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Julius Max Schottky, Professor. Eine Skizze

Auszug

Wo ließ es sich schöner leben als in Botzens duftigen Weinthälern, Italien im Auge, die Etsch zu seinen Füßen? Und in diesem Paradiese war es, wo Julius Max sein Auge schloß, hier verstummte sein ewig bewegter Mund, hier starb er. Doch wollt’ es der Himmel gnädig mit ihm, sandte ihm als Vorboten des Todes erst den Winter, sammelte Schnee auf den Bergesgipfeln, entblätterte die Maulbeerbäume und ließ es so kalt, öde und zugig werden, daß dem armen Dulder wenigstens die Pein der Entsagung nicht zu hart ankommen mußte, daß er noch einen seiner ersterbenden Blicke, ohne auf die Symbole des Lebens zu stoßen, zum Fenster hinauswerfen konnte. Welch altes Weib mag ihm den letzten Trunk Wasser gereicht haben! Wie erstaunt muß die Todtenwäscherin gewesen seyn, als sie nach seinem Kopfe fühlte, und ihr der falsche Haarprunk des entseelten Jünglings von vierzig Jahren in den Händen blieb! Du guter Schottky! verzeihe Deinem Freunde, mit dem Du im Leben nie anders als lächelnd sprachst, daß er noch in Deiner letzten Stunde mit Dir Scherze treibt und Deinen fernen, einsamen Grabeshügel mit muthwilligen, lachenden Blumen bestreut! Vergieb, der Du viel vergeben! Lache, wie Du oft thatest, wenn der Wurm der Vergänglichkeit schon an Deinem Mark nagte! Ich habe kein Bild von Dir, wie Du hast einsam auf einem Erkerstübchen sterben können, wie ein frommer Mönch Dir das Allerheiligste zeigt, wie Du auf geweihter Erde ruhen magst, oder das Bild ist so wehmüthig, so untreu Deinem vollendeten Leben, daß ich dabei nicht verweilen darf, wenn ich einige Züge Deiner heimathlosen Irrfahrt, welche man Dein Leben nennen könnte, dem Gedächtnisse erhalten will. Ich beschwöre Dich, todter Julius Max Schottky, richte Deinen feuchten Leichnam aus dem Grabe auf; hier die Perrücke, hier die falschen Zähne, hier Dein einziger grüner Oberrock, hier das neueste Modekupfer, nach dem Du Dir Deine weiße Cravate binden magst, kehre zurück auf die Terrasse in Neuberghausen, wo wir oft Rettige aßen und Bock tranken, und Du mich dann an die Hand nimmst, um mich in Dein Museum zu führen! Hier liegen sie, die Bausteine Deiner jetzt um ihre Zukunft betrogenen Werke, hier liegen die tausend Zettel, auf welche Du die flüchtigen Beobachtungen des Augenblicks einfingst, hier der neue Roman, den Du in Thiersch’s Soirée vorlesen willst. Es klopft. Ein betreßter Diener bringt von seiner gräflichen Herrschaft einen gnädigen Gruß und diese Rolle mit vielem Danke zurück, es sind die Zeichnungen, welche Du auf eigne Kosten von alten Denkmälern der Malerei hast anfertigen lassen, und für welche sich mehrere Jahre hindurch kein Verleger finden wollte, ein Exemplar dieser Zeichnungen schicktest Du der Gräfin zur Ansicht, sie sah sie an und kauft sie nicht – und kauft sie nicht ! Schottky, was sich da auf Deine Mienen legte, das war kein verdammtes Lächeln, sondern ein lächelndes Verdammt! eine süßliche Desperation, eine anständige Erbitterung, ein Ausdruck aller Deiner Eigenthümlichkei- ten, den man gesehen haben muß, um ihn zu beschreiben, und siehe, ich schicke mich dazu an, mein seliger Freund, ich bin schon im besten Zuge, alle Thüren meines Gedächtnisses sind aufgesperrt, und alles, was sich über Dich in ihm vorfindet, mag in lustigem, buntscheckigem Aufzuge in der ganzen Grandezza Deiner verstorbenen Lächerlichkeit hier jetzt öffentlich hervortreten.