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Die Nihilisten. Eine Erzählung

Auszug

Sein Vertheidiger Eberhard Ott stellte den florumwundenen Hut zur Seite, begann ruhiger als sein Client, argumentirte sicherer und traf verwundender.

„Doch wozu Bilder! Man hat die Schöpfung aus dem Nichts für ein Wunder gehalten, das über unsere Vorstellungskraft und Glaubensfähigkeit hinausginge. Allein wie bildungsfähig das Nichts ist, lehrt die Erfahrung aller Tage. Die Negation um jeden Preis, die wir so bedeutungsvoll vorhin schildern hörten, erhebt sich überall jetzt von ihren Trümmerstätten, von ihren Kirchhöfen, ihren Unkrautgärten und fängt zu richten und zu schaffen an, langsam, vorsichtig, besonnen, vorläufig mit Anerkennung der Welt, wie sie sonst war und immer gewesen wäre und immer bleiben werde. Was mag es sein, was diese Besonnenheit, diese vortreffliche Ueberzeugung zu Stande brachte? Irdische Vortheile? Wer könnte diese Vermuthung aussprechen! Innere geistige Umwandlung? Diese zu glauben wäre ich eher geneigt, würde nicht Religion zu ihr gehören, Gottinnigkeit, innere Erleuchtung, eine solche Gesinnung, die vor den Thoren dieser Stadt für verlorene Seelen Johannes Repse’s Besserungshaus ins Leben rief. Was ist der Grund ihrer Erleuchtung? Ich sage: Die Erschöpfung ist es. Nihilisten hassen unsere Aufschwünge. Sie hassen Schwarz, sie hassen Weiß, sie finden, daß immer von Dem, was uns Zumuthungen an unsere Liebe und unsern Eifer stellt, nur das Gegentheil berechtigt ist. Der Wolf trübt dem Lamm das Wasser, weil er satt ist. Nichts ist ihnen darum erwiesen, nichts fest. Wie kann es Menschen geben, die aus der Zeit Hoffnungen für die Zeit schöpfen! Was reden wir von Wahrheit! Von Irrthum! Und doch – es gab in unserer Zeit ein Irren, das sich mit allen Lichtgewändern der Wahrheit schmücken durfte. Ein Irren gab es, das zu den Tugenden dieser Zeit ebenso gehört, wie die Parteinahme, die Solon’s Gesetze verlangten zur alten. Dies Irren in unsern Tagen ist ein verlorener Sohn, den nicht die Reue an das Herz des Vaters zurückführt, sondern den der Vater selber aufsuchen muß, weil er ihn elend sieht um seinetwillen und auf seine Schuld hin. Dies Irren der Zeit ist unsere eigene Seele, die sich in Andere flüchtete und in fremder Stätte vollzog, was wir selber in eigener einst träumten. Sie tritt uns entgegen, diese irrende Seele, aus Denen, die wir richten wollen. Sie erhebt sich, eine verhüllte Gestalt, mit dem Haupte der Erinnyen, sie streckt die Hand aus und droht dem Abtrünnigen, der die Mut- ter des eigenen Lebens nicht anerkennen will. Dies Irren der Zeit hat eine ebenso wahre Berechtigung, wie einst die Unentschlossenheit Hamlet’s – aber die Nihilisten kommen zuletzt darauf hinaus, alles Hoffen und Träumen und jedes Wollen und jeden Willen für überflüssig zu erklären. In der That! In einer Zeit solcher Geisteswandlungen ist es schwer, zwischen den Handlungen der Menschen die Grenze abzustecken.“