Döring, Theodor#
Metadaten#
- Autor
- Wolfgang Rasch
- Fassung
- 1.0
- Letzte Bearbeitung
- 10.05.2021
Text#
Döring, Theodor#
eigentl. Häring oder Hering, geb. 9. Januar 1803 (Warschau), gest. 17. August 1878 (Berlin), Schauspieler.
→ Bilder Zeitgenossen Gutzkows (als Stuttgarter Hofschauspieler um 1840)
→ Bilder Zeitgenossen Gutzkows (Theodor Döring als als Franz Moor in Schillers Die Räuber)
Allgemeines#
Döring, Sohn eines preußischen Zollbeamten und Salzinspektors, wuchs in Prenzlau auf, kam auf das Joachimsthalsche Gymnasium nach Berlin und begann nach dem frühen Tod des Vaters eine Lehre im angesehenen Berliner Mode- und Galanteriewarengeschäft von J. F. Quittel. Nebenher begeisterte sich Döring für das Schauspiel (sein Idol war der Berliner Schauspieler Ludwig Devrient), schloss sich dem Lieberhabertheater „Urania“ an und machte hier, auf der Berliner Privatbühne, allererste Erfahrungen als Darsteller. Döring brach die Lehre bei Quittel Anfang 1825 ab, verließ Berlin und schloss sich der wandernden Theatergesellschaft von Daniel Huray (1760-1826) an. Sein Debut gab er am 25. Januar 1825 in Bromberg. Das erste feste Engagement erhielt er 1826 in Breslau am dortigen Stadttheater, das der Kapellmeister und Musiker Gottlob Benedict Bierey (1772–1840) leitete. 1829 ging er an das Theater in Mainz, das sein Breslauer Kollege August Haake (1793-1864) übernommen hatte und wurde 1833 vom Intendanten Karl August Emil Graf von Luxburg (1782-1849) für das Mannheimer Nationaltheater gewonnen.
Im Sommer 1835 gastierte Döring am Hamburger Stadttheater. Dessen Leiter, Friedrich Ludwig Schmidt (1772-1841), war von Dörings Leistungen so angetan, dass er ihm „ein Engagement in Hamburg mit 2500 Thalern“ anbot. „Mit diesem Contracte in der Tasche kehrte er nach Mannheim zurück, und bei dem sehr erregten Naturell unsers Künstlers ist es wohl anzunehmen, daß er der Mannheimer Theaterverwaltung als kein besonders fügsames Mitglied erschien. Die Reibungen steigerten sich. Döring weigerte sich einmal sogar entschieden aufzutreten – Graf Luxburg ergriff das ihm zustehende Rechtsmittel und ließ dem störrigen Künstler 14 Tage Arrest dictiren. […] Der Gefangene des Grafen Luxburg hatte während seiner Einschließung die nöthigen Instructionen erhalten, durch welche er sein Loskommen bewerkstelligen könne. Es handelte sich um tausend Gulden Conventionalstrafe, die endlich sein Rechtsanwalt und seine Frau aufbrachten. Döring verließ seine Haft – seine Angelegenheiten wurden geordnet und 1836 trat er sein Engagement bei Schmidt in Hamburg an.“ (Hiltl 1875, S. 109.) In Hamburg hat Schmidt großen Einfluss „auf Döring’s künstlerisches Fortschreiten“ (Lier 1904) genommen.
1838 wurde Döring Nachfolger Karl Seydelmanns am Hoftheater Stuttgart, wechselte 1843 an das Hoftheater in Hannover und wurde, nachdem er lange in Hannover um eine Lösung des Kontraktes gekämpft hatte, 1845 (wieder als Nachfolger Karl Seydelmanns) Mitglied des Berliner Hoftheaters. Schon im August 1843 bei einem Berliner Gastspiel hatte er das dortige Publikum mit seiner Antrittsrolle des Franz Moor restlos begeistert. Sein erster Auftritt als Mitglied der Berliner Hofbühne fand am 9. Juli 1845 statt. Döring gehörte bis zu seinem Tod (letzter Auftritt am 15. Juni 1878) zum Ensemble des Hoftheaters und war einer der Stars der Berliner Bühne.
Döring gilt als einer der bedeutendsten Schauspieler des 19. Jahrhunderts. Mehrfach wurde er mit Karl Seydelmann verglichen. Zu seinen ›Paraderollen‹ gehörten Mephisto, Shylock, König Lear, Falstaff, Nathan der Weise, Malvolio (Shakespeare „Was ihr wollt“), Elias Krumm (Kotzebue „Der gerade Weg ist der beste“), Bankier Müller (Bauernfeld „Die Bekenntnisse“).
Döring war dreimal verheiratet: In Mainz ehelichte er 1831 Maria Anna Helena Henrich (1806-1832), die schon ein Jahr nach der Eheschließung starb, 1835 in Mannheim die Schauspielerin Auguste Sutorius (1807-1873), von der er 1849 geschieden wurde und die in die USA auswanderte, 1849 in Stuttgart Mathilde Härlin (1827-1907).
In Berlin war Döring überaus populär. „Er gab Anlaß zu zahlreichen Anecdoten und war in Berlin eine bekannte Straßenfigur. Auch wußte dort Jedermann, daß er täglich von 12 bis 3 Uhr in der Weinstube von Lutter und Wegner zu finden war und dort an derselben Tafelrunde weiter präsidirte, an der einst Ludwig Devrient und E. T. A. Hoffmann ihren Stammsitz gehabt hatten.“ (Lier 1904, S. 31.)
Gutzkow und Döring#
Gutzkow lernte Döring im Dezember 1835 im Mannheimer Gefängnis kennen, wo er wegen seines Romans Wally, die Zweiflerin eingesperrt war. Dörings kurzzeitige Haft war auf die Befürchtung des Intendanten Graf Luxburg zurückzuführen, der Schauspieler könne mit einer größeren Schuldenlast von Mannheim nach Hamburg durchbrennen. Gutzkow hat ihr erstes unfreiwilliges Aufeinandertreffen später in seinem Beitrag Zwei Gefangene geschildert. Gutzkow und Döring blieben seitdem freundschaftlich verbunden. Döring trat in mehreren Stücken Gutzkows auf, so schon 1839 in Gutzkows Bühnenerstling Richard Savage.
Gutzkow hat mehrfach über Döring geschrieben. 1844 porträtierte er den Schauspieler ausführlich in seinen Berliner Eindrücken und trat nachdrücklich für einen Wechsel Dörings an die Berliner Hofbühne ein: Man würde sich in Hannover ein großes Verdienst um die deutsche Schaubühne erwerben, wenn man Döring seiner dortigen Verpflichtung entbände und ihn dauernd einer Bühne angehören ließe, wo seine großen Gaben Sporn und Stachel genug fänden, sich immer umfassender auszubilden und einer Reife nachzustreben, die dem Künstler nicht mit in die Wiege gelegt wird, sondern die er sich selbst erwerben muß. Döring befindet sich jetzt in seiner vollsten Mannesblüthe. Jetzt, in dieser Periode seines noch ruhelosen Ehrgeizes, in diesem Drange nach allseitiger Vollendung, in diesem unverwüstlichen Verlangen, mit jeder neuen Rolle das Urtheil der deutschen Intelligenz-Hauptstadt kühn herauszufordern, jetzt gerade müßte er hieher verpflanzt werden.
Briefe#
Von der Korrespondenz zwischen Döring und Gutzkow ist nur ein kleiner Rest erhalten geblieben. Ein Brief Gutzkows an Döring vom 24. Juni 1838 liegt im Stadtarchiv Hannover (Signatur: 810) vor. In Gutzkows Nachlass (Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg Frankfurt/M.) sind zehn Briefe Dörings an Gutzkow aus dem Zeitraum 1838 bis 1868 überliefert, mehrere in Abschriften, drei Briefe Dörings in der Handschrift.
Gutzkow hat ein Schreiben Dörings an ihn vom 14. Januar 1842 kurz nach dessen Tod veröffentlicht (Rasch 7.78.12.23 bzw. 3.78.12.23), Houben 1903 Dörings Brief an Gutzkow vom 6. Oktober 1839 über sein Richard Savage-Gastspiel in Pest (7.1903.01.08N).
Literatur#
Ludwig Eisenberg: Großes Biographisches Lexikon der Deutschen Bühne im 19. Jahrhundert. Leipzig, 1903. S. 206-207
Theodor Fontane: Kritische Jahre – Kritiker-Jahre. In: NFA, Bd. 15 (1967), darin über Döring S. 399-404
Georg Hiltl: Theodor Döring. Eine Skizze seines Lebens und Wirkens. In: Die Gegenwart. Berlin. Bd. 7, Nr. 5, 30. Januar 1875, S. 68-70; Nr. 6, 6. Februar 1875, S. 89-92; Nr. 7, 13. Februar 1875, S. 107-109; Nr. 9, 27. Februar 1875, S. 139-141; Nr. 10, 6. März 1875, S. 150-152
Heinrich Hubert Houben: Theodor Döring in Alt-Pesth. In: Pester Lloyd. Budapest. Nr. 7, 8. Januar 1903, [S. 2-3]
Hermann Arthur Lier: Döring, Theodor. In: Allgemeine Deutsche Biographie. Leipzig. Duncker u. Humblot, 1904. Bd. 48, S. 29-31 [Online-Version URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116168773.html#adbcontent]
Christoph Petzsch: Döring, Theodor. In: Neue Deutsche Biographie. Berlin: Duncker u. Humblot, 1959. Bd. 4, S. 33 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116168773.html#ndbcontent]
Max Ring: Aus dem Leben deutscher Schauspieler. 2. Theodor Döring. In: Die Gartenlaube. Leipzig. Nr. 29, 1863, S. 452-456
Alfred Stöger: Theodor Döring. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Theaters im 19. Jahrhundert. Diss. Wien 1956
Umfangreichere Beiträge Gutzkows über Döring#
[Karl] G[utzkow]: Gallerie deutscher Schauspieler. I. Theodor Döring. In: Telegraph für Deutschland. Hamburg. Nr. 136, [28.] August 1839, S. 1097-1103. (Rasch 3.39.08.28)
[Anon.:] Theodor Döring in Weimar. In: Unterhaltungen an häuslichen Herd. Leipzig. 3. F., Bd. 2, Nr. 29, 11. Juli 1862, S. 577-578. (Rasch 3.62.07.17.2)
Karl Gutzkow: Zwei Gefangene. Ein Erlebnis. In: Über Land und Meer. Stuttgart. Bd. 21, Nr. 1-2, Oktober 1868, S. 1-3, 17.19. (Rasch 3.68.10.1) GWB VII, Bd. 3. S. 49-79
Karl Gutzkow: Ein Beitrag zu Theodor Dörings Biographie. Oder: Der Schein trügt. In: Deutsches Montags-Blatt. Berlin. Nr. 51, 23. Dezember 1878, S. 4-5. – Enthält einen Brief Döring an Gutzkow vom 14. Januar 1842. (Rasch 3.78.12.23)
Zitat- und Belegstellen#
Berliner Eindrücke (1844), eGWB VI, Bd. 3, pdf 1.0, S. 5-8
(Wolfgang Rasch)