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Der deutsche Roman

Auszug

Die Aspekte für den deutschen Roman konstelliren sich jetzt anders. Seit einigen Jahren haben sich einige mehr oder minder vorzügliche Romane herausgegeben, welche von den Herren König, Rehfues, Steffens, Tieck, Rellstab und W. Alexis herrühren. Ich weiß, daß mehr oder minder poetische Kraft, innere und äußere Kraft, Kraft im Einzelnen, in diesen Schöpfungen hervorgehoben zu werden verdient; doch kann ich nicht umhin, dies Eigenthümliche derselben vorzugsweise in dem Ausdruck: Bildung und Reife zu finden. Himmel, darauf kommt sehr viel an! Wir sehen fertige, vollkommene Menschen, welche ihres Gegenstandes Meister sind, ihn mit plastischer Ruhe beherrschen und so viel Phantasie besitzen, daß sie auf die Wirkung ihrer Arbeiten spekuliren können. Hier ist zwar keine Idee mehr, auch keine Poesie, was man eigentlich Poesie nennt, Poesie mit dem Anlaufe eines Titanen, elastische Poesie; aber Interesse und Unterhaltung und gute Gesellschaft. Die Werke dieser Herren kann die Keuschheit in die Hand nehmen, und der Gelehrte und Gebildete, der Überdruß empfindet an der bisherigen nur auf Kinder und Pöbel berechneten Romanenliteratur, läßt sich wieder mit einer Gattung versöhnen, welche die verrufenste in der Literatur war. Dieses hier muß vornehmlich geschätzt werden, und ich werde immer erst den Hut abnehmen, wenn ich jenen Herren in diesen Blättern etwas im Vertrauen zu sagen habe.

Das Ächte und wahrhaft Classische bleibt freilich immer die Idee. Die Idee muß den Roman regieren; aber man frage mich nicht, welche? Nur dies eine Merkmal kann ich angeben, daß sie etwas Ähnlichkeit mit einer Leidenschaft haben muß; auch hab’ ich nichts dagegen, wenn man deutlicher sagen will: die Leidenschaft muß den Roman regieren. Das dritte Wort, das hieher gehört, ist die Kunst; und nun will ich sagen, daß in dieser Gattung, welche die allein literarhistorische ist, erst drei Autoren geschrieben haben unter den Neueren; 1) ich, 2) Heinrich Laube und 3) Emerentius Scävola. Alle drei haben bis jetzt noch Fehler gemacht: der Erste, weil er einen Roman schrieb (Maha Guru), der aus Idee und Kunst zusammengesetzt war, dem aber die Leidenschaft fehlte: der Zweite, weil er eine Novelle schrieb (das junge Europa), die aus Idee und Leidenschaft zusammengesetzt war, der aber die Kunst fehlte: der Dritte, der alle drei Erfordernisse in sich verbindet, und doch nicht für klassisch gelten kann, weil er ohne Weihe ist und die Klippe des Ordinären nicht immer vermeidet, welche die beiden ersten niemals zu fürchten haben.