andern Maske.) Herr Sprecher des Parlaments! Warum hat die Freiheit Englands keine Arme?

Maske. Weil sie –

Steele. Weil Ihr sie bei der Nase herumführt. (Zu einer andern Maske.) Mister Wilkins, warum nanntet Ihr Euer Journal: Argus?

Maske. Weil man mit hundert Augen besser sieht, als mit zweien.

Steele. Nein, Mister Wilkins, weil Ihr da neunundneunzig zudrücken könnt und doch noch immer eins offen behaltet, das Geld zu zählen, das Euch Euer leichtes Gewissen einbringt. (Zu einer andern.) Murrkopf! Seid 105 lustig! He, warum wird man nie mit Euch einen Rock nähen?

Maske. Weil –

Steele. Weil geschrieben steht: Kein Kameel geht durch ein Nadelöhr! (Schlägt einen Andern.) Lord Oberrichter von England, warum ist Themis blind?

Maske. Weil –

Steele. Ja weil, weil! – Weil sie durch die Finger sieht. (Zu einer andern Maske.) Herr Handelsminister, wovon sollen die Parzen den Lebensfaden Europa’s spinnen? –

Maske. Von –

Steele. Von englischer Baumwolle – merkt es Euch – und nicht von französischer Seide. (Zu einer andern Maske.) Heda, Herr Obersteuerdirector, wie viel Uhren werden jährlich aus Genf in Dower eingeführt?

Maske. Dreizehntausend.

Steele. Dreizehntausend! Und doch weiß man in England nicht, wieviel es an der Zeit ist! (Zu einer andern Maske.) Ah, Lord Holland, wodurch beweist gerade Ihr, daß Asien die Wiege des Menschengeschlechts ist?

106 Maske. Die Wiege?

Steele. Weil bei der ostindischen Compagnie alle Eure Kinder, Enkel und die noch Ungebornen im Mutterleibe schon eine Anstellung haben! (Zu einer andern Maske.) Heda, Lord Osmond, erst neunzehn Jahre alt und schon Kammerherr! Was kann man von Euerm Kammerherrnschlüssel sagen?

Maske. Daß –

Steele. Daß er keinen Bart hat. (Schlägt auch den mit Miß Ellen am Arm vorübergehenden Savage.) Richard Savage! Welches Holz ist härter als das meiner Pritsche?

Savage (ernst). Der Bettelstab! (Geht vorüber.)

Steele (weich ihm nachblickend). Bist Du bei all dem Glanz so traurig, armer Freund, dann muß ich mich meiner Fröhlichkeit wohl schämen! (Verliert sich unter die Uebrigen.)

Lady Macclesfield, sehr aufgeregt, und Lord Berwick treten vor.

Lady. Ich entdecke nirgends die Herzogin –

107 Lord Berwick. Das Gewühl ist zu groß – sie scheint nicht selbst die Honneurs zu machen –

Lady. Und die Stimmen, die ich höre, sind mir alle so fremd – ich finde nicht eine einzige bekannte heraus –

Lord Tyrconnel tritt hinzu.

Lord Tyrconnel. Schöne Maske, Sie werden hier einen Menschen finden, den Sie zum glücklichsten aller Sterblichen machen können –

Lady (bei Seite). Welche Stimme!

Lord Tyrconnel (zu der Gruppe, die sich um sie herum gebildet hat). Meine Herren und Damen, wie angenehm würden Sie überrascht sein, wüßten Sie, wen uns ein glückliches Ungefähr hinter dieser Maske hier zugeführt hat!

Lady (reißt die Maske ab; mit Stolz und Entrüstung). Welche Scene soll hier gespielt werden? Wer kann ich anders sein, als ich?

(Die Musik hört mit einem schneidenden Septimenaccord auf.)

108 Alle (geben Zeichen des Erstaunens).

Savage (mit freudiger Bestürzung). Meine Mutter!

Lady (laut und bitter auflachend). Das ist dies Gaukelspiel? (Reißt Lord Tyrconnel die Maske ab.) Sie sind es, der das Plagiat am Palast der Herzogin beging? (Lord Berwick nimmt die Maske ab.) Sie bieten zu dem Bubenstück Ihre Hand? (Zu Lord Winchester) Sie weiden sich hohnlachend an seinem Gelingen? (Zu Miß Ellen) Sie sind die empfindelnde Närrin, die ihre Theaterschminke für die Farbe der Tugend ausgibt?

Savage (ihr zu Füßen stürzend). Mutter!

Lady (kalt zurücktretend). Du? – Dir lass’ ich die Larve auf dem Armensündergesicht! Aus Mitleid für die Schaamröthe, die es für diesen schändlichen Verrath überglühen muß.

Lord Tyrconnel (hohnlachend). War er noch nicht so glücklich, mit Ihnen zu tanzen?

109 Lady. Wenn ich je gefühlt habe, daß ich seine Mutter sein könnte, jetzt wär’ es, wo ich das Recht haben möchte, ihm den Fluch einer Mutter zu geben.

Lord Tyrconnel (boshaft). Stehen Sie auf, Savage, Ihre Mutter wird Sie jetzt anerkennen!

Lady. Ja hört es, ihr Alle, und saget’s wieder in London, daß ich an mir selber irr’ geworden, und der Meinung einer ganzen Welt, ich schwaches Weib, nicht mehr zu trotzen wagte! Saget's aber auch, daß in meinem überwundenen Mutterherzen nun nicht mehr die Kälte der Verachtung fröstelt, sondern eine glühende Flamme des Hasses wüthet! Bin ich früher schüchtern, und ach, mit tausend Foltern gequält, geflohen vor der Schuld, mit der man mich brandmarkte, jetzt werd’ ich ihr die Spitze bieten. Jetzt will ich die Gefahren aufsuchen, in die man mich heimlich und tückisch verlockt, will mir das Opfer meines Hasses auf den offnen Markt rufen, mich, seine Mutter nennen, ja, ja, seine Mutter, – um dem Leib zu fluchen, der ihn empfing, der Stunde, die ihn an’s Licht des Tages brachte, dem ganzen Leben, das dieser Elende (überwältigt) dem Unglück eines armen Weibes widmet! (Stürzt hinaus.)

110 Savage (aufstehend und ruhig entschlossen zu Lord Tyrconnel, die Maske abnehmend und vor sich hinwerfend). Mylord, hier die Larve, mit der Sie mich zum Mitschuldigen einer schlechten Mummerei machen wollten! (Nimmt eine goldene Halskette ab und wirft sie ihm zu Füßen.) Hier eine der goldenen Fesseln, aus denen mich diese fürchterliche Stunde erlöst! (Wirft ihm Uhr, Ringe und sonstigen Schmuck, Börse und Papiere hin.) Hier all das Gold, der Flitter, womit Sie mich zum Schreckbilde für ein Weib, das Sie haßten, aufputzten. Hier Ihre Pretiosen, Ringe, hier Ihr Geld, Ihre Bankzettel; hier der Schlüssel, wo Sie Alles finden können, was Ihnen gehört – ich habe mehr Muth, Hungers zu sterben, als von der Gnade eines Mannes zu leben, den ich verachte! Ich kehre in die Armuth zurück, die ich nur verließ, um zu erfahren, daß elend sein, in Kummer sterben eine Seligkeit ist gegen ein Glück, das man mit seiner Ehre erkauft. (Bitter) Gehen Sie zu meiner Mutter, durch ihren Fluch hat sie mich ja nun anerkannt, versöhnen Sie sich mit ihr; (hohnlachend) Ihre Herzen dürften doch wol in keinem so verschiedenen Takte schlagen. Lachen Sie mit ihr über diesen Scherz, lachen Sie mit ihr über die Welt; – über mich, Mylord! (Gepreßt) Ich weiß jetzt, woran ich in der Welt bin, und sehne mich, sehne mich recht nach einer trocknen Rinde Brotes, nach einem Lager von Stroh, nach einem Elend, wo man doch noch 111 immer zum seligsten Trost sich sagen kann: Du bist besser, als Dein Schicksal! Sie, Mylord, wenn Sie diesen Glanz verlieren, können nichts mehr werden; ich aber (stolz und mit Nachdruck) kann wieder werden, was ich war! (Ab.)

Im Fallen des Vorhanges.Miß Ellen. Richard! Steele. Freund, beruhige Dich!

(Allgemeine Bewegung.)

112 Fünfter Aufzug.#

Ein ärmliches Zimmer, dessen Ausgang gleich auf die Straße führt. Neben der Thür ein Fenster, an welchem eine Erhöhung, worauf Toms arbeitet. Vorn links ein alter hoher Lehnsessel.An einem Tische rechts ist Kitty mit dem Zurechtlegen von Wäsche beschäftigt.

Toms. Warte nur, Kitty, bis Lichtmeß, wenn wir die Rechnungen ausziehen, – viel ist es freilich nicht – denn bei Unsereinem sehen sie’s wol, daß es besser ist, gleich zu bezahlen, als anschreiben zu lassen – aber dann sollst Du ein ordentlich Stück Leinen kaufen und die Dutzende wieder voll machen.

Kitty. Ja, lange genug hat’s gehalten. Es war Alles vom besten Faden, was mir die Herrschaften schenkten – nun reißt’s aber auch, daß kein Aufhaltens ist.

Toms. Zwanzig Jahre! ’ne schöne Zeit! Gespart hast Du übrigens schrecklich und zusammengekratzt bei Deinen 113 Fürsten und Prälaten, wo Du Alles gedient hast. – (An’s Fenster sich lehnend.) Sieh da – Gott, da schleicht ja wieder der unglückliche Mensch, von dem sie sagen, es wär’ ihm hier nicht recht richtig –

Kitty. Daß er mir nur nicht wieder herein kommt – sind selbst arm genug –

Toms. Nu, was nimmt er Dir denn weg? Das Bischen Wärme vom Ofen? Die Paar Tropfen Tinte, die wir ihm müssen zusammenschütten, wenn er sich was zu notiren hat? Er soll mir die Rechnungen auf Lichtmeß schreiben. Jesus, es sitzt ihm der leibhafte Tod schon um den Mund, und es ist mir, als hört’ ich’s bis hieher, wie ihm der Magen knurrt –

Kitty. Er soll sich in’s Kirchspiel einschreiben lassen, daß die Reichen für ihn bezahlen – er denkt, es wäre für uns Arme nichts, wenn er des Abends, wo wir aus Sparsamkeit im Dunkeln sitzen, kommt und will ein Licht in die Ecke haben, um sich da was aufzuschreiben; möchte nur wissen, was er den ganzen Tag zu kritzeln hat –

Toms. Und wenn er Männerchen malte, würd’ ich so gottlos grausam gegen einen Menschen nicht sein, dem man 114 blos eine Citrone in die Hand zu geben brauchte und einen Sarg hinzustellen, um den einzigen rechten Wunsch, den er noch zu haben scheint, zu befriedigen. So ein Weib hat den Teufel im Leibe! (Ein Bursche tritt herein.)

Bursche. Kann ich hier nicht erfahren, wo Richard Savage zu sprechen ist?

Toms (der aufgestanden). Kitty, so heißt ja der arme Mensch! Ja, junger Mann, warten Sie doch – da war er ja eben (zum Fenster hinaussehend) noch die Minute! Es ist einzig – ich hab’ ihn noch eben gesehen –

Bursche. Ja, in all den finstern Gassen und hinter den Buden soll ich ihn wol finden! Ich hab’ da einen Brief für ihn ....

Toms (dienstfertig). Wissen Sie was, junger Herr? Master Savage kommt zuweilen –

Kitty. Laß Dich damit nicht ein.

Toms. Ich weiß nicht, was Du willst – (freundlich zu dem 115 Burschen) Lassen Sie nur den Brief hier, ich kenne den Herrn – (mit Selbstgefühl) es ist so gut, als hätten Sie ihm selbst den Brief gegeben –

Bursche. Ich glaube, es hat nicht viel damit auf sich. Mir ganz recht. (Gibt den Brief. Ab.)

Kitty. Es wird ihn Einer mahnen, dem er schuldig ist –

Toms (zum Fenster hinaussehend). Da ist er ja wieder! Wie ihn friert, Gott, kaum ist seine Blöße bedeckt. Er steht still und grübelt über etwas. Die Leute sind ihn schon gewohnt und wundern sich nicht mehr darüber. Was er gen Himmel blickt! Nun will er wieder die Erde durchbohren! Aha, jetzt kommt er pfeilschnell auf uns zu –

Savage (tritt in kahler schwarzer Kleidung schnell, aber fieberhaft in seinem Wesen, herein. Kleine Pause). Eine Feder! einen Streifen Papier, Ihr guten Leute!

Toms (schiebt ihm das Verlangte schnell auf den Schneidertisch am Fenster. Kitty blickt finster hinüber und beobachtet Savage. Dieser schreibt, geht mit dem Geschriebenen schnell in den Vorgrund, überlies’t es und sagt dann, aus überreizter Spannung in Erschöpfung sinkend) Mein Schwanengesang!

116 Toms (führt ihn auf den Lehnsessel). Erholt Euch, Ihr seid erschöpft! Hier ist ein Brief für Euch angekommen.

Savage (greift darnach, erbricht, lies’t und gibt einen einliegenden Zettel an Toms). Nehmt – ein Buchhändler schickt mir für ein Gedicht zwei Pfund; (seufzend und matt) es wird genug sein – mich damit begraben zu lassen.

Toms. O theurer Herr –

Savage. Einfach – ganz klein – ein mäßiger Hügel – – aber wißt (dringend) ein Kreuz dabei – mit recht schwarzen, deutlichen Buchstaben: Richard Savage!

Toms. Ihr werdet leben – erholt Euch – Kitty, eine Erquickung für ihn! (Kitty ab.)

Savage (schüttelt heftig mit Hand und Kopf). Brauche nichts – laßt, laßt – nur Ruhe, Ruhe – geht an Eure Arbeit, lieben Leute; nur Ruhe – arbeitet – ich stör’ Euch nicht – geht, geht! –

117 Toms (geht langsam an seinen Tisch). Ich weiß, Ihr beschäftigt Euch gern mit Euch selbst; wir sind Eure guten Freunde, lieber Herr; es stürmt draußen heftig, gut, daß Ihr bei uns seid. (Arbeitet ruhig fort.)

Savage (für sich). Die Zeit läuft ab – ich sehe den Weiser, wie er immer weiter – weiter – weiter fortschleicht bis an die Zahl, wo das Uhrwerk stockt, alle Räder abgelaufen sind – Lebe wohl, du schöne Erde! Die Himmlischen wollten nicht, daß sie ein Kerker wäre, aus dem man sich zur Freiheit sehnt! Sie gaben ihr das Grün des Feldes, den Gesang der Vögel, die Wärme der Sonne und die Kühle der Gewässer – wir verderben sie uns, wir verpesten sie. Nein der Einzelne kann es gar nicht Alles schaffen, das Weh, das sich zusammenballt und wie eine Lawine uns verschüttet; der Vater hinterläßt es schon dem Sohne und der Sohn dem Enkel – sie arbeiten Alle daran, Alle, Alle, und nur einige Wenige sind es, die über sich die aufsteigenden Dünste zusammenziehen müssen und getroffen werden von den Blitzen, damit die Uebrigen verschont bleiben. (Ironisch) Gut gelebt hab’ ich! Geboren in der Stille, heimlich, mit bösem Gewissen der Aeltern, wie ein Diebstahl begangen wird; geboren so niederträchtig 118 schimpflich, wie ein Sprachfehler, über den man roth wird, wie eine Null, die der Knabe beim Rechnen vorn statt hinten ansetzt; – und erzogen im Schmuz, belogen um meine Herkunft, verrathen bei jedem Bissen Brots, den ich mir durch die knabenhafte gutmüthige Vergeßlichkeit, die ich allen den erlittenen Mißhandlungen entgegenstellen durfte, erbettelte – ich entfliehe, ich schieße in wilder Freiheit zu einem Dichter auf, verständige mich mit meinen Pflegeeltern und entdecke das Geheimniß meiner Geburt. O, wenn leben sich an die Natur und Welt traulich anschmiegen heißt, dann kann ich sagen: drei Tage hab’ ich gelebt! (Stark) Tückisches Schicksal, drei Tage glücklich, und glücklich – über einen Wahn! Seitdem mich dieser zwischen Seligkeit und Verzweiflung hin- und herschleuderte, bin ich Glied für Glied abgestorben. Ich hoffte, Elend und Armuth würden mich heilen, ich floh meine Freunde, um zu gesunden, aber ich verrechnete mich: die Stürme, unter denen ich auf freiem Felde schlief, löschten die Flamme aus, sie ist aus; was noch da ist, ist das letzte Glimmen des verkohlten Dochtes und der Rauch – er wirbelt noch so – bald wird Alles stille sein – stille – so stille – daß ich die Musik der Sphären höre ....

(Man hört draußen einen Wagen vorfahren.)

Toms (von seinem Tische springend). Eine vornehme Karosse –

119 (Bedienter mit Kitty tritt ein.)

Bedienter. Wohnt hier Kitty Smith?

Kitty. Kitty Toms, geborne Kitty Smith?

Bedienter. Die vor fünfundzwanzig Jahren beim Lord Monk diente?

Kitty. Dieselbe – aus St. Albans – in der Grafschaft Kent.

Bedienter. Ganz recht – Ihr müßt es sein. (Ab.)

Toms. Was soll das heißen?

Kitty (neugierig). Kenn’ auch die Livree nicht.

(Lady Macclesfield tritt ein, verschleiert. Sie hält sich während des Folgenden auf der rechten Seite, ohne Savage zu bemerken.)

Lady (zu Kitty, sie heftig bei der Hand fassend und halb vorführend). Ihr seid Kitty Smith. Kanntet Ihr Lady Mason?

120 Savage (richtet den Kopf herüber).

Kitty (zögernd). Ei, Mylady, – die Dame ist längst todt –

Lady. Zögert nicht, Euch auf Alles deutlich zu besinnen, was Ihr von Lady Mason wißt!

Savage (sich aufrichtend und an der Lehne des Stuhles haltend). Die Stimme?

Kitty. Mylady, es ist lange her – fünfundzwanzig Jahre – Lady Mason war eine stolze Frau, und was ich von ihr weiß, ist gerade nicht gemacht, Andern wieder erzählt zu werden.

Savage (sinkt wieder erschöpft in den Sessel zurück).

Lady. Seid ohne Rückhalt, Frau! Ich bin die Tochter der Lady Mason.

Savage (richtet sich, ohne aufzustehen, groß und gespannt nach der Lady zu).

121 Lady. Ihr hattet ein Kind zu nähren, das der Tochter der Lady Mason gehörte ...

Kitty. Den Sohn des Grafen Rivers ....

Savage (immer gespannter und nur durch sein Leiden an lebhafteren Gesten verhindert).

Lady. Was geschah mit ihm? Seid aufrichtig; Himmel und Erde stehen auf Eure Antwort.

Kitty (verlegen). Mylady, ich weiß, daß Ihr Euch aus Haß gegen den treulosen Grafen Rivers ganz von seinem Kinde lossagtet. Ihre Mutter war es, die allein für dessen Schicksal sorgte ....

Lady. Ich weiß es, weiß es – aber lebt das Kind? Hat mich meine Mutter auf ihrem Sterbebette getäuscht, als sie mir sagte, es wäre todt – ?

Savage (richtet sich hoch und gespenstisch auf).

Kitty. Mylady, ich bin eine arme Frau –

122 Lady. Redet, ich meine es gut mit Euch – redet! –

Kitty. Mylady, Ihre Mutter war eine stolze und unternehmende Frau. Sie haßte den Lord Rivers und um ihn ganz von Euch zu trennen, nahm sie mir – Ihr verwirrt mich – ich bin eine arme Frau, Mylady –

Lady (entschieden). Lebt das Kind?

Kitty. Ihre Mutter haßt’ es – Wenn ich kam, mir das Nähr- und Pflegegeld zu holen – mochte sie’s nie auf den Arm nehmen – Sie gab es in die Kost bei einem Schuhmacher – dort wuchs der Knabe auf – entfloh –

Lady (schwindelnd). Gott!

Kitty. Seine Pflegeeltern starben und der junge Richard fand die Papiere – Rechnungen – Taufschein – Lady Mason mochte das Kind nicht und verschwieg – Ihnen – wol – wie es in Wahrheit sich verhält – ich schwör’s beim heiligen Evangelium!

123 Lady (vorstürzend und wie vernichtet). Es war doch mein Sohn!

Savage (zusammenbrechend). Erlösung – Licht – Freiheit –

Toms (herbeieilend). Was ist Euch? Barmherzigkeit! Er stirbt!

Lady (Savage erblickend). Was – was seh’ ich – täuscht mich – täuscht mich mein Auge – (mit höchstem Schmerz) Herr des Himmels!

(Die hintere Thür wird schnell geöffnet. Steele und Miß Ellen treten ein.)

Steele. Heda, Ihr Leute! Kennt Ihr nicht Richard Savage?

Miß Ellen (stark). Allmächtiger Gott! Er ist todt. (Stürzt vor dem sterbenden Savage nieder.)

Steele (bewegt). Mein Freund, mein Savage – wir kommen, Dir die Palme des Sieges zu bringen, und müssen sie Dir 124 auf Dein Grab legen! (die Lady erblickend) Mylady? welcher schadenfrohe Dämon führte Sie hierher um das Opfer Ihres stolzen Herzens verbluten zu sehen? Hat Ihnen der Tod den Sohn zuführen müssen, den die Mutter im Leben floh? Mylady, die Ansprüche Ihres Sohnes wurden von mir auf die Tafel des Parlamentes niedergelegt. Ich vertheidigte sie vor den Schranken des Unterhauses; die betreffenden Papiere sind untersucht und einstimmig wurde die Echtheit derselben von den Vertretern der Nation anerkannt.

Lady (sich aus ihrer Vernichtung sammelnd, würdevoll und sanft). Erst als mich Richard Savage floh, da sucht’ ich ihn auf. Als die Welt über ihn verstummte, fing in meinem Herzen eine Stimme für ihn zu reden an. Ich hatte den Schwur meiner Mutter, daß er todt war. Von tausendfachen Leiden meiner Jugend war mein Geist nicht gebeugt, sondern trotziger und starrer geworden, als ihn mir die Natur und die Erziehung schon gegeben hatten. Ich fliehe gern eine Welt, die mich so fürchterlich haßt, und verhänge über mich selbst die Strafe einer ewigen Verbannung aus England. In der Einsamkeit ferner Länder (auf Savage blickend) wird sein Genius mich umschweben; (überwältigt) nein, nein, ich verdien’ es nicht; ich hab’ ihm das Leben, ich hab’ ihm den Tod gegeben –

125 Savage (hebt krampfhaft seine Hand empor, um sie ihr zu reichen).

Lady (auf ihn zustürzend und sie ergreifend). Er vergibt mir! Mein Sohn! (Savage stirbt.) Mußtest Du sterben in dem Augenblick, da mein starres Gemüth sich erweicht und ich Dich lieben konnte! (Pause; sammelt und erhebt sich.) Bestattet meinen Sohn in der Gruft meiner Väter – und lasset – zu seinen Füßen(nachdrucksvoll) zu seinen Füßen – eine Stelle leer – für mich – die Mutter – die bald – bald ihm folgen wird! (Will mit schwankenden Schritten ab, sinkt aber, überwältigt bei ihrem Sohn nieder.)

Steele (legt segnend die Hände auf sie). Zeiten und Sitten, seht hier eure Opfer! O spränge doch die Fessel jedes Vorurtheils, daß stets die Herzen mit dem vollen Athemzuge der Brust zu schlagen wagten und im Getümmel der Welt mit ihrer kalten Bildung und ihren sklavischen Gesetzen nicht auch die Stimme der Natur versagen müßte! Glaubt dem Gott, der aus eurem Innern spricht! Denn selbst der Irrthum in der Liebe wäre doch immer besser, als im Hasse die Wahrheit!

Apparat#

Bearbeitung: Susanne Hesse, Halle; Juliane Parthier, London#

1. Textüberlieferung#

1.1. Handschriften#
1.1.1. Übersicht#

Es sind keine handschriftlichen Überlieferungsträger bekannt.

1.2. Drucke#

Die Uraufführung von Richard Savage - Gutzkows erstem auf der Bühne gespielten Stück, mit dem ihm der Durchbruch zum Dramatiker gelang - fand am 15. Juli 1839 in Frankfurt/M. statt. In seiner ersten Spielzeit 1839 bot das Trauerspiel einen anderen fünften Akt als die späteren gedruckten Auflagen. Nur der Manuskriptdruck vom Frühjahr 1839 enthält die Originalversion, in der Savage sich irrtümlich für den unehelichen Sohn einer Dame aus der Hocharistokratie hält. Für den Titel des Manuskriptdrucks wählte Gutzkow das Pseudonym ,Leonhard Falk‘, da sein Name seit dem Beschluss des Bundestages gegen das Junge Deutschland bei den Hofbühnen hätte Anstoß erregen können. Das Stück wurde anonym uraufgeführt.

Nachdem Gutzkow den fünften Akt 1840 umgearbeitet hatte, veröffentlichte er das Stück unter seinem Namen. Die Änderung bestand darin, dass Savage sich tatsächlich als Kind der Lady Macclesfield herausstellt. Diese Version behielt Gutzkow für alle Drucke bei, von dem im „Taschenbuch dramatischer Originalien“ (1841) bis zu dem in der letzten Auflage der Dramatischen Werke (1872).

M Leonhard Falk [d.i. Karl Gutzkow]: Richard Savage. Oder: Der Sohn einer Mutter. Trauerspiel in fünf Aufzügen. (Als Manuscript gedruckt.) o.O. u. o.J. [1839]. IV, 1 Bl., 97 S. 8°. (Rasch 6.39.1)
J Karl Gutzkow: Richard Savage. Oder: Der Sohn einer Mutter. Trauerspiel in fünf Aufzügen. In: Taschenbuch dramatischer Originalien. Hg. von Franckh. Jg. 5. Leipzig: Brockhaus, 1841. S. 279-374. (Rasch 4.41.2)
B1 Richard Savage. Oder: Der Sohn einer Mutter. Trauerspiel in fünf Aufzügen. In: Karl Gutzkow: Dramatische Werke. Bd. 1. Leipzig: Weber, 1842. S. 1-126. (Rasch 1.1.1.1)
B1a Richard Savage. In: Karl Gutzkow: Dramatische Werke. 2. verm. u. verb. Aufl. Bd. 1. Leipzig: Lorck, 1845. S. 1-122. (Rasch 1.1.1a.3)
B1b Richard Savage. Oder: Der Sohn einer Mutter. Trauerspiel in fünf Aufzügen. 3. Aufl. In: Karl Gutzkow: Dramatische Werke. Bd. 1. Abth. 1. Leipzig: Brockhaus, 1850. (Rasch 1.1.1.1b)
B2 Richard Savage. Oder: Der Sohn einer Mutter. Trauerspiel in fünf Aufzügen. 4. Aufl. In: Karl Gutzkow: Dramatische Werke. Vollständige neu umgearbeitete Ausgabe. Bdchn. 7. Leipzig: Brockhaus, 1862. (Rasch 1.3.7)
B3 Richard Savage. Oder: Der Sohn einer Mutter. Trauerspiel in fünf Aufzügen. 5. Aufl. In: Karl Gutzkow: Dramatische Werke. Dritte, vermehrte und neu durchgesehene Gesammtausgabe. Bdchn. 11. Jena: Costenoble, 1872. (Rasch 1.4.11)

2. Textdarbietung#

2.1. Edierter Text#

B1. Der Text folgt in Orthographie und Interpunktion unverändert dem Erstdruck. Textsperrungen werden übernommen. Silbentrennstriche (=) werden durch - wiedergegeben. Die Seitenzählung wird mit Klammern [ ] an den betreffenden Stellen in den Text eingefügt.

Die Liste der Texteingriffe nennt die von den Herausgebern berichtigten Druckfehler. Fehlende oder überzählige Spatien im Erstdruck wurden stillschweigend korrigiert. Sprechernamen vor Figurenreden, in B1 durch Fettungen kenntlich gemacht, werden in Kapitälchen wiedergegeben.

Die Seiten-/Zeilenangaben im Apparat beziehen sich auf die Druckausgabe des Dramas im Band: Dramatische Werke. Hg. von Susanne Schütz und Claudia Volland. Münster: Oktober Verlag, 2009. (= Gutzkows Werke und Briefe. Abt. II: Dramatische Werke, Bd. 2.)

2.1.1. Texteingriffe#

7,28 Ihr ihr

15,17 er). er)

28,4 Sie, Sie berichtigt nach B1b

33,32 das daß

34,30 Bilder, Bilder ausgefallenes Satzzeichen am Zeilenende

67,24 ihre Ihre

Errata#

Zur Buchausgabe (GWB II, Bd. 2) sind folgende Textkorrekturen zu vermerken:

9,16 wurde - Lies: wurde.

33,16 Lady Macclesfield Lies: Lady Macclesfield

36, in V. 1 Weibliche Stimme (Miß Ellen) ] Lies: Weibliche Stimme (Miß Ellen)

36, vor V. 3 Weibliche (Miß Ellen) ] Lies: Weibliche (Miß Ellen)

47,21 dir Lies: Dir

60,32 Art Lies: Axt

72,11 Toms. (führt ] Lies: Toms (führt

Folgende Korrektur ist in Bezug auf Texteingriffe zu vermerken:

67,24 Ihre Hier hätte ein Eingriff erfolgen müssen; siehe Liste der Texteingriffe.

Presskorrekturen#

Ein in Privatbesitz in Exeter befindliches Exemplar von B1 enthält Fehler, die auf Korrekturen während des Druckvorganges schließen lassen:

46,24 dem glühenden B1 EXE: demglühenden

71,25 ganz B1 EXE: gvnz

73,21 verständige B1 EXE: ver ständige

75,16 Euch B1 EXE: uch ausgefallene Letter

Kommentar#

Der wissenschaftliche Kommentar wird hier zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht.