Freiligrath, Ferdinand#
Metadaten#
- Autor
- Martina Lauster
- Fassung
- 1.0
- Letzte Bearbeitung
- 25.02.2003
Text#
Freiligrath, Ferdinand#
Ferdinand Freiligrath (1810-1876), Lyriker, Publizist, Übersetzer und Nachdichter fremdsprachiger Dichtung; selbst häufig in fremde Sprachen übersetzt. Bezog zunächst eine Pension vom preußischen König, die er im Jahr seines ‚Übertritts' zur politischen Opposition (mit der Gedichtsammlung "Ein Glaubensbekenntniß", 1844) aufkündigte. Exil in Belgien und der Schweiz, dann 1848 Mitarbeiter an Marx' "Neuer Rheinischer Zeitung". Ab 1851 Exil in London. 1868 Rückkehr nach Deutschland als Amnestierter; verfasste patriotische Lyrik.
→ Bilder und Materialien: Bilder. Gutzkows Zeitgenossen
→ Bilder und Materialien: Bilder. Gutzkows Zeitgenossen
Gutzkow und Freiligrath#
Gutzkow wurde mit Freiligraths Lyrik sicher durch die zahlreichen übersetzten und eigenen Gedichte bekannt, die dieser in den 1830er Jahren im "Morgenblatt" und anderen Blättern veröffentlichte, z. B. auch im Frankfurter "Phönix". In diesem begann Freiligrath gerade zu publizieren, als Gutzkow seine Redaktion des "Literaturblatts zum Phönix" im August 1835 beendete. Freiligraths intensive Beteiligung an einer deutschen Ausgabe der Werke Victor Hugos, die vom "Phönix"-Verleger Sauerländer unternommen wurde und an der auch Büchner mitarbeitete, wird Gutzkow ebenfalls nicht entgangen sein. (Zu den Publikationen einzelner Gedichte Freiligraths in Zeitschriften vgl. Fleischhack, S. 59-163)
Ein indirekter Kontakt zwischen Gutzkow und Freiligrath ergab sich Ende der dreißiger Jahre durch einen der jungen Mitarbeiter am "Telegraph für Deutschland", Levin Schücking. Dieser war mit Freiligrath bis zu dessen radikaler Wende eng befreundet und schickte Gutzkow einen Beitrag "Vom Rhein", verfasst im Zimmer Freiligraths und gedruckt im "Telegraph" Nr. 189-190, November 1839, in dem er die Lyrik seines Freundes lobt (vgl. BrSchue, S. 138). Schücking übersandte Gutzkow außerdem ein Exemplar der 1839 bei Cotta erschienenen zweiten Auflage von Freiligraths "Gedichten". Gutzkow hielt wenig von Freiligraths Exotismus: "ich bin kein so unbedingter Freund der Freiligrath'schen Muse, wie Sie vorauszusetzen scheinen", schreibt er an Schücking. "Welche gemachte Empfindung [...], so sentimental vom Untergang der Indianischen Barbarey zu sprechen. Was kommen wir Europäer dazu, die wir das Licht des Gedankens haben, so weinerlich über den Untergang der ihrer Poesie gar nicht bewußten Heidenwelt zu lamentiren!" (Hamburg, 6. November 1839, BrSchue, S. 51-52) Aus zweiter Hand erfuhr Gutzkow von Freiligraths Hingabe an den Alkohol und sah dadurch sein Vorurteil gegen den Kleinbürger bestätigt, der die kaufmännische Buchführung mit Ergüssen der literarischen Feder vertauscht habe (vgl. BrSchue, S. 61).
Nachdem Gutzkow Freiligrath zwei kurze Besprechungen im "Telegraph" gewidmet hatte, lernten sich die beiden schließlich im Januar 1844 kennen, als Freiligrath sich in Frankfurt aufhielt und bei der dortigen Erstaufführung von "Zopf und Schwert" (15. Januar) zugegen war. Gutzkow erwähnt dies knapp in einem Brief an Schücking vom 27. Januar, in dem er Freiligraths Zögern bei der Kündigung seiner preußischen Pension kritisiert: "Ich hab' ihm gerathen keine liberalen Gedichte zu machen, wohl aber die 300 Thaler aufzukündigen. Keine Gedichtpointe würde soviel Effekt machen, als diese. Kann man noch mit Fr. Wilh. IV Hand in Hand gehen?" (BrSchue, S. 62)
Dennoch schienen Gutzkow und Freiligrath gut miteinander auszukommen, auch bei ihren weiteren Begegnungen des Jahres 1844. Eine Tagebuchnotiz Gutzkows vom 23. Juli drückt uneingeschränkte Sympathie aus: "Freiligrath gefällt mir, ein ehrlicher, wackerer Mann voll gesunder Kraft und geistiger Erregbarkeit, bei etwas knorrigem westfälischen Aussehen; die Frau ist voll Verstand und Lieblichkeit, eine geborene Melos, aus dem Weimarischen, von Goethe oft freundlich angeblickt. Mit Freiligrath hatte ich Unendliches zu verhandeln [...]." (BrSchue, S. 145) Freiligrath seinerseits schreibt begeistert an Schücking über "Zopf und Schwert", "ein prächtiges Stück voll echter, wirksamster Komik", und über die persönliche Bekanntschaft mit dessen Autor: "Wir haben uns gut verstanden, ich bin ohne Vorurteil an Gutzkow herangetreten und gestehe gern, daß der Eindruck, den er mir zurückgelassen hat, ein reiner und erfreulicher ist. Er kam mir aufs liebenswürdigste entgegen und veranstaltete mir noch zu guter Letzt einen heiteren Abend in seinem Hause. Den letzten Akt von Zopf und Schwert war ich bei ihm in der Theaterloge. Es war in der Tat eine Lust, diesen Applaus zu erleben. [...] 's war übrigens ein Stück Literaturgeschichte, wie Heinrich Laube sagen würde. Vorne der herausgerufene Gutzkow, dankend und vor dem donnernden Publikum sich verbeugend - hinten im Schatten der Lyriker Freiligrath, über den Erfolg des Dramatikers neidlos sich freuend und innerlich jubelnd, daß er wieder einmal aus voller Seele etwas Gutes anerkennen konnte." (Brief vom 3. Februar 1844, in: Ferdinand Freiligraths sämtliche Werke in zehn Bänden [1907], S. 98-99; BrSchue, S. 145)
Erstaunlich nimmt sich in diesem Zusammenhang eine negative Kritik aus, die von Freiligraths "Glaubensbekenntniß" unter Gutzkows Kürzel K. G. im "Sonntagsblatt zur Weser-Zeitung" erschien (Oktober 1844). Freiligrath schrieb dazu an Schücking: "Die Gutzgauchische Kritik in der Weser-Zeitung hab' ich gelesen. Sie ist superklug. Diese Sophistik glaubt, sie könne das poetische Gras wachsen hören, und schießt doch oft meilenweit daneben." (Brief vom 11. Dezember 1844, in: Ferdinand Freiligraths sämtliche Werke in zehn Bänden [1907], S. 107; BrSchue, S. 148) Schücking hatte Gutzkow wegen dieser Kritik getadelt; in seiner Antwort vom 2. Januar 1845 verteidigt sich dieser jedoch mit dem Hinweis, er sei nicht der Verfasser der Rezension. Als solchen verdächtigt er den Journalisten Eduard Beurmann, zu dem er derzeit ein distanziertes Verhältnis hatte (vgl. BrSchue, S. 64). Dieses Dementi scheint glaubwürdig, da Gutzkow noch Ende 1844 sein Mitgefühl für Freiligrath nach dessen öffentlicher Aufkündigung der königlichen Pension ausgedrückt hatte (Brief an Schücking vom 22. November, BrSchue, S. 63) und im Brief vom Januar 1845 erneut seine Übereinstimmung mit Freiligraths ‚Partei' bekundet, die seiner Lyrik ein ganz neues Format gegeben habe: "Mich, den jeder dem Preußenkönig gemachte Verdruß - freut, mich hat Freiligraths Buch mehr als viele Andere befriedigt. Ich habe es mit ganz preußischer Stimmung gelesen u. finde sogar in diesen Gedichten mehr Ursprünglichkeit, mehr Fluß, mehr Talent, als in seinen frühern gar zu affektirten Arbeiten, bei denen ich mich an den Mangel eines warmen, strömenden innern Zusammenhanges, an den Mangel einer geistreichen Individualität nie habe gewöhnen können." (BrSchue, S. 64) Freiligraths Gedicht "Ein Patriot" vom Januar 1844, aufgenommen in die Sammlung "Ein Glaubensbekenntniß", erschien im "Telegraph für Deutschland" im Februar 1844, d. h. knapp nach Gutzkows Ausscheiden aus der Redaktion im Dezember 1843.
[Über die Beziehung Gutzkow-Freiligrath seit 1845 konnte noch nichts ermittelt werden.]
Bibliographie#
Ernst Fleischhack: Bibliographie Ferdinand Freiligrath 1829-1990. Bielefeld 1993.
Werke#
Sämtliche Werke in zehn Bänden. Hg. von Ludwig Schröder. Leipzig: Hesse, [1907].
Werke in sechs Teilen. Hg. von Julius Schwering. Berlin: Bong, [1909].
[Vgl. auch Fleischhacks Bibliographie, Kap. A I (Gesamtausgaben)]
Briefe#
Wilhelm Buchner: Ferdinand Freiligrath. Ein Dichterleben in Briefen. 2 Bde. Lahr: Schauenburg, 1882.
[Vgl. auch Fleischhacks Bibliographie, Kap. A VI (Briefe)]
Nachlass#
Der Nachlass Freiligraths befindet sich in verschiedenen Bibliotheken und Archiven, hauptsächlich in der Lippischen Landesbibliothek Detmold und in der Stadt-und Landesbibliothek Dortmund. Über Freiligrath-Sammlungen verfügen u. a. auch das Soester Stadtarchiv, die Universitätsbibliothek Münster, das Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar, das Schiller-Nationalmuseum in Marbach und die Boston Public Library (Sears-Freiligrath Library of German Literature).
[Vgl. auch Fleischhacks Bibliographie, Kap. B II (Druck- und Handschriftensammlungen, Nachlässe, Autographen)]
Quellen#
M. [Levin Schücking]: Vom Rhein. Aus einem Schreiben an den Herausgeber. In: Telegraph für Deutschland 189-190, November 1839.
[Karl] G[utzkow]: Zwei Taschenbücher. [Rezension von : Rheinisches Jahrbuch für Kunst und Poesie auf 1841. Von Freiligrath, Matzerath und Simrock]. In: Telegraph für Deutschland 208, [28.] Dezember 1840, S. 829-831. (Rasch 3.40.12.28.1)
[Anon.:] Aus der Schriftstellerwelt. [Notizen über Dingelstedt, Kühne, Diefenbach, Therese, Freiligrath u. a.]. In: Telegraph für Deutschland 48, [20.] März 1843, S. 190-191. (Rasch 3.43.03.20.2)
K[arl] G[utzkow] [d .i. Eduard Beurmann?]: Literarische Berichte. Freiligraths "Glaubensbekenntnis". In: Sonntagsblatt zur Weser-Zeitung 35, 13. Oktober 1844, S. 2-3; 36, 20. Oktober 1844, S. 1-3. (Rasch 3.44.10.13)
Ferdinand Freiligrath: Ein Patriot (St. Goar, Jan. 1844). In: Telegraph für Deutschland 21, Februar 1844, S. 81. (Fleischhack 859) Ferdinand Freiligraths sämtliche Werke in zehn Bänden. Hg. v. Ludwig Schröder, Bd 10, Leipzig: Hesse, [1907], S. 98-99, 107.
Der Briefwechsel zwischen Karl Gutzkow und Levin Schücking. Hg. von Wolfgang Rasch. Bielefeld 1998, S. 35, 37, 40, 51, 59, 61-64, 138, 141-143, 145-148, 209. (BrSchue)
(Martina Lauster, Exeter)