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Vor Freude sterben. Ein Literaturbild

Auszug

Zwanzig Jahre mögen verflossen sein, daß ich in Dresden durch eine Anzeige im Lokalblatt einen Abschreiber suchte. Sachsen ist das Land der Schreiber, der Copisten. Nirgend sind mir so viel Lebensläufe vorgekommen, die sich lediglich auf eine gute Handschrift und die Hoffnung gründen, einmal irgendwo in eine Kanzlei einrücken zu können. Von hundert Offerten, die ich erhielt, gab ich einer etwas steifen Handschrift den Vorzug, weil diese deutlich, correct war und weil der Besitzer derselben in einem eigenthümlichen Ton der Ironie von eignen schriftstellerischen Versuchen sprach. Ich ließ ihn zu mir kommen und suchte mich über seine Zuverlässigkeit zu orientiren. „Wie heißen Sie?“ - „Franz Binnewerck!“ - „Wo sind Sie her?“ - „Ich weiß es nicht!“ - „Wer waren Ihre Eltern?“ - „Die habe ich nicht gekannt!“ - „Aber Sie müssen doch wissen, wer diese gewesen -?“ - „Eine Mutter habe ich gewiß gehabt; möglich aber schon, daß auch diese in Verlegenheit gekommen wäre, meinen Vater zu nennen. Ich bin ein Findelkind, ganz im Waisenhause aufgewachsen und erzogen, habe mich dann als Lehrer versuchen wollen, wozu meine Persönlichkeit sich nicht eignete, und wurde hierauf Schreiber bei Advokaten in der Provinz, bis ich nach Dresden wanderte. Ab und zu verdiene ich eine Kleinigkeit für ein Gedicht, das bei mir bestellt wird. Viel brauche ich nicht. Wenn ich nur Cigarren habe. Cigarrenrauchen stillt meinen Hunger und ersetzt mir das Holz zum Einheizen.“