Wir stellen die Gutzkow Gesamtausgabe zur Zeit auf neue technische Beine. Es kann an einzelnen Stellen noch zu kleinen Problemen kommen.

Eine neue deutsche Original-Roman-Bibliothek#

Metadaten#

Herausgeber
  1. Christine Haug
  2. Ute Schneider
Fassung
1.0
Letzte Bearbeitung
07.2013

Text#

112 Eine neue deutsche Original-Roman-Bibliothek.#

Mit Vergnügen wird man hören, daß die in Frankfurt am Main (bei Meidinger Sohn und Comp.) erscheinende "Deutsche Bibliothek", eine Sammlung neuer Original-Romane, den günstigsten Fortgang gewinnt. Die Herausgeber haben diese Sammlung, deren vorzugsweise Absicht Wohlfeilheit des Preises ist, in der Erwartung begründet, durch eine neue buchhändlerische Handhabung würde man mit der Zeit im Stande sein, den Uebersetzungsfabriken die Spitze zu bieten. Tritt man in die Leihbibliothek einer kleinen Stadt, so wird man bekanntlich alle Bücherbreter nur mit Alexander Dumas, Eugène Sue, Paul Féval u. s. w. (höchstens noch mit Spindler, Frederike Bremer und einigen andern unvermeidlichen Namen) besetzt finden, größtentheils einem Lesestoff, der in Stuttgart und Grimma nach der Elle verkauft wird. Für zwanzig Thaler ist eine ganze Wand mit französischen und englischen Romanen bedeckt. Die natürliche Folge einer so leichten Befriedigung der deutschen Leselust ist die Schwierigkeit, mit der sich der deutsche Originalroman Bahn bricht. Da jene Leihbibliotheken durch billiges Geld Lesestoff die Hülle und Fülle anbieten können, so ist der Absatz deutscher Originalromane in der Lage, sich vertheuern zu müssen, um nur wenigstens durch die Abnahme, die er in etwa 3-400 guten und wohlassortirten deutschen Leihbibliotheken findet, sich in seinen Herstellungskosten zu decken.

In Frankfurt hat man nun den Versuch gemacht, mit dem Uebersetzungsfabrikwesen in Concurrenz zu treten und Romane beliebter deutscher Erzähler, wie Th. Mügge, H. Koenig, O. Müller u. s. w., zu einem beispiellos billigen Preise erscheinen zu lassen. Ein neuer Roman von Mügge, "Afraja", der die Sammlung eröffnet, würde nach früherer Erscheinungsweise, weitläufig gedruckt, drei Bände ausgemacht haben und um den Preis von 5 Thalern verkauft worden sein. In dieser frankfurter Ausgabe kostet er 1 Thlr. 5 Ngr. Die natürliche Folge ist ein außerordentlicher Absatz. Nicht nur Privatpersonen können sich um ein Billiges eine Familienbibliothek gediegener Romanlectüre anlegen, sondern auch die kleinen Leihbibliotheken (große und kleine Leseinstitute dieser Art mögen wir, so weit die deutsche Zunge geht, leicht 1500 zählen) kommen beim Anblick eines neuen Romans in drei Bänden à 1 Thlr. 20 Ngr. nicht mehr in die Nothwendigkeit, diese Erscheinung unberücksichtigt vorübergehen zu lassen. Sie werden nicht mehr auf Preisherabsetzung, auf "Verlangtwerden" und ähnliche Veranlassungen des Ankaufs warten; ihr Budget reicht aus, neben Dumas, Féval, Ferry u. s. w. auch Mügge, Koenig, O. Müller u. s. w. gleich bei ihrem ersten Erscheinen aufzustellen.

Wenn Otto Müller (unsere Leser kennen sein gefälliges Erzählungstalent aus der kleinen Skizze: "Pastor Götze und der Hauptmann von Kapernaum", in Bd. I, Nr. 46 und 47 unserer "Unterhaltungen") die Bürgschaft bietet, daß sich in die "Deutsche Bibliothek" nicht schwache Befähigungen oder überlebte Namen eindrängen, so werden sich die guten Erfolge dieses Unternehmens noch auf lange Zeit gleichbleiben. Unsere Dichter können dann noch öfter, als dies nur einzelnen seltenen Ausnahmen begegnet ist, erkennen lernen, wie glücklich sie gestellt sind, für eine Nation zu schreiben, die so groß und größer ist als die Räumlichkeit, die sie bewohnt. Im fernsten Polen und Ungarn, in Schweden, Dänemark, in England und Amerika gibt es Freunde unserer Literatur und Bekenner unserer Sprache. Wie wir getrennt sein mögen in Sitten und Meinungen, in unsern Büchern begegnen wir uns. Einsame Landsitze, kleine Städte, Existenzen verborgenster Art gibt es in Deutschland genug, die allein, um sich mit der Zeit im Zusammenhang zu erhalten, auf die Welt der Bücher angewiesen sind. Auch diesen sei die neue frankfurter Unterhaltungsbibliothek hiermit aufs beste empfohlen!

Apparat#

Bearbeitung: Christine Haug, München; Ute Schneider, Mainz#

1. Textüberlieferung#

1.1. Handschriften#
1.1.1. Übersicht#

Es sind keine handschriftlichen Überlieferungsträger bekannt.

1.2. Drucke#
J [Anon.:] Eine neue deutsche Original-Roman-Bibliothek. In: Unterhaltungen am häuslichen Herd. Leipzig. Bd. 2, Nr. 7, [12. November] 1853, S. 112. (Rasch 3.53.11.12.2)

2. Textdarbietung#

2.1. Edierter Text#

J. Der Text folgt in Orthographie und Interpunktion unverändert dem Erstdruck. Textsperrungen werden übernommen. Silbentrennstriche (=) werden durch - wiedergegeben. Die Seitenzählung wird mit Klammern [ ] an den betreffenden Stellen in den Text eingefügt. Fehlende oder überzählige Spatien im Erstdruck wurden stillschweigend korrigiert.

Die Seiten-/Zeilenangaben im Apparat beziehen sich auf die Druckausgabe des Beitrags im Band: Schriften zum Buchhandel und zur literarischen Praxis. Hg. von Christine Haug u. Ute Schneider. Münster: Oktober Verlag, 2013. (= Gutzkows Werke und Briefe. Abt. IV: Schriften zur Literatur und zum Theater, Bd. 7.)

Errata#

Zur Buchausgabe (GWB IV, Bd. 7) ist folgende Textkorrektur zu vermerken:

113,12 und 113,18 Rgr. lies: Ngr.

Kommentierung#

Der wissenschaftliche Apparat wird hier zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht.