Internationales Autor- und Verlagsrecht.
Auszug
Wo wir hinsehen in Deutschland, leiden wir (auch eine Folge unserer Kleinstaaterei) an einem Uebermaß von Buchfabrikation. Dem kleinsten Orte verschlägt es nichts, mit wenig Geld, hinlänglicher Druckerschwärze, Papier und den rosenrothsten Illusionen Bücher über Bücher in die Welt zu setzen. Je weniger dabei ein Autor benöthigt ist, desto besser. Die Uebersetzungsfabrikation, der Nachdruck fremdländischer Originalien war eine Lieblingsbeschäftigung dieser gedankenlosen Ueberführung des literarischen Marktes. Keine literarische Idee taucht bei uns auf, die nicht sofort ihre fünf- und sechsfache Nachahmung fände. Der Gedanke: Dies neue Journal, dies Reisehandbuch, dies Unterhaltungsmagazin, dies Nachschlagewörterbuch ernährt deinen Collegen in Leipzig, Stuttgart, Berlin, laß’ ihm die Früchte seines Fleißes oder seines Glücks –! existirt innerhalb der Buchhändlerwelt in dem Grade nicht , daß auf jede gut einschlagende neue Idee im Gegentheil ein halbes Dutzend Nachahmungen und Gegenoperationen erscheint. Wir haben uns durch dies System zu einer Höhe von Papierverbrauch hinaufgeschwindelt, daß wir positiv z. B. mehr belletristische, ja auch fachwissenschaftliche und gar erst politische Zeitungen besitzen, als von den vorhandenen producirenden Kräften zweckmäßig gefüllt werden können. Diesem wildnaturalistischen System, das zuweilen in wahrhaftes Freibeuterthum ausartet, war es freilich der peinlichste Gedanke, daß z. B. ein neuer Roman von Dickens erscheinen kann und ein Verleger in Leipzig sich das alleinige Recht des Nachdrucks oder der Uebersetzung auf deutschem Boden erwirbt; diese Herren sind untröstlich, daß nicht sofort ein Dutzend Uebersetzungsfedern in allen Gegenden Deutschlands darüber herfallen und durch die dann naturgemäß eintretende Concurrenz diese Art Literatur auf Bändchen à 2 Neugroschen, gefährlich genug für die concurrirende deutsche Literatur, herunterbringen können. Ebenso müssen ihre Nachdruckspressen ruhen, wenn sie sehen, daß sich B. Tauchnitz für seine bekannte Collection die englischen Verlagsrechte erwirbt und dadurch möglich macht, daß die fremden Werke nur für ihn existiren.
Die Einrede, daß die Fremden uns viel weniger von den Vortheilen dieses Vertrags zufließen lassen, als sie nunmehr der Vortheile bei uns genießen, will bei einiger Selbsterkenntniß nichts bedeuten. Die Berechtigung derselben ist auch nur eine vorläufige; die Achtung vor unserer Literatur nimmt im Ausland zu. Man frage nur diejenigen deutschen Autoren, die bisjetzt vom internationalen Verlagsrecht Vortheile zogen, ob sie dieselben künftig entbehren möchten. Ebenso wenig will es etwas sagen, wenn man erwidert: „Longfellow sichert sich sein Autorrecht in Deutschland und erhält dafür einen – schlechten Uebersetzer, während ihm die freigegebene Concurrenz einen vorzüglichen zuführen könnte!“ Es wird dem Ruhme Longfellow’s wenig schaden, wenn ein ausgezeichneter Uebersetzer erst in einigen Jahren, nachdem sein Autorrecht erloschen, an seine Werke kommt; Byron wurde jahrelang in Adrian’s höchst mittelmäßiger Uebersetzung gelesen, ehe sich Gustav Pfizer und Adolf Böttger an ihn machten; ebenso wird auch wol Ranke schon von selbst dafür Sorge tragen, daß sein erster englischer Uebersetzer kein gewöhnlicher Miethling ist.