Ueber innere Mission
Auszug
Man ist vollkommen berechtigt, die innere Mission eine Parallele des Communismus zu nennen. Es ist die geistliche Kehrseite einer und derselben Aufgabe. Wie der Communismus anknüpft an die Leiden und Gebrechen der Gesellschaft, an die physischen und moralischen Krankheiten des Lebens, an Armuth, Uebervölkerung, Verbrechen, physisches und sittliches Elend, so die innere Mission. Nur in der Abhülfe dieser Mißstände sind sich Beide, Pole desselben moralischen Durchmessers unsrer Erdkugel, völlig entgegengesetzt.
Der Communismus will die Menschheit verbessern, die innere Mission den Menschen. Jener führt alles Elend auf die Verderbniß des Staates, diese zunächst auf die Verderbniß der Kirche zurück. Beide sind darin einverstanden, daß ein einzelnes Heilen und Sorgen an einer einzelnen Stelle nicht mehr hilft. Jener hat offen die Nothwendigkeit einer radikalen neuen Organisation der Gesellschaft und der allgemeinen Gleichberechtigung an den Gütern der Erde ausgesprochen; diese drängt, es ist unverkennbar, nach einer viel umfassenderen Form hinaus, als bisher in dem vereinzelten Wirken ihrer Vereine lag. Mit den Frauenver- einen, Krankenvereinen, Diakonen- und Diakonissenanstalten, den Bibelgesellschaften, den geistlichen Buchhandlungen, den Besserungsanstalten verwahrloster Kinder u. s. w. allein ist der innern Mission nicht mehr gedient. Sie strebt dahin, ein organisches Glied des Staates und der Kirche zu werden und alles das, was am alten Staate und der alten Kirche ihr widerspricht, nach ihrem Bedürfnisse umzumodeln und das ganze Leben in ihrer Art und Weise zu verjüngen und zu erfrischen.