Briefe eines Narren an eine Närrin
Auszug
Jetzt muß ich mich schon wieder über Dich entzücken. Wie Du das nur Alles so anfängst! Wären meine Ideen nicht immer fix, sie müßten mir jetzt vor Erstaunen im Kopfe still stehen. Du bist so die beste Acquisition für einen deutschen Zeitungsschreiber. Wie der Koloß von Rhodus stehst Du in partieller Allgegenwart mit dem einen Fuße in London, mit dem andern in Paris. Da Dir dabei die Hände an den alten Oertern Deines Körpers werden sitzen geblieben sein, so müßtest Du zu gleicher Zeit aus beiden Städten correspondiren können. Aber ich mag bei der Bewunderung dieses unerhörten Phänomens nicht stehen bleiben, sondern wie jede kometenartige Erscheinung am Nachthimmel der Gedankenwelt einen langen Schweif von Folgen und Ergebnissen nach sich trägt, so mach’ ich daraus eine Nutzanwendung.
Ich trage mich mit dem Vorhaben, die ganze Weltgeschichte von Adam und Eva bis auf mich und Dich in einer neuen Weise zu bearbeiten. Man erzählt mir zu viel in der Geschichte, man schildert nicht. Man verwechselt das Bequeme in der Methode mit dem Passenden. Ich sage, die Gleichzeitigkeit, das Nebeneinander muß das Hauptziel der Darstellung bleiben . Die Geschichte ist kein Drama, sondern ein Epos. Der Historiker muß seine Personen zu lebenden Bildern ordnen. Darum stehst Du mit dem einen Beine in Lon- don, mit dem andern in Paris, weil – ich glaub’ an das Typische – weil die Synchronistik eingeführt werden muß. In jedem Wort, in jeder That die Anno 1000 vorkam, muß Alles enthalten sein, was zur selben Zeit geschah. Du lachst, wie ich heute auf einen so argen Docententon komme, aber vor Grimm gegen norddeutsche Ansichten könnt’ ich zum Professor werden. Da unterscheiden sie nämlich einen Weltgeist, der eigentlich Niemand anders ist, als der liebe Herrgott selbst. Der wandert von Asien her , ist eine ewige Metamorphose, schlägt alle hundert Meilen und hundert Jahre seine Bude auf, wo er sich sehen und von seinen Propheten, Moses, Zoroaster, Christus sich ausrufen läßt. Das nenn’ ich Blasphemie, und selbst dann noch so, wenn man den Weltgeist mit dem Geiste im Hamlet vergleicht, der wie ein Maulwurf bald hier bald da unterm Boden wühlt und ruft. Mein Gott, ich muß mich ja dawider erklären; denn Du als die letzte Erscheinung dieses Weltgeistes bist nun eben überall. Aber obschon Du so etwas Unbegreifliches bist, so laß doch um des Himmels willen jene wunderbare Eigenschaft Deiner zwiefachen Existenz nicht in Paris bekannt werden. Perier würde Dich auf ewig Deiner Freiheit berauben, weil Du damit dem Staate seine Söhne entbehr- lich machen könntest. Du weißt, daß diese das Privilegium der französischen Courierstiefel haben. Dafür höre folgenden Rath.