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Zur neuesten Literatur, von L. Wienbarg

Auszug

Wienbarg ist besonders reich an Ideen, welche perspektivisch sind, welche zu einer Gedankenreihe anregen, die belebend auf uns wirkt. Rupfen wir z. B. aus seinem ersten Aufsatze: Göthe und die Weltliteratur , die schöne Feder heraus: „die jetzige deutsche Literatur soll sich der Rückwirkung nicht schämen, welche sie von Seiten der französischen und englischen empfängt;“ so gerathen wir in einen Flug von Abstraktionen, der unserm Scharfsinne die seligste Beschäftigung gibt. Ebenso Anderes. Die beiden Artikel über den Fürsten Pückler sind Musterstücke über den Gebrauch des Witzes in der Kritik. Vielleicht wurde Wienbarg von seinen demokratischen Antipathien zuweit fortgerissen, vielleicht ist er sogar ungerecht gegen Etwas, was weniger in dem Fürsten selbst, als in seiner Stellung so bemerkenswerth ist; aber wer könnte dieser edlen Entrüstung widerstehen, mit welcher Wienbarg eine laxe Äußerung des Fürsten über Repressalien verfolgt, verfolgt bis auf’s Blut des Mannes, und ihn zuletzt durch eben diese Äußerung in seinem ganzen Wesen zu charakterisiren sucht? Wer je ein anerkennendes Wort über den Fürsten gesprochen, wird durch die Wahrheit, welche in Wienbarg’s Kritik liegt, diesmal schaamroth gemacht werden. Derselbe Adel und Stolz der Gesinnung herrscht in dem klassisch geschriebenen Artikel: Raupach und die deutsche Bühne , obschon wir hier nicht so eifrig, wie Wienbarg, das Nationale urgiren und uns bereden, von der Vermählung des Vaterländischen mit der Kunst viel erwarten zu dürfen. Die Deutschen haben keinen historischen Sinn, und werden ihn am wenigsten durch ihre eigne Geschichte zu stählen lernen. Der Aufruf des Kunstrichters kann immer nur der sein: Gebt Leidenschaften ! Die Leidenschaften reißen hin, und völlig indifferent ist es, ob sie in einer historischen Begebenheit oder in einer Anekdote, welche der Dichter sich selbst verdankt, zum Vorschein kommen. Das Historische machte Schillers Wallenstein nicht zur Nationaltragödie, wie sie Wienbarg nennt, sondern Alles, was hier drum und dran ist an Ehrgeiz, Astrologie, Sentimentalität und militärischem Spektakel. Schon deßhalb soll eine Kritik, die die schöpferische Kraft wecken will, (das ist das geheime Band, welches das System unsrer Blätter so freundschaftlich mit den ästhetischen Ansichten Wienbarg’s verknüpft) soll jenen allgemeinen und vagen Rath über die Benutzung der Historie nicht geben, weil er am leichtesten mißverstanden ist. Der Aufsatz über Karl Immermann erläutert im Detail einige Behauptungen des vorangehenden Artikels und läßt viel Hübsches über rhetorische Darstellung lernen. Über Heinrich Heine spricht Wienbarg wie billig mit Entzücken, nur vergißt er eine Regel zu beobachten, welche für das Lob dieses wunderbaren Autors unerläßlich ist, nämlich die: sich die Hinterthür offen zu lassen. Man kann von Heine nie etwas Entschiedenes behaupten; denn seine poetische Natur wird sich und Andre immer Lügen strafen. Heine mag schreiben, was er will, so muß es schön sein. Soll er nun die Kritik am Gängelbande leiten und achtbare Männer und Männer, die wie Wienbarg für sich selbst stehen, verführen, Inkonsequenzen zu begehen? Man soll Heine nie ohne Cautelen loben und seinen Eifer immer im Schach zu halten suchen. Anders ist es mit dem Autor, welchem Wienbarg in dem letzten Artikel: Luzinde, Schleiermacher, Gutzkow so liebe und freundliche Worte sagt. Der wird nie üppig werden und aufhören, an sich zu feilen und zu raspeln. Der wird nie sein hohes Ziel aus den Augen verlieren: nämlich der Menschheit ein Schauspiel zu geben, das sie tröstet, erhebt und ihrem Auge eine grüne, lachende Weide ist. Ihm kann man schon etwas Ermunterndes sagen; denn er wird immer glauben, es geschähe nur, um ihn auf seine Fehler aufmerksam zu machen.