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Hoffmann von Fallersleben, August Heinrich#

Metadaten#

Autor
  1. Wolfgang Rasch
Fassung
1.0
Letzte Bearbeitung
03.12.2004

Text#

Hoffmann von Fallersleben, August Heinrich #

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874), Pseud.: Henricus Custos, politischer Dichter und bedeutender Germanist.

→ Bilder und Materialien: Bilder. Zeitgenossen Gutzkows.

Allgemeines #

Der Sohn eines Kaufmanns und Bürgermeisters besuchte 1812 das Pädagogium in Helmstedt, 1814 das humanistische Gymnasium in Braunschweig, studierte 1816 in Göttingen zuerst Theologie, dann Philologie, 1819 bis 1821 in Bonn Germanistik. 1823 promovierte er an der Universität Leiden, war von 1823 bis 1837 Kustos an der Universitätsbibliothek Breslau, seit 1831 Professor für deutsche Sprache und Literatur an der Universität Breslau. 1840/41 erschien bei Hoffmann und Campe seine bekannteste Liedersammlung, "Unpolitische Lieder" (2 Bde), die verboten wurde und zur Entlassung Hoffmanns führte: 1842 wurde er wegen seiner politischen Ansichten seines Amtes enthoben und aus Breslau ausgewiesen. Hoffmann führte seitdem ein unruhiges Wanderleben, war im vormärzlichen Deutschland sehr populär und ließ sich bei seinen Kreuz- und Querzügen in allen möglichen kleinen und großen Städten feiern. 1845 heiratete er seine Nichte Ida Zum Berge, lebte unter dürftigen Verhältnissen in Bingerbrück, Neuwied und (ab 1854) in Weimar und fand schließlich 1860 auf Schloß Corvey ein Unterkommen als Bibliothekar. Hoffmann war als Lyriker (politische Gedichte, vor allem auch Kinderlieder) außerordentlich produktiv, ebenso als Literaturwissenschaftler, Sammler, Herausgeber alter Handschriften und Drucke (er entdeckte u.a. Handschriften von Otfried, Williram und das Ludwigslied). 1850 schrieb er einen satirischen Roman "Das Parlament zu Schnappel" (1918 neu hg. von Arthur Kutscher). Auch heute noch bedeutend und lesenswert, wenngleich in einzelnen Passagen umstritten, ist Hoffmanns Autobiographie "Mein Leben. Aufzeichnungen und Erinnerungen" (6 Bde, Hannover: Rümpler, 1868), eine materialreiche, z.T. tagebuchartige Lebensbeschreibung, die bis zur Übersiedelung nach Corvey im Jahre 1860 reicht. Hoffmann von Fallersleben ist Verfasser des "Liedes der Deutschen", das von 1922 bis 1945 Nationalhymne des Deutschen Reiches war. Seit 1952 ist lediglich die dritte Strophe offizielle Hymne der Bundesrepublik Deutschland.

Gutzkow und Hoffmann von Fallersleben #

Ähnlich wie Heine, der sich mehrfach abfällig über Hoffmanns politische Lyrik äußert und diesen zur Zielscheibe seines Spottes macht (vgl. "O Hoffmann, deutscher Brutus", DHA, Bd 2, S. 186), lehnt auch Gutzkow Hoffmanns lyrische Produktion ab. Sie ist nach seiner Meinung politisch folgenlos, in künstlerischer Hinsicht unbedeutend und wird - wie die "Unpolitischen Lieder" - stark überschätzt.

Allerdings hat sich Gutzkow nur gelegentlich zu Hoffmann geäußert: Anlässlich einer Rezension des "Deutschen Musenalmanachs auf 1841" heißt es: Dieser Hoffmann von Fallersleben hat sich neuerdings durch unpolitische Lieder einen Namen gemacht. Kurze Waare, die sich die Miene giebt, als könne sie in Preußen mit langer Elle gemessen werden, während der gute Patron doch so zahm in seinem politischen Glaubensbekenntniß ist, daß er für jedes Gift ein Gegengift, für jedes Pereat auch gleich auf der andern Seite ein Vivat hat. [...] Der ganze Freimuth des Herrn Hoffmann von Fallersleben concentrirt sich nämlich in der Satyre auf das, was die Satyre vertragen kann. Gegenstände und Personen, die hinten ausschlagen können, singt er mit gebührendem Lobe an." (Telegraph für Deutschland. Hamburg. Nr 12, Januar 1841, S. 46; Rasch 3.41.01.20.1) Und einige Monate später begründet Gutzkow in einer redaktionellen Fußnote zu einem Beitrag über Hoffmann, warum seine Zeitschrift den "Unpolitischen Liedern" so wenig Aufmerksamkeit gönnt: Die oft so stumpfe Pointe dieser Hoffmann’schen Witze (unpolitische Lieder genannt) würden wir längst schon einmal ausführlicher nachgewiesen, die Suffisance dieser Gesangsmanier und die Seichtigkeit der poetischen Anschauungen und politischen Auffassungen des Herrn Hoffmann ausführlicher erörtert haben, wenn nicht zufällig diese Gedichte im Verlage von Hoffmann und Campe erschienen wären. Der Verleger des Telegraphen denkt zwar so hochherzig, wie der selige von Cotta, der Menzel nie verhindert hat, sich gegen Goethe zu ergehen; auch er überläßt seinem Redakteur vollkommene Freiheit des Urtheils und hat dies bereits genugsam in der Heine-Börne'schen Sache bewiesen. Indessen kann ein Monument, wie Heine, schon mehr von kritischem Wind und Wetter ertragen, als ein so dürftiger Sandhügel, wie Herr Hoffmann von Fallersleben. Nur dies ist der Grund, warum wir uns gegen diese unpolitischen Lieder, die besonders in ihrer zweiten Sammlung gar nüchtern und unpoetisch sind, bisher indifferent bewiesen haben. Will man wahr empfundene, wirklich schöne politische Gedichte lesen, so nehme man die von Franz Dingelstedt und Georg Herwegh zur Hand. (Telegraph für Deutschland. Hamburg. Nr 198, Dezember 1841, S. 790; Rasch 3.41.12.10)

Belegt ist eine Begegnung zwischen Gutzkow und Hoffmann von Fallersleben im Juli 1844 in Bad Soden. Bei dieser Gelegenheit will Hoffmann Gutzkow auf seine Kritik an den "Unpolitischen Liedern" angesprochen haben und gibt eine Äußerung Gutzkows wieder, die dieser später bestritt: "Gutzkow war zum Besuche seiner Frau herübergekommen. Ich traf ihn auf einem Spaziergange in Begleitung von Baison, Ebner und Wihl. Ich war eben nicht angenehm überrascht: er hatte für mich etwas Kaltes, Unheimliches in seinem Gesichte. Wir gingen lange neben einander, bis er sich zu einem Gespräche mit mir herabließ. Als einmal die Unterhaltung angebahnt war, da konnte ich es denn doch nicht unterlassen, ihn wegen seiner Schandartikel gegen mich zur Rede zu stellen. 'Sagen Sie, wie kamen Sie eigentlich dazu gegen mich zu schreiben?' - Zögernd kam er dann mit der Entschuldigung heraus: 'Campe wünschte es, ich möchte gegen Sie schreiben.' – Also darum! jede andere Erklärung wäre mir lieber gewesen als dies Geständniß eigener Erbärmlichkeit. - Nachher saßen wir bei Baison in der Laube; Gutzkow war gesprächiger, als er merkte, daß ich nicht wieder auf seine Telegraphendienste für Campe zurückkommen mochte. Seine Frau war zugegen und wie immer so jetzt vor ihrer bevorstehenden Abreise recht freundlich: 'Sie sind so oft in Frankfurt gewesen und uns immer vorbeigegangen [sic! W.R.], jetzt dürfen wir doch wol hoffen, daß Sie uns besuchen!'" (August Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Mein Leben. Aufzeichnungen und Erinnerungen. Hannover: Rümpler, 1868, Bd 4, S. 155-156) An anderer Stelle seiner Autobiographie folgert Hoffmann: "Campe schlau wie immer wollte, daß ich mich selber für unbedeutend halten sollte, um keine bedeutenden Honoraransprüche zu machen, und Gutzkow mußte ihn dabei durch seine Schandartikel im Telegraphen unterstützen." (August Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Mein Leben. Hannover: Rümpler, 1868, Bd 3, S. 211)

Die Behauptung Hoffmanns, Campe habe bei Gutzkow Artikel bestellt, um seinen Marktwert herabzuschrauben, ist allerdings unglaubwürdig. Denn Gutzkow und Campe waren seit der Auseinandersetzung um Heines und Gutzkows Börne-Bücher 1840 so zerstritten, dass sie fast keinen Kontakt mehr pflegten. Von einer Einflussmöglichkeit des mittlerweile von Gutzkow verachteten, ja gehassten Campe auf den "Telegraph" konnte überhaupt keine Rede sein. Über spätere Beziehungen zwischen Hoffmann von Fallersleben und Gutzkow sowie Briefkontakte ist nichts bekannt.

Bibliographie #

Grundrisz zur Geschichte der deutschen Dichtung. Aus den Quellen von Karl Goedeke. 2., ganz neu bearb. Aufl. Dresden 1938. Bd. 13, S. 329-394.

Werke / Ausgaben (Auswahl) #

Eine Gesamtausgabe der Werke Hoffmanns gibt es nicht; alle Auswahlausgaben sind veraltet. Am umfangreichsten:

Gesammelte Werke. Hg. von H. Gerstenberg. Berlin: Fontane, 1890-1893. 8 Bde.

Briefe

Biographie(n) #

Jürgen Borchert: Hoffmann von Fallersleben. Ein deutsches Dichterschicksal. Berlin 1991.

Franz Josef Degenhardt: August Heinrich Hoffmann genannt von Fallersleben. Roman. München 1991.

Quellen#

Nachlass #

Fallersleben, Hoffmann-Archiv (Teilnachlass); Tübingen, Universitätsbibliothek; Dortmund, Landesbibliothek; Hannover, Stadtbibliothek.

Forschungsliteratur (Auswahl) #

Roland Schlink: Hoffmann von Fallerslebens vaterländische und gesellschaftskritische Lyrik. Stuttgart 1981 (Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik, Bd 93).

Zitat- und Belegstellen

(Wolfgang Rasch, Berlin)