Wie kam es, daß Rousseau seine Kinder aussetzte? Beantwortet in einer novellistischen Skizze
Auszug
Düstergrollend sah Rousseau alle diese geheimen Eingriffe in sein Leben und immer maßloser wurde seine Sehnsucht nach Einsamkeit. Selbst in den Wintertagen blieb er im Park von Ermenonville, blieb unter Sturm, der die entlaubten Bäume schüttelte, im Schnee, der rings auf ihren Zweigen gespenstisch leuchtete. Während Therese dann schlief am Spinnrad, Rousseau, ein Blatt Papier vor sich, an der „Neuen Heloise“ dichtete und die Lampe düster brannte, sah er dann wohl im Geist geheimnißvolle Schatten um sich her schweben, Gestalten, die dies stille Haus im Walde so gern verwandelt hätten in einen Tempel der Häuslichkeit. Die lichten Engel nahmen die Züge seiner Kinder an. Zwei von ihnen hatten Flügel; diese waren wohl todt – das Dritte, ein Knabe, den man Emil getauft hatte, trug noch keine Flügel; er lebte wohl noch. Schwere Seufzer entrangen sich der Brust des Armen, der mit Hülfe der Künste und Wissenschaften die Welt glauben machen wollte, daß Künste und Wissenschaften sie um den Frieden und die Reinheit ihrer Sitten gebracht hätten! Damals mochte ihm schon eine Ahnung kommen, daß die wahre Philosophie nicht die Familie aus der Gesellschaft herleitet, sondern die Gesellschaft aus der Familie.