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Ein Besuch bei Göthe

Auszug

Indessen giebt es wohl zur Stunde noch keine Stadt in Deutschland, wo die Literatur so frei und behaglich Athem schöpfen dürfte, als Weimar. Die Luft ist hier mit den klassischen Namen der Nation geschwängert. Die Lohnbedienten und die Gasthöfe leben von dem Tafelabhub, der vom frühern Göttergastmahl der Literatur hier übrig geblieben ist. Könnten wir nur wieder einen berühmten Mann hierherziehen! sagte mein Lohndiener, und ich schlug ihm vor, Subscribenten zu sammeln und etwa Männer wie Raupach oder Rellstab einzuladen. Er schrieb sich die Namen auf und betreibt vielleicht schon im Geheimen meinen guten Rath. Die Literatur ist in der That in Weimar Etwas, das zum Ganzen, zum Staate, mitgehört. Der Hof selbst ist noch unschlüssig: soll er’s machen, wie alle andern Höfe und seine Begriffe in zwei nackte Gegensätze auflösen: Legitimität und Demagogie; oder soll er der Göthe’schen Schule Ehre machen und   die Literatur mit ihren kleinen poetischen Blumenkränzen und großen Etikettenverstößen wieder zum Handkuß lassen? Noch ist Göthe’s Name mit einigen Würdeträgern des Hofes verwandtschaftlich verbunden. Noch lebt Stephan Schütze in Weimar! Noch arbeiten Staatsminister am Taschenbuch der Liebe und Freundschaft mit. Ohne Scherz, die Fürstin ladet alle vierzehn Tage bei sich ein, was sich in Weimar und Jena von Literatur nur auftreiben läßt. Novellen werden vorgelesen und Theorien über das Schöne. Von Weimar kommt die Produktion, von Jena die Kritik und das System. Stoff zu einem geistigen höhern Wirken, das sogar die Freude hätte, sich an Gegebenes lehnen zu dürfen, ist genug in Weimar da; wer ihn nur zu bemeistern wüßte!

Göthe schrieb auch im Stehen, und merkwürdigerweise  gegen  das Licht. An einem solchen Orte grübelt man über Alles, und so führ’ ich dies an, weil ja Jedem unwillkürlich einfallen wird: In der That, er schrieb  gegen  das Licht. Er ließ sich die Sonne auf den Rücken, nicht aufs Herz scheinen. Sonst ist Alles, was man in dem Zimmer anrührt, todt und kalt. Es scheint zu verwesen, seitdem der Herrscher darüber nicht mehr ist. Ich dankte Gott, als ich draußen auf der Straße wieder frische Luft schöpfte. Ich war wieder ein freier und eigner Mann, und hütete mich wohl, ob ich gleich auf heiligem Boden stand, der mir unter den Füßen brannte, mathematisch und wörtlich mit Eckermann und Riemer zu untersuchen, wo wohl noch Spuren von Göthe’s Fußtapfen auf der Treppe oder an dem Kratzeisen vor dem Hause zu finden wären.