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Ein deutsches Dichterleben

Auszug

Das Leben unserer ältern Dichter verlief größtentheils sehr einfach. Sie hatten meistens studirt, dann ein Amt angetreten und dichteten in ihren Mußestunden. Wessen Genius höhere Flüge versuchte, der sah sich zeitig nach „Gönnern“, „Mäcenen“ um und fand sie im höhern Adel und Fürstenstande. Es wurde keinem unserer großen Geister verdacht, wenn er ambirte, petitionirte, Huldigungsgedichte schrieb, Widmungen seiner Werke erließ und sich in den Besitz eines Amts, einer Pension in den üblichen Formen der unterthänigsten Devotion zu versetzen suchte. Die vielen Bittbriefe dieser Art, Briefe, die von Klopstock an bis auf Jean Paul genugsam existiren, verdenkt diesen großen Namen jetzt Niemand. Im Gegentheil: sie rühren uns.

Mit der Gegenwart ist es anders. Die Dichter des Tags theilen sich in zwei Classen: in harmlose und anstößige. Harmlos sind die Poeten, die in ihrer frühesten Entwickelung, in ihrem Naturell, in den Umständen ihrer allmäligen Ausbildung vor dem Zusammenhang mit den Kämpfen der Zeit bewahrt blieben. Anstößig sind diejenigen, die ihr Naturell, ihr Bildungsgang früh auf die Arena der Zeitkämpfe führte und denen sich ihr Dichten und Trachten mit den philosophischen, kirchlichen und politischen Debatten des Tags versetzte. Sie werden, wie 1853 der Geschmack ist, immer seltener. Die Zeit hat Warnungstafeln aufgestellt.