Der B. F. Voigt’sche Verlag in Weimar#
Metadaten#
- Herausgeber
- Christine Haug
- Ute Schneider
- Fassung
- 1.0
- Letzte Bearbeitung
- 07.2013
Text#
1033 Der B. F. Voigt’sche Verlag in Weimar.#
Eine Geschichte des deutschen Buchhandels fehlt uns noch. Sie könnte ein interessanter Beitrag sowol zu unserer Literatur- als zur Cultur- und politischen Geschichte werden. Aufopferung, Charakter und Gesinnung würden in einer solchen Darstellung der Schicksale ausgezeichneter Verleger ebenso ihre Stelle finden wie das bare Gegentheil derselben. Zum Glück liefert wenigstens nicht mehr das Kapitel des Nachdrucks Beispiele der Gesinnungslosigkeit, des Neides und der hämischen Schadenfreude.
Eine charakteristische Eigenschaft des deutschen Buchhandels ist die Specialität. Einzelne Buchhandlungen haben Generationen hindurch immer nur eine und dieselbe Gattung von Schriften verlegt. So die obengenannte Handlung. Als noch der Begründer derselben, Bernhard Friedrich Voigt, aus dem Herzen Thüringens, dem schönen Ilmenau, seine Verlagsartikel in die deutschen Lande auf jedem Wege, mit dem Postwagen und mit der Karre des Hausirers, schickte, hatte sich der anschlags- und erfindungsreiche Kopf die Bedürfnisse des gewerbtreibenden Volks als sein literarisches Merkziel gestellt und den jetzt bis auf 255 Bände gediehenen "Schauplatz der Künste und Handwerke" begründet. Von einfachen, auf grauem Papier gedruckten Handbüchern stieg die Vervollkommnung nach innen und nach außen. Die Fortschritte der Wissenschaften durften nicht unberücksichtigt bleiben und manches dieser Handbücher hat sich weit über die Sphäre der nächsten praktischen Brauchbarkeit bis zu wissenschaftlicher Bedeutung erhoben, z. B. im Berg- und Hüttenfach. Die Handbücher der Färberei, des Lackirens, des Ziegelbrennens, der Schlosserkunst, der Sattlerei, des Brunnenbohrens, der Kunsttischlerei erlebten fünfte, sechste Auflagen. Selbstverständlich mußte sich die Richtung dieser großartigen Encyklopädie mit der Zeit vorzugsweise dem Maschinenwesen zuwenden, dem denn auch eine reiche Anzahl von Bänden gewidmet ist.
Wie diese Verlagsartikel sich auch äußerlich sämmtlich ähnlich sehen, so wurde bei Erweiterung der technologischen Bestimmung der Verlagsartikel auch innerlich immer eine gewisse Verwandtschaft der Materien eingehalten. Eine solche machte sich zuletzt zur Nothwendigkeit, da die unermeßliche Fülle der Bücherproduction manchen Artikel nicht unter günstigen Verhältnissen heraustreten läßt, wenn er in einem Verlage erscheint, der seinerseits einen zu bestimmt ausgeprägten Charakter trägt und dies und jenes Werk als bei einem solchen Verleger gar nicht üblich erscheinen läßt.
Das Gemeinnützige ist der durchgehende Charakterzug dieser Voigt’schen Verlagsartikel. Auch das Volksthümliche sowol auf dem politischen wie religiösen Gebiet, auch in neuester Zeit manches, was einer Lieblingsneigung des Tags entspricht, aus dem Gebiet der Nachtseiten der Natur. So liegen jetzt Schriften vor über die Ruthengänger, Wahrsagungskunst aus der Hand, sogar eine "Naturgeschichte der Gespenster, von Carus Sterne", mit 117 in den Text eingedruckten Holzschnitten. Der Verfasser läßt die Gespenster als schreckhafte Naturerscheinungen gelten, erklärt sie jedoch nach natürlichen Ursachen und gibt auch eine Anleitung, Gespenster hervorzurufen, d. h. in unschuldigster Weise zu zaubern. Eine gänzlich die Reize des Schauerlichen ins Nichts verweisende Darstellung würde sich für ein auf ein größeres Publikum berechnetes Buch nicht als praktisch erwiesen haben und so hat denn auch der Verfasser in der Menschennatur und ihren krankhaften Zuständen noch genug Reste geheimnißvoller Momente gelassen, die das Gespenstische nicht ganz in optische und physikalische Experimente auflösen. Klar, gesund und nur allein der Aufklärung dienend müssen die Artikel eines solchen Verlags sein, zumal, wenn ihr nächster Wirkungskreis in einem Lande liegt, das, wie Thüringen, für lichtscheue Richtungen keine Stätte bietet.
Apparat#
Bearbeitung: Christine Haug, München; Ute Schneider, Mainz#
1. Textüberlieferung#
1.1. Handschriften#
1.1.1. Übersicht#
Es sind keine handschriftlichen Überlieferungsträger bekannt.
1.2. Drucke#
2. Textdarbietung#
2.1. Edierter Text#
J. Der Text folgt in Orthographie und Interpunktion unverändert dem Erstdruck. Textsperrungen werden übernommen. Silbentrennstriche (=) werden durch - wiedergegeben. Die Seitenzählung wird mit Klammern [ ] an den betreffenden Stellen in den Text eingefügt. Fehlende oder überzählige Spatien im Erstdruck wurden stillschweigend korrigiert.
Die Seiten-/Zeilenangaben im Apparat beziehen sich auf die Druckausgabe des Beitrags im Band: Schriften zum Buchhandel und zur literarischen Praxis. Hg. von Christine Haug u. Ute Schneider. Münster: Oktober Verlag, 2013. (= Gutzkows Werke und Briefe. Abt. IV: Schriften zur Literatur und zum Theater, Bd. 7.)
Errata#
Zur Buchausgabe (GWB IV, B. 7) sind folgende Textkorrekturen zu vermerken:
108,31 Literatur lies: Literatur-
109,14 Hausirers lies: Hausirers,
110,16 herbeizurufen lies: hervorzurufen
Kommentierung#
Der wissenschaftliche Apparat wird hier zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht.