Frenzel, Karl#
Metadaten#
- Autor
- Wolfgang Rasch
- Fassung
- 1.1: Anpassungen, kleine Ergänzung
- Letzte Bearbeitung
- 29.12.2020
Text#
Frenzel, Karl#
Karl Wilhelm Theodor Frenzel (1827-1914, Pseud.: Carl Frey), Schriftsteller, Journalist, Theaterkritiker; Briefpartner und wichtigster Mitarbeiter Gutzkows an den "Unterhaltungen am häuslichen Herd".
→ Bilder und Materialien: Bilder. Zeitgenossen Gutzkows.
Allgemeines #
Frenzel stammt aus kleinen Verhältnissen, verlor früh seinen Vater und wuchs in Berlin unter der Obhut eines Onkels auf, der eine Buchbinderei im Universitätsviertel an der Ecke Friedrich-/Dorotheenstraße betrieb. Ende der 30er Jahre besuchte Frenzel die Dorotheenstädtische Realschule. Sein Lehrer für Deutsch und Geschichte war hier Karl Friedrich Köppen, der seine Schüler für die Ideale Schillers begeisterte und mit moderner Literatur bekannt machte. Frenzels spätere Vorlieben für Geschichte und besonders für den Geist des 18. Jahrhunderts sind von Köppen angeregt worden. Gefördert von diesem kam Frenzel schließlich auf das traditionsreiche Friedrichs-Werdersche-Gymnasium. Noch während seiner Gymnasialzeit veröffentlichte er unter dem Pseudonym Carl Frey erste Gedichte im "Berliner Figaro".
Der Ausbruch der Revolution im März 1848 wurde von ihm begeistert begrüßt. Als Besucher des Demokratischen Clubs lernte er im September 1848 die Frauenrechtlerin und Revolutionärin Louise Aston kennen. Gemeinsam gründeten sie die Zeitschrift "Der Freischärler. Für Kunst und sociales Leben", die bald verboten wurde, nachdem Louise Aston aus Berlin ausgewiesen worden war. Im Oktober 1849 begann Frenzel an der Berliner Universität Geschichte, Philologie und Philosophie zu studieren. Ranke, Hotho, Böckh gehörten zu seinen Lehrern. 1853 schloss er sein Studium mit einer Promotion ab. Seine dürftige Lage berücksichtigend, entschied er sich für den Brotberuf des Lehrers, absolvierte sein wissenschaftliches Lehrerexamen und unterrichtete bis in die sechziger Jahre an der Dorotheenstädtischen Realschule. Nebenher schrieb der außerordentlich ehrgeizige und fleißige Frenzel Rezensionen für Berliner Zeitungen und lieferte für Zeitschriften Korrespondenzartikel, Novellen und vornehmlich historische Essays, die einen klugen und stilistisch ausgezeichneten Ranke-Schüler erkennen lassen.
Gutzkow, dem Frenzel im Mai 1853 Beiträge für die "Unterhaltungen am häuslichen Herd" zugeschickt hatte, erkannte sogleich dessen außerordentliche publizistische Begabung, gewann ihn als Mitarbeiter und machte ihn schon nach wenigen Jahren zu seiner rechten Hand. So erwarb sich Frenzel in den 50er Jahren einen beachtlichen Ruf als Publizist. 1859 erschien sein erstes Buch, "Dichter und Frauen", eine Sammlung historischer Essays. Es folgten bald Romane, Novellen- und weitere Essaybände. Nach den Romanen "Melusine" (1860), "Vanitas" (1860) und "Die drei Grazien" (1862) widmete sich Frenzel dem populären Genre des historischen Romans, wobei ihm seine gediegene historische Bildung zugute kam. "Charlotte Corday" (1864), "Papst Ganganelli"(1864), "Watteau" (1864), "Freier Boden" (1867), "Im goldenen Zeitalter" (1870), "Lucifer" (1873), zum Teil mehrbändige Romane, sind überwiegend im 18. Jahrhundert angesiedelt. Sie bescherten dem Dichter wie auch die später folgenden Gesellschafts- und Zeitromane "Silvia" (1875), "Geld" (1885), "Dunst" (1887) oder "Schönheit" (1887) nur Achtungserfolge. Frenzels Romane und Erzählungen sind sämtlich schnell vergessen worden. Eine Laufbahn als Dramatiker verfolgte er erst gar nicht; frühere dramatische Versuche vernichtete er, lediglich das Trauerspiel "Attila" ließ er 1857 als Manuskript drucken.
Seine große Zeit begann im Juni 1861, als er den Posten eines fest angestellten Redakteurs bei der Berliner "Nationalzeitung" übernahm. Von 1865 bis 1905 war er Leiter des Feuilletonteils. Der enorme Einfluss dieser liberalen Zeitung verlieh dem Feuilletonredakteur eine kaum anfechtbare Machtposition im literarischen Leben weit über Berlins Grenzen hinaus. Frenzels gewandte Feder, seine soliden Kenntnisse, seine unpersönlich-sachliche, ja kühle Art zu urteilen, seine liberale Grundüberzeugung und sein Unabhängigkeitsstreben taten das Übrige, um ihn in den folgenden drei Jahrzehnten zu einem der bekanntesten Kritiker Deutschlands aufsteigen zu lassen. Besonders als Theaterkritiker – seit 1862 war er als Nachfolger von Eduard Tempeltey Referent für das Berliner Hoftheater und somit in den 70er und 80er Jahren Kollege Fontanes (Theaterkritiker der "Vossischen Zeitung") – wurde er zu einer Säule der "Nationalzeitung". Seine Initialen K. Fr. waren berühmt, das Urteil des "Berliner Nikolaiten" (Paul Schlenther) und "kritischen Orakels von Berlin" (Franz Mehring) im letzten Jahrhundertdrittel war für breite Leserkreise maßgebend.
Von 1863-64 gab er zusätzlich die "Unterhaltungen am häuslichen Herd" heraus und war von 1866-67 Mitherausgeber von Prutz' "Deutschem Museum". Anteil hatte er 1874 an der Gründung der "Deutschen Rundschau" seines Freundes Julius Rodenberg; hier publizierte er nicht nur mehrere Romane und Novellen, sondern war auch über viele Jahre Referent der "Rundschau" für die Berliner Bühne. Nicht nur als Kritiker, Essayist, Novellist und Romancier war Frenzel eine auffallende Erscheinung in der zeitgenössischen Literatur. Auch mit seinen übrigen Aktivitäten machte er seinen Einfluss geltend, so als Mitbegründer des Vereins Berliner Presse oder als federführendes Mitglied des Berliner Zweigvereins der Schillerstiftung.
Gutzkow und Frenzel #
Im Nachlass Gutzkows (Stadt- und Unversitätsbibliothek Frankfurt/M.) befinden sich mehrere hundert Briefe von Karl Frenzel an Gutzkow und Abschriften von Briefen Gutzkows an Frenzel aus dem Zeitraum 1853 bis 1871. Sie belegen die jahrelange intensive Zusammenarbeit, die sich über Gutzkows "Unterhaltungen am häuslichen Herd" ergeben hatte. Nachdem Frenzel schon 1853 mehrere Arbeiten an Gutzkow geschickt hatte, forderte dieser ihn zu weiteren Einsendungen auf, schickte ihm Bücher zur Rezension, animierte ihn, über das Berliner Kultur- und Gesellschaftsleben zu schreiben und zog ihn schließlich zur Redaktionsarbeit heran. Frenzel übernahm zeitweilig einen Teil der Korrespondenz mit anderen Mitarbeitern der Zeitschrift, las eingeschickte Novellen und Aufsätze, um sie Gutzkow zur Aufnahme zu empfehlen oder um sie abzulehnen, redigierte Beiträge und vertrat Gutzkow, der von seinem Roman "Der Zauberer von Rom" immer stärker in Anspruch genommen wurde, mehrfach als Redakteur. Von Oktober 1856 bis März 1857, Juli bis Oktober 1857, April bis Juni 1858 leitete Frenzel inkognito das Blatt. Die charakteristische Praxis Gutzkows, bestimmte Themen zur Ausarbeitung vorzuschlagen, das Resultat anschließend zu ergänzen und ihm den letzten Schliff zu geben, erbrachte eine Kooperation auch im literarischen Sinne: Zahlreiche Beiträge der "Unterhaltungen am häuslichen Herd" sind von Frenzel und Gutzkow gemeinsam verfasst worden. Gutzkows 'erzieherische' Funktion in diesen Lehrjahren Frenzels hat dieser später wiederholt betont. So bemerkt er zu seinem Werdegang als Theaterkritiker 1877: "Wie sehr mich jedoch das Theater anzog und beschäftigte, ein glücklicher Stern hat es verhindert, daß ich frühzeitig und unreif 'Theaterkritiker' wurde. Karl Gutzkow, dem ich in so Vielem Anregung und Beispiel verdanke, war es, der zuerst diese Ader in mir weckte. In seinen 'Unterhaltungen am häuslichen Herd' finden sich in den 'Berliner Briefen' eine Anzahl von Schauspielerskizzen und Theaterberichten, die von mir, wenigstens in ihrem Entwurf, herrühren: der Meister hat dann in seinem Sinn und seiner Weise daran gefeilt" (Karl Frenzel: Vorwort. In: K.F.: Berliner Dramaturgie. Bd 1, Erfurt: Bartholomäus, [1881], S. 19).
Über diese Arbeitsgemeinschaft hinaus entwickelte sich zwischen Gutzkow und Frenzel ein vertrauensvolles Freundschaftsverhältnis, das durch persönliche Begegnungen in Dresden und Berlin vertieft wurde und auch die Familien mit einbezog. Seit Sommer 1861 duzten sich Gutzkow und Frenzel. Frenzel hat sich Gutzkow gegenüber stets loyal verhalten, ohne jemals in eine Art Abhängigkeits- oder gar Hörigkeitsverhältnis zu geraten. Waren sich Redakteur und Mitarbeiter oft einig, was etwa politische Standpunkte oder Urteile über Bücher und Menschen betraf, so hat Frenzel von Anfang an abweichende Ansichten Gutzkow gegenüber selbstbewusst und energisch vertreten, Beziehungen und Freundschaften zu Schriftstellern gepflegt, die - wie etwa Fanny Lewald in Berlin oder Emil Kuh in Wien - Gutzkow keineswegs freundlich gesinnt waren.
Frenzel hat viele Beiträge über Gutzkow verfasst, zahlreiche Neuerscheinungen rezensiert und Bühnenwerke besprochen. Gutzkow hat sich dagegen nur selten öffentlich zu Frenzel geäußert. Nachdem Frenzel 1863 die Redaktion der "Unterhaltungen am häuslichen Herd" offiziell übernommen hatte, flaute der Briefwechsel mit Gutzkow ab und die Beziehung lockerte sich. Zerbrochen ist das Freundschaftsverhältnis schließlich an Frenzels Urteil über Gutzkows Roman "Hohenschwangau". Frenzel hatte eine andere Vorstellung von dem, was ein historischer Roman zu leisten habe. "Ich bin der Ansicht, daß der historische Roman große Thaten und große Männer im großen Stil darzustellen habe", schreibt Frenzel am 25. Juli 1868 an Gutzkow, "die Hühneraugenanekdoten liebe ich nicht. Du bist der gerade entgegengesetzten Ansicht, auch gut, und da wir beide noch leben, schreiben und ein Publikum finden, muß wohl in jeder Ansicht ein Quantum Wahrheit und eine gewisse Anziehungskraft liegen." (Karl Frenzel an Karl Gutzkow, 25. Juli 1868. Fundort: StUbF, Nachlass Gutzkow) Frenzels Urteil kränkte und verbitterte Gutzkow immens. In einem Brief an Levin Schücking vom 1. Mai 1869 beklagt er sich: "Unfreundliche Kritik, die von Niemand herber geübt wurde, als von meinem inzwischen immer selbständiger u. anmaßender gewordenen "Freund" Frenzel (dem ich vor Jahren die Stellung an der Nationalzeitg. verschafft hatte, ich die Fortsetzung meiner Unterhaltungen am häusl. Herd, ich die Fortsetzung des Museums) hinderte den Erfolg des Buches beim Publikum [...]." (Der Briefwechsel zwischen Karl Gutzkow und Levin Schücking. Hg. von Wolfgang Rasch, Bielefeld 1998, S. 122-123)
Als Gutzkow im Sommer 1869 nach Berlin zog, vermied er ein Zusammentreffen mit Frenzel sorgfältig. Eine letzte - lediglich schriftliche und folgenlose - Kontaktaufnahme fand im Januar 1871 statt, als Frenzel über die Uraufführung von "Der Gefangene von Metz" in der "Nationalzeitung" berichtete.
Bibliographie #
Deutsches Schriftsteller-Lexikon. 1830-1880. Bearb. von Herbert Jacob, Bd. 2, Tl. 2, Berlin 1998, S. 400-409.
Werke / Ausgaben (Auswahl) #
Eine Gesamtausgabe der Werke Frenzels gibt es nicht; hier werden nur die Werkauswahl und wichtigen Aufsatzsammlungen genannt:
Karl Frenzel: Gesammelte Werke. 6 Bde, Leipzig: Friedrich, 1890-1892.
Büsten und Bilder. Studien. Hannover: Rümpler, 1864. (Darin ein Essay über Gutzkow von 1859 sowie eine umfassende Kritik des "Zauberer von Rom").
Neue Studien. Berlin: Dümmler, 1869.
Berliner Dramaturgie. 2 Bde. Hannover: Rümpler, 1877. (Auswahl der Theaterkritiken, die Frenzel seit 1862 für die "Nationalzeitung" schrieb; darin auch Besprechung mehrerer Stücke Gutzkows; eine Titelauflage erschien 1881 in Erfurt).
Erinnerungen und Strömungen. Leipzig: Friedrich, [1890]. (Darin einzelne Beiträge u.a. über Gutzkow, Auerbach, Fanny Lewald, Ernst Dohm, Alfred Meißner und der für Frenzels literarische Sozialisation aufschlussreiche Text "Wie ich in die Litteratur kam").
Die Berliner Märztage und andere Erinnerungen. Leipzig: Reclam, [1912]. (Enthält: Die Berliner Märztage. – Aus meiner Studienzeit. – Dresdener Ferientage. – Weimarer Erinnerungen).
Quellen/Briefe#
Wolfgang Rasch (Hg.): "Ihm war nichts fest und alles problematisch". Karl Frenzels Erinnerungen an Karl Gutzkow. Mit einigen ungedruckten Briefen Gutzkows an Frenzel. Bargfeld, 1994. (Edition im Luttertaler Händedruck. 6)
Nachlass #
Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv
Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz (Teilnachlass)
Forschungsliteratur (Auswahl) #
Ernst Wechsler: Karl Frenzel. Leipzig: Friedrich 1891.
Horst Ribeiro: Der Theaterkritiker Karl Frenzel. Phil. Diss. Berlin-West 1953.
Nina Peters: „Sie kennen dies Gebiet wie die Friedrichstrasse.“ Der Schriftsteller Karl Frenzel und seine Beziehung zu Karl Gutzkow. In: Berliner Hefte zur Geschichte des literarischen Lebens. Berlin. Heft 6, 2004, S. 85–104.
(Wolfgang Rasch, Berlin)