Wir stellen die Gutzkow Gesamtausgabe zur Zeit auf neue technische Beine. Es kann an einzelnen Stellen noch zu kleinen Problemen kommen.

Mundt, Theodor#

Metadaten#

Autor
  1. Wolfgang Rasch
Fassung
1.1: Ergaenzungen
Letzte Bearbeitung
07.07.2023

Text#

Mundt, Theodor #

geb. 19. September 1808 (Potsdam), gest. 30. November 1861 (Berlin); Schriftsteller, Dozent, Journalist, Bibliothekar; gehörte zu den fünf im Beschluss des Deutschen Bundestages vom 10. Dezember 1835 namentlich aufgeführten verfemten jungdeutschen Autoren.

Bilder Gutzkows Zeitgenossen

Allgemeines#

Mundt, Sohn eines preußischen Kammerregistrators (Rechnungsbeamten), besuchte gemeinsam mit seinem langjährigen Freund Ferdinand Gustav Kühne in Berlin das Joachimsthalsche Gymnasium und von 1825 bis 1828 die Berliner Universität, wo er zunächst Jura, dann Philosophie und Philologie studierte. Mundt debütierte 1826 – ebenso wie Gutzkow drei Jahre später – in Saphirs Zeitschrift „Berliner Schnellpost für Literatur, Theater und Geselligkeit“ mit Novellen und kleinen Prosaarbeiten. 1828 ging er nach Halle und wurde 1830 in Erlangen promoviert.

Zu Beginn der 1830er Jahre lebte Mundt eine Zeitlang als Mitarbeiter der „Blätter für literarische Unterhaltung“ in Leipzig. Seit 1831 hatte er aber in Berlin (Friedrichstraße 72) wieder eine Adresse und zog etwa 1835 in die Neue Schönhauserstraße (Nähe Münzstraße). In Berlin gab er 1835 die Zeitschrift „Literarischer Zodiakus“ und 1836/37 mit preußischer Zensur die Zeitschrift „Dioskuren“ heraus.

Mundt erfreute sich – ähnlich wie Laube – der besonderen Protektion Varnhagens und des Fürsten Pückler. Engen und freundschaftlichen Kontakt pflegte Mundt auch zu Charlotte Stieglitz, deren Nachlass er nach ihrem Suizid sammelte und 1835 anonym veröffentlichte. Machten seine kritischen Zeitschriftenbeiträge und sein Buch über Charlotte Stieglitz deutlich, dass er zur jungen, oppositionellen Literaturbewegung gehöre, so wurde dieser Eindruck durch seine beiden (in literarischen Kreisen Aufsehen erregenden) Bücher „Moderne Lebenswirren. Briefe und Zeitabenteuer eines Salzschreibers“ (1834) und „Madonna. Unterhaltungen mit einer Heiligen“ bekräftigt. Sie weisen Mundt als prononcierten Vertreter einer auf politischen Fortschritt, auf Veränderung und Reform gesellschaftlichen Lebens hin orientierten Repräsentanten moderner Literatur aus. Mundt prägte dafür das Wort „Bewegungsliteratur“.

In Berlin bemühte sich Mundt intensiv um eine Professur an der Universität. Sein Habilitationsverfahren wurde 1835 nach Erscheinen seines Romans „Madonna“ und Intrigen des damaligen Universitätsrektors, Heinrich (Henrik) Steffens, abgebrochen. Mundt geriet ins Visier der politischen Polizei und gehörte 1835 zu denjenigen, deren Schriften zuerst von Preußen, dann am 10. Dezember 1835 vom Deutschen Bund verboten wurden. Nach permanenten Konflikten mit der Berliner Zensur reiste Mundt 1837/38 durch Frankreich, England und die Schweiz. 1838 gründete er im damals dänischen Altona die Vierteljahrsschrift „Der Freihafen“, die er bis 1841 herausgab, sowie 1840 das Journal „Der Pilot“, das er 1842 an Friedrich Saß abtrat.

1839 heiratete er in Berlin Clara Müller, die unter dem Pseudonym Luise Mühlbach später eine der erfolgreichsten Romanschriftstellerinnen in Deutschland wurde. In Berlin unterhielten die Mundts einen Salon. Im Mai 1842 erreichte Mundt in Preußen die Befreiung von der 1835 verfügten Ausnahmezensur für Vertreter des Jungen Deutschlands und seine Rehabilitation, nachdem er (anders als Gutzkow, der sich dagegen verwehrte) auf dem Berliner Polizeiamt schriftlich die Zusicherung gegeben hatte, „fortan in seinen Schriften gewissenhaft alles zu vermeiden, was die Religion, die Staatsverfassung und das Sittengesetz beleidigt“ (zitiert nach Houben 1928, S. 492). Als Privatdozent durfte er an der Berliner Universität Vorlesungen halten. 1848 wurde er als Professor der allgemeinen Literatur und Geschichte an der Universität Breslau angestellt, ging zurück nach Berlin und war hier seit 1850 als Bibliothekar der Universitätsbibliothek tätig. 1853 wurde er nach Querelen mit dem Oberbibliothekar und konservativen Historiker Georg Heinrich Pertz vorzeitig pensioniert. Bis zu seinem Tod veröffentlichte Mundt zahlreiche Romane, Reisebücher und umfangreiche historisch-politische Studien.

Gutzkow und Theodor Mundt#

Gutzkow irrt in seinen Rückblicken auf mein Leben, wenn er seinen ersten Besuch bei Mundt in das Jahr 1832 verlegt. Gutzkow und Mundt lernten sich erst im Herbst 1835 in Frankfurt am Main persönlich kennen, nachdem sie sich schon in ihren Zeitschriften einige Scharmützel geliefert und Mundt einen Verriß der Wally geschrieben hatte. Es folgten zwei Jahre freundschaftlichen Austausches. Im Oktober 1837 fand Gutzkow gastliche Aufnahme bei Mundt in Berlin. Mundt, der immer noch auf eine preußische Universitätslaufbahn hoffte, distanzierte sich seit 1838 stärker von Gutzkow; beide polemisierten in den Jahren 1838/40 heftig gegeneinander, wobei Mundt von seinem Freund Ferdinand Gustav Kühne, dem Redakteur der „Zeitung für die elegante Welt“ in Leipzig, unterstützt wurde. Um 1843/44 erfolgte in Berlin eine Aussöhnung zwischen Mundt und Gutzkow, der in den folgenden Jahren mehrfach Gast im Salon der Mundts war. Mundt lieferte in den 1850er Jahren für Gutzkows „Unterhaltungen am häuslichen Herd“ einige Beiträge, die sämtlich anonym erschienen.

Bibliographie#

Deutsches Schriftsteller-Lexikon. 1830-1880. Bearb. von Herbert Jacob, Marianne Jacob, Thomas Lindenberg u. Paul Raabe. Bd 5/2. Berlin: Akademie Verl., 2011, S. 516-529.

Werke (Auswahl)#

Die Einheit Deutschlands in politischer und ideeller Entwickelung. Leipzig: Brockhaus, 1832.

Kritische Wälder. Blätter zur Beurtheilung der Literatur, Kunst u. Wissenschaft unserer Zeit. Leipzig: Wolbrecht, 1833.

Moderne Lebenswirren. Briefe und Zeitabenteuer eines Salzschreibers. Leipzig: Reichenbach, 1834.

Madonna. Unterhaltungen mit einer Heiligen. Leipzig: Reichenbach, 1835.

[Anon. Hg.:] Charlotte Stieglitz, ein Denkmal. Berlin: Veit, [1835].

Die Kunst der deutschen Prosa. Aesthetisch, literargeschichtlich, gesellschaftlich. Berlin: Veit u. Comp., 1837.

Charaktere und Situationen. Vier Bücher, Novellen, Skizzen, Wanderungen auf Reisen und durch die neueste Literatur. 2 Bde. Wismar u. Leipzig: Schmidt u. Cossel, 1837. (Publikation unter dem Namenskürzel: Th. M.)

Spaziergänge und Weltfahrten. 3 Bde. Altona: Hammerich, 1838-1839. (Bd. 1: Briefe aus London. – Tagebuch aus Paris. – Bd. 2: Deutschland in Frankreich. – Meerfahrt. – Bd. 3: Ausflug durch die Schweiz nach der Provence.)

Thomas Müntzer. Ein deutscher Roman. 3 Bde. Altona: Hammerich, 1841-1842.

Die Geschichte der Gesellschaft in ihren neueren Entwickelungen und Problemen. Berlin: Simion, 1844.

Carmela oder die Wiedertaufe. Ein Roman. Hannover: Kius, 1844.

Aesthetik. Die Idee der Schönheit und des Kunstwerks im Lichte unserer Zeit. Berlin: Simion, 1845.

Die Matadore. Ein Roman aus der Gegenwart. 2 Bde. Leipzig: Brockhaus, 1850.

Der Kampf um das Schwarze Meer. Historische Darstellungen aus der Geschichte Russlands. Braunschweig: Westermann, 1855.

Paris und Louis Napoleon. Neue Skizzen aus dem Französischen Kaiserreich. 2 Bde. Berlin: Janke, 1858.

Italienische Zustände. 4 Bde. Berlin: Janke, 1859-1860.

Zeitschriften Mundts#

Schriften in bunter Reihe. Zur Anregung und Unterhaltung. Leipzig: Reichenbch, 1834.

Literarischer Zodiacus. Schriften in bunter Reihe zur Anregung und Unterhaltung [ab Juli 1835: Journal für Zeit und Leben, Wissenschaft und Kunst]. Reichenbach, Leipzig 1835–1836. 2 Jahrgänge.

Dioskuren. Für Wissenschaft und Kunst. Schriften in bunter Reihe. Band 1–2. Berlin: Veit 1836–1837.

Der Delphin. Ein Almanach. Altona: Hammerich, 1838–1839.

Der Freihafen. Galerie von Unterhaltungsbildern aus den Kreisen der Literatur, Gesellschaft und Wissenschaft. Altona: Hammerich, 1838-1844.

Der Pilot. Allgemeine Revue der einheimischen und ausländischen Literatur- und Völkerzustände. Hg. von der Redaction des Freihafens (ab 1841, Nr. 87 Redaktion: Theodor Mundt; ab 1842, Nr. 125 Redaktion: Friedrich Saß). Altona: Hammerich, 1840-1842.

Biographie#

Franz Brümmer: Mundt, Theodor. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Leipzig: Duncker & Humblot, 1886, Bd. 23. S. 10-12.

Forschungsliteratur (Auswahl)#

Otto Draeger: Theodor Mundt und seine Beziehungen zum Jungen Deutschland. Marburg: Elwert, 1909.

Heinrich Hubert Houben: Theodor Mundt. In: Heinrich Hubert Houben: Jungdeutscher Sturm und Drang. Ergebnisse und Studien. Leipzig: Brockhaus, 1911. S. 395-502.

Heinrich Hubert Houben: Mundt, Theodor (1808-1861). In: Heinrich Hubert Houben: Verbotene Literatur von der klassischen Zeit bis zur Gegenwart. Ein kritisch-histor. Lexikon über verbotene Bücher, Zeitschriften u. Theaterstücke, Schriftsteller u. Verleger. Bremen: Schünemann, 1928. Bd. 2, S. 363-498.

Walter Grupe: Mundts und Kühnes Verhältnis zu Hegel und seinen Gegnern. Halle/Saale: Niemeyer, 1928.

Petra Hartmann: „Von Zukunft trunken und keiner Gegenwart voll“. Theodor Mundts literarische Entwicklung vom ‚Buch der Bewegung‘ zum historischen Roman. Bielefeld: Aisthesis Verl., 2003.

Zitat- und Belegstellen#

Schriften in bunter Reihe (1835), eGWB IV, Schriften zur Literatur und zum Theater, Bd. 6.1, Rezensionen und literaturkritische Essays, pdf 1.0, S. 1-4.

Madonna. Unterhaltungen mit einer Heiligen, (1835), eGWB IV, Schriften zur Literatur und zum Theater, Bd. 6.1, Rezensionen und literaturkritische Essays, pdf 1.0, S. 1-3.

Theodor Mundt, Willibald Alexis und die Pommersche Dichterschule, oder über einige literar-historische Symptome (1835), eGWB IV, Schriften zur Literatur und zum Theater, Bd. 6.2, Schriften zur Literatur, pdf 1.0, S. 1-6.

Vergangenheit und Gegenwart (1839), eGWB IV, Schriften zur Literatur und zum Theater, Bd. 6.2, Schriften zur Literatur, pdf 1.0, S. 33-39.

Tagebuch aus Berlin (1840), eGWB VI, Reiseliteratur, Bd. 3, Tagebuch aus Berlin, pdf 1.0, S. 60-62.

Berliner Eindrücke (1844), eGWB VI, Reiseliteratur, Bd. 3, Berliner Eindrücke, pdf 1.0, S. 3-4; S. 11, Zeile 14-20.

Theodor Mundt (1861), eGWB IV, Schriften zur Literatur und zum Theater, Bd. 6.2, Schriften zur Literatur, pdf 1.0, S. 1-3.

Rückblicke auf mein Leben (1875), GWB VII, Bd. 2, S. 86-87 (weitere Erwähnungen, vgl. Personenregister)

Theodor Mundt über Gutzkow#

[Theodor Mundt:] Wally, die Zweiflerin. Roman von Carl Gutzkow. In: Literarischer Zodiacus. Leipzig. Oktober 1835, S. 283-286. (Siehe im Apparat zu Wally, die Zweiflerin, unter 5.1.1 Kritiken.)

(Wolfgang Rasch)