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Die Buchhändlermesse

Auszug

° Leipzig. Den Tuch-, Leder- und Calicohändlern hat Merkur mit seinem Flügelstabe dießmal, trotz Krieg und Revolution, goldene Ernten gezaubert; als aber die Buchhändler mit ihren Strazzen und Verlangslisten kamen, floh der schlimme Gott auf behenden Sohlen davon, und die Messe verdient weit mehr Lugete- als Jubilate-Messe genannt zu werden. Das Eine nur war an dieser Messe tröstlich: es zeigte sich ein guter geschäftlicher Wille. Einige der ersten Sortimentsherren waren persönlich auf dem Platz erschienen. Jene Anarchie, die im vorigen Jahr in dieß im ganzen so schön geordnete deutsche Buchhandlungswesen hereinzubrechen drohte, hat sich nicht fortgesetzt, im Gegentheil würde man gern gezahlt haben, wenn nur mehr – abgesetzt gewesen wäre. Die dießjährige Messe war der völlige Gegensatz der vorjährigen. Vorm Jahre das dem buchhändlerischen Verkehr außerordentlich günstig gewesene Jahr 1847; aber in den Wirren der Zeit keine Abrechnung und noch weniger baare Deckung. In diesem Jahre viel solide Neigung dem Verfall des Buchhandels durch klingende Erfüllung seiner Verpflichtungen entgegenzuarbeiten, aber die Basis davon: das dem Bücherabsatz völlig unfruchtbar gewesene Jahr 1848! Wer hatte Muße und Lust etwas anderes zu lesen als Zeitungen? Wer hielt nicht ängstlich Haus mit seinen finanziellen Mitteln? Die Aufhebung der Censur benahm den Reiz der Verbote, die so vielen Schriften sonst zur Beförderung ihres Absatzes dienten. Oesterreich, durch seine Büchersperre sonst so bücherlüstern, ist gegen die Litteratur entweder jetzt ganz blasirt oder von Krieg, Revolution und Zeitungslectüre so in Anspruch genommen daß das Geschäft nach jener sonst so ergiebigen Gegend hin dießmal kaum in Betracht kam. Wenn nicht glücklicherweise die deutsche Sprache auch außerhalb Deutschlands geliebt wäre, würde unser Buchhandel unter jetzigen Umständen kaum bestehen können. Das Interesse das in Amerika, England und den russischen Ostseeprovinzen am deutschen Büchermarkte noch genommen wird, hat ihm dießmal fast ausschließlich die baaren Geldmittel zugeführt, mit denen der Buchhandel bis zum nächsten Jahre sich fristen soll. Und wie wird es dann aussehen? Ist der vaterländische Boden von Rosseshufen zerstampft, mit Bruderblut befleckt – wer weiß ob dann nicht die Bücher als Streu in den Ställen der Kosaken dienen! Vielleicht wirkt der allgemeinen Verwilderung der Gemüther und der einseitigen Verflachung unserer geistigen Interessen, etwas wenigstens, die Goethe-Feier entgegen. Die Regierungen die ihre Kraft jetzt nur in Spitzkugeln und Shrapnells suchen müssen, sollten zur Versöhnung der Humanität etwas für die Erinnerung an Goethe’s hundertjährige Geburt thun, und auf die Belagerungszustände des Vaterlands einige, wenn auch Treibhausblumen streuen. Ein Aufblick zu den Wahrheiten und Gütern, die über den Kampf der Parteien erhaben sind, thut der Nation wahrlich noth!