Deutsche Holzschnitte#
Metadaten#
- Herausgeber
- Christine Haug
- Ute Schneider
- Fassung
- 1.0
- Letzte Bearbeitung
- 07.2013
Text#
447 Deutsche Holzschnitte.#
Ein stattlicher Band der „Münchener Hauschronik“ liegt vor uns. Diese Monatsschrift geht aus dem Atelier der bekannten „Fliegenden Blätter“ in München hervor und bringt in jedem Hefte eine Anzahl Holzschnitte, deren Charakter wol verdient, eine besondere Betrachtung zu veranlassen.
Von den ersten Proben der neuen Holzschneidekunst, deren Pflege und Ausbildung wir vorzugsweise Gubitz in Berlin verdanken, kann man einen eigentlichen besondern Charakter nicht angeben. Bald schnitten Gubitz und seine Schüler für praktische Zwecke, Verzierungen des Buchdrucks u. dergl., und dabei ziemlich flüchtig und steifen Ausdrucks, bald sammelte sich dieser vielgewandte Mann zu einzelnen höherstehenden Leistungen, die sich durch Sauberkeit der Ausführung und Kraft des Ausdrucks sehr vortheilhaft auszeichneten. Sein Volkskalender hat manchen trefflichen Schnitt gebracht. Seither ist die Holzschneidekunst zum Besten illustrirter Werke eine Lieblingstechnik des Tags geworden. Wir haben in Leipzig, München, Dresden Ateliers, die im Auftrage von Buch- und Kunsthändlern vollauf zu thun haben. Es ist bemerkenswerth, daß sich jede dieser Kunstwerkstätten einen eigenthümlichen Charakter ihrer Leistungen zu wahren wußte. Epochemachend auf diesem Gebiete war die „Illustrirte Zeitung“. Sie brachte nicht nur fremde Holzschnitte, die als 448 Vorbilder dienen konnten, sondern drückte auch den heimischen Leistungen durch den flüchtigen Zeitungszweck vorzugsweise den französischen Charakter auf. Für das vielbeschäftigte Atelier Kretzschmar’s ist auch diese vorzugsweise französische Art das Hauptmerkmal geblieben. Kretzschmar schneidet und läßt schneiden ganz im Geiste der französischen illustrirten Prachtwerke, des „Gil-Blas“, des „Don Quixote“, der Revolutions- und Napoleonsgeschichten. Daß es der deutsche Fleiß und Ernst auf diesem Gebiete trotz der Nachahmung doch immer zu eigenem Werthe bringt, beweisen die Ausführungen der Zeichnungen des humoristischen Malers und Touristen Löffler und die vielleicht zu minutiösen und schon in den Stahlstichausdruck übergehenden Arbeiten Georgy’s, besonders aber das große Kretzschmar’sche Bild: Gustav Adolf’s Tod, eine Platte, die den Eindruck eines Kupferstichs macht, wenn auch die außerordentliche Gediegenheit der Absicht durch die mangelnde Weiche des Tons, die einmal aus dem Holze nicht herausgebracht werden kann, nicht ganz belohnt wird.
Gegen die französirenden Holzschnitte Leipzigs und Berlins brachte Dresden und München Reaction. Der „Illustrirten Zeitung“ stellten sich die „Fliegenden Blätter“ gegenüber. Die Herren Braun und Schneider in München lehnten sich an die frische Nachhülfe der dortigen Künstlerwelt und brachten in ihren ersten Jahrgängen wahrhaft Ausgezeichnetes an Beweisen, welch ein Humor, welche poetische Schalkhaftigkeit und Sinnigkeit in dem deutschen Künstlergemüthe walten kann. Die oft wie in der beiläufigsten Laune nur hingeworfenen Skizzen der münchener Künstler bedingten eine eigene Behandlungsart der Holzstöcke. Auch hier entwickelte sich eine leichte Manier der raschen Handhabung, aber im Jagd-, Städte-, Dorfleben, in Costüm- und Sittenbildern aller Art fehlte hier nie die Nachhülfe der achtbarsten Künstlerhand. Leider müssen wir bekennen, daß auch da zuletzt eine Stereotype eingetreten. Es ist eine auffallende Einerleiheit in den neuern Leistungen von Braun und Schneider allzu sichtbar geworden. Es sind die romantischen Ablagerungen der Volksbücherpoesie, die durch Guido Görres, Pocci und eine Menge anderer in Süddeutschland dichtender Poeten eine etwas langweilige Monotonie erzeugt haben, aus der sich die rüstigen Unternehmer zu befreien suchen sollten. Dies stete Wiederholen von Abenteuern, Sagen, Mären, Schwänken, dies fortgesetzte Colorit der mittelalterlichen Städte, diese Abschilderungen von eulenspiegelhaften Dorfsitten, von Ritterschwänken und Fräuleinfahrten und wie die ganze Welt der altdeutschen Schnurre sich sonst bezeichnen läßt, wird zuletzt auch im stärksten Grade Zopf, und in der That kann man nicht sagen, daß der ganz in diesem Geiste gehaltene Inhalt und die xylographische Ausschmückung der „Hauschronik“ irgend besondere Freude gewährt.
Endlich wäre noch die dresdener Xylographie zu erwähnen, die noch weiter zurück- und zuweilen fehlgegriffen hat, was die Art und den Charakter des Holzschnitts anlangt, aber entschieden den Vorsprung gewann, was die freie künstlerische Behandlung und das Anschmiegen an die künstlerische Absicht betrifft. Als das Extrem dieser Richtung müssen wir die Holzschnitte des Rethel’schen Todtentanzes bezeichnen. Hier ist die alte Holzschneidemanier aus dem „Theuerdank“ und „Weißkunig“, die grobkräftige Art Wohlgemuth’s und Manuel’s so nachgeahmt, daß wir bei Betrachtung solcher Leistungen mehr antiquarisch und sogar tendenziös als behaglich uns angemuthet fühlen. Wenn manches noch jetzt aus dresdener Ateliers Kommende an diese antiquarische Art der Holzschneidekunst erinnert und uns zuweilen auch durch allzu lichte, allzu hell und schattenlos gehaltene Behandlung der Stöcke kein rechtes Wohlgefallen abgewinnt, so mögen die Aufgaben der Besteller Schuld daran sein; Märchen, biblische Darstellungen, artistische Tendenzen der Vorzeichner bringen solche marklose Töne und Tinten von selbst mit sich. Ganz besonders wohlthuend aber ist die Art, wie sich der reiche und unerschöpflich scheinende poetische Genius Ludwig Richter’s den Holzschnitt ganz nach seinem Wunsch und Bedürfniß unterthan gemacht hat. Da schmiegt sich Absicht und Ausführung so innig aneinander, daß man an der Holzschnittbehandlung keinerlei Manier oder specielle Extraabsicht merkt; Zeichnung und Holzschnitt sind Eins. Und darin möchte denn auch die eigentliche Aufgabe der Xylographie unserer Tage überhaupt liegen, daß sie nichts Apartes für sich sein darf, sondern nur die rascheste Ausführung des erfindenden Künstlercrayons. Will sie mehr sein, will sie mit Stahlstich oder Lithographie wetteifern, so verfällt sie entweder in Unzulänglichkeit und ins Bedeutungslose oder, wie man Beispiele genug dafür aufführen könnte, ins Gesuchte und die Manier.
Apparat#
Bearbeitung: Christine Haug, München; Ute Schneider, Mainz#
1. Textüberlieferung#
1.1. Handschriften#
1.1.1. Übersicht#
Es sind keine handschriftlichen Überlieferungsträger bekannt.
1.2. Drucke#
2. Textdarbietung#
2.1. Edierter Text#
J. Der Text folgt in Orthographie und Interpunktion unverändert dem Erstdruck. Textsperrungen werden übernommen. Silbentrennstriche (=) werden durch - wiedergegeben. Die Seitenzählung wird mit Klammern [ ] an den betreffenden Stellen in den Text eingefügt. Fehlende oder überzählige Spatien im Erstdruck wurden stillschweigend korrigiert.
Die Seiten-/Zeilenangaben im Apparat beziehen sich auf die Druckausgabe des Beitrags im Band: Schriften zum Buchhandel und zur literarischen Praxis. Hg. von Christine Haug u. Ute Schneider. Münster: Oktober Verlag, 2013. (= Gutzkows Werke und Briefe. Abt. IV: Schriften zur Literatur und zum Theater, Bd. 7.)
Kommentierung#
Der wissenschaftliche Apparat wird hier zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht.