Benedix, Roderich#

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Autor
  1. Wolfgang Rasch
Fassung
1.1: Anpassungen
Letzte Bearbeitung
16.12.2020

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Benedix, Roderich#

Roderich Benedix (1811-1873, Pseud.: Julius Roth; Ernst Naseweis), Bühnenautor (vor allem Lustspieldichter), Schauspieler, Intendant

→ Bilder und Materialien: Bilder Zeitgenossen Gutzkows

Allgemeines #

Benedix ging nach dem Besuch der Fürstenschule in Grimma und der Thomasschule in Leipzig 1831 nicht zur Universität, sondern ließ sich von der Bethmannschen Theatertruppe als Schauspieler engagieren. Zwei Jahre spielte er mit der Truppe in verschiedenen Städten Thüringens. 1833 wirkte er als Tenor und Schauspieler an verschiedenen Bühnen des Rheinlandes und Westfalens, nahm 1838 seinen Wohnsitz in Wesel, redigierte hier 1841/42 das Volksblatt "Der Sprecher oder Rheinisch-Westfälischer Anzeiger", hielt Vorlesungen (u.a. über Goethes "Faust"), übernahm 1844 die technische Direktion des Theaters in Elberfeld, 1847-48 die des Stadttheaters in Köln und wurde 1849 Lehrer für Literatur und Deklamation an der von Ferdinand Hiller gegründeten Kölner Musikschule. 1855 folgte er einem Ruf als Intendant des Stadttheaters in Frankfurt/M., legte 1859 die Stelle nieder und ging nach Köln zurück. Seit 1861 lebte Benedix wieder in Leipzig.

Nach dem Erfolg seines Schauspiels "Das bemooste Haupt" (uraufgeführt 18. Januar 1839 in Wesel) trat Benedix 1841 als Schauspieler zurück und widmete sich fast ausschließlich der Bühnendichtung. Neben Charlotte Birch-Pfeiffer (→ Lexikon) gehört er zu den erfolgreichsten und meist gespielten Bühnenautoren des 19. Jahrhunderts. Benedix' Bühnenwerke sind anspruchslos, schablonenhaft gearbeitet (viel Verwechslungskomödie), auf optimale Bühnenwirksamkeit berechnet, gespickt mit effektvoller Situationskomik. Sie bewegen sich überwiegend im bürgerlichen oder kleinbürgerlichen Milieu der Gegenwart und nehmen hin und wieder aktuelle Themen aufs Korn, die überspitzt, einseitig und plattitüdenhaft verarbeitet werden. In "Das bemooste Haupt" (1839) wird fernab der Studien- und Studentenwirklichkeit deutsches Studentenleben mit nationalem Pathos verklärt, in "Die Mode" (1846) setzt sich Benedix mit der Abhängigkeit vom Ausland - besonders was Pariser Mode betrifft - auseinander und polemisiert darin gegen eine französische Vormachtstellung im deutschen Kulturleben. Das im Vormärz aktuelle Thema der Frauenemanzipation streift er auf banale Weise in "Doktor Wespe" (1842): Ein 'emanzipiertes' Mädchen, exaltiert und dumm, tritt in Männerkleidung und Zigarre rauchend auf, wird von ihrer Torheit durch die Liebe zu einem Mann 'geheilt' und am Ende des Stücks in die nach bürgerlichen Vorstellungen gottgegebene Geschlechterordnung bzw. Unterordnung zurückgeführt, nachdem die 'natürlichen' Aufgaben der Frau in Familie und Gesellschaft eingehend von einem Mann proklamiert wurden. Auffallend ist, dass Benedix in den meisten Stücken mindestens ein Paar zum finalen Eheglück kommen lässt: Unentwegt werden Ehen gestiftet, was die Zugkraft seiner Stücke beim bürgerlichen Publikum erheblich erhöht haben dürfte. Benedix bemühte sich, den Geschmack der breiten Masse zu treffen, die "Theilnahme und die Gunst seines Volkes" (Vorwort. In: Dramatische Werke. Bd 1, Leipzig: Weber, 1846, S. XII) zu erringen. Nach seinem Selbstverständnis als Bühnenautor will er "das Kleinleben in Familie und Gesellschaft" schildern, er nimmt seine "Stoffe meistens aus dem Bürgerthum, weil mir in diesem der Kern unseres Volkes zu ruhen scheint. [...] Im Bürgerthum wurzelt der Fortschritt, der Fortschritt der ganzen Menschheit in Einsicht und Sittlichkeit, und darum, glaube ich, sei im Bürgerthume der Volksgeist am klarsten ausgesprochen. Dabei meine ich nicht eine besondere Classe des Volkes aufzustellen, denn zum Bürgerthum sind Alle zu rechnen, weß Standes sie seien, welche im Schaffen und Arbeiten ihre Aufgabe erkennen. Und ich habe nur aus dem deutschen Bürgerthume meine Stoffe genommen, weil der Dichter national sein soll, und weil das deutsche Volk etwas besitzt, was anderen Völkern bis auf den Namen abgeht - Gemüth. Ich habe die Saiten desselben oft neben den komischsten Verwickelungen angeschlagen und gern auch eine Thräne der Rührung hervorgerufen." (Roderich Benedix: Ein bemoostes Haupt. In: Die Gartenlaube. Leipzig. Nr 1, 1871, S. 6.)

Für die Mentalitätsgeschichte des deutschen Bürgertums im 19. Jahrhundert sind die viel gespielten Stücke von Benedix ohne Zweifel aufschlussreich. Neben seinen mehr als hundert Schauspielen hat Benedix verschiedene Werke zur Vortragskunst verfasst und einige Prosawerke geschrieben (darunter "Bilder aus dem Schauspielerleben", 1847; "Die Shakespearomanie", 1873). Zu seinen populärsten Stücken gehörten außer "Das bemooste Haupt" und "Doktor Wespe": "Der alte Magister" (1846), "Der Vetter" (1846), "Das Gefängniß" (1851), "Das Lügen" (1852).

Gutzkow und Benedix#

Ähnlich wie bei den erfolgreichen Rührstücken von Charlotte Birch-Pfeiffer stand Gutzkow den Bühnenwerken von Benedix weitgehend ablehnend gegenüber (→ Lexikon). Er beklagte nicht nur die Dominanz der anspruchslosen Lust- und Schauspiele im Repertoire der Bühnen, sondern war auch der Meinung, dass der Publikumsgeschmack durch diese seichten Stücke vollends verflache und anspruchsvolleres Theater damit verhindere. Das diesem Autor eigne Doziren und Predigen auf der Bühne, schreibt Gutzkow 1842 über Benedix' "Doktor Wespe", mag dem deutschen Publikum besonders zusagen, kann aber von der Kunstkritik nicht gebilligt werden. Alle seine ernsten Figuren schlagen fortwährend den Lehrton an, wodurch seine Dramen an rapidem Fortschritt der Handlung verlieren. Im Lustspiel die Modernen hat Fr. von Heyden das Frauen-Emanzipationsthema geistreicher aufgefaßt, als Benedix, doch hat Letzterer eine allgemeinere Wirkung hervorgebracht. Das Thema möge denn nun ruhen, bis einmal ein Dramatiker kommt, der da zeigt, daß in der Emanzipation der Frauen doch mehr Wahrheit enthalten ist, als freilich von einem Doctor Wespe gezeigt werden konnte. Dieser Dramatiker würde sich aber hierzu keiner Posse, sondern vielleicht eines Trauerspiels bedienen müssen. (Telegraph für Deutschland. Hamburg. Nr 180, November 1842, S. 720; Rasch 3.42.11.11)

Über eine Begegnung mit Benedix und dem Ehepaar Schücking, das mit Benedix befreundet war, im August 1851 am Rhein berichtet Gutzkow 1876 in seinen Erinnerungen Am Lethestrom (Rasch 3.76.05.1). Über weitere Treffen oder Briefkontakte ist nichts bekannt.

Bibliographie #

Deutsches Schriftsteller-Lexikon. 1839-1880. Bearb. von Herbert Jacob. Bd 1, Berlin 1995, S. 342-363.

Werke #

Roderich Benedix: Gesammelte dramatische Werke. 27 Bde, Leipzig: Weber, 1846-1874.

(Umfangreichste Werksammlung, enthält mehr als 100 Stücke; einzelne Bände erreichten weitere Auflagen.)

Quellen #

Roderich Benedix: Ein bemoostes Haupt [Autobiographisches]. In: Die Gartenlaube. Leipzig. Nr 1, 1871, S. 4-6.

Nachlass #

Der Hauptnachlass von Benedix befindet sich in Leipzig (Stadtgeschichtliches Museum).

Forschungsliteratur (Auswahl) #

Horst Denkler: Restauration und Revolution. Politische Tendenzen im deutschen Drama zwischen Wiener Kongreß und Märzrevolution. München 1973.

Wilhelm Schenkel: Roderich Benedix als Lustspieldichter. Diss. Frankfurt/M. 1916.

(Wolfgang Rasch, Berlin)

Apparat#