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Die Courstauben

Auszug

Man glaube ja nicht, daß Leontine, wenn sie von Freiheit sprach, Ideen hatte im Geiste der neuen materialistischen Philosophie! Sie kümmerte sich zwar mit einem Eifer, mit dem Jüdinnen so oft junge Christinnen beschämen, um Alles, was auf dem Gedankengebiete neu und anregend war, aber Das, was gerade sie Freiheit nannte, war ihr nur die Musik, die Poesie, der milde Schimmer der Sternennächte, das Mondenlicht, der Ruderschlag auf dem Golde jener italienischen Seen, zu denen sich ihre ganze Seele hingezogen fühlte. Ihre Freiheit war ihr die unendliche Sehnsucht nach Schönheit, ein namenloses Zerfließen in Idealen, die sie oft mit irdischen Namen nicht zu nennen wußte. Nur geographische wußte sie dafür anzugeben. Für den Anblick des Comersees z. B. hätte sie alle Partieen aufgegeben, von denen um sie her doch zuweilen geflüstert wurde … ein Flüstern, das ihr immer den Eindruck machte, als wenn sie, sitzend in ihrem Zimmer unter den breiten Blättern eines riesigen Gummibaums, blätternd in Gottfried Kinkel’s „Otto der Schütz“, vom drei oder vier Zimmer weit entfernten Comptoir ihres Vaters herüber das Ausschütten von Geldsäcken vernahm. Dieser Silberklang an sich war nicht unpoetisch, er war ihr auch nicht verhaßt, aber er war außerordentlich gewöhnlich. Er drückte bei ihr das Alltägliche aus. Das Geldeinnehmen und Geldgewinnen klang ihr fast so, als wenn sie jeden Morgen die tiefernsten Forschungen ihrer Mutter beobachten mußte, wenn diese mit einer fast contemplativen innern Mystik den täglichen Küchenzettel erfand.

Leontinens geheimste Gedanken verriethen, daß ihr auf jenem Nachen, mit dem sie durch den Comersee ihrer Ideale ruderte, regelmäßig nur Moritz Sancho das Steuer führte.