Geflügelte Worte aus dem Leben. Erinnerungen
Auszug
„Geflügelte Worte!“ In meiner Jugend hatte ich um mich her geflügelte Worte genug. Sie kamen von der Lippe der Weisheit, des Rathes, sogar von der Lippe manches Unsterblichen. Aber die Worte hatten - Flügel. Sie entflatterten, wie die geflügelten Worte, die uns einst Vater und Mutter gesprochen. „Geflügelte Worte“, welche Bezeichnung Homer aller menschlichen Rede gegeben hat, sollen besonders betonte, besonders hervorragende, vorzugsweise im Gedächtniß der Zeitgenossen und der Nachwelt behaltene Aussprüche sein. Ob sie in den Reim gekleidet waren oder in die ungebundene Form des Schriftenthums, oder ob sie nur aus einer schlagenden Anecdote entnommen wurden: „Geflügelte Worte“ sollen von Munde zu Munde gehen und fast zum Sprichwort geworden sein. „Geben Sie Gedankenfreiheit!“ ist Posa’s „geflügeltes Wort“, das man auch beim Whistspiel einem neugierigen Einblicker in unsre Karten zurufen kann. Die „geflügelten Worte“ können so zum Gemeinplatz werden, daß jene berliner Dame, die zum erstenmal den Don Carlos sah, gewissermaßen zu entschuldigen ist, daß sie nicht begreifen konnte, wie ein so hoher Geist wie Schiller sein Drama mit einer so „abgenutzten Redensart“, dem „Geflügelten Worte“: „Die schönen Tage von Aranjuez sind nun vorüber!“ beginnen konnte. Ein „geflügeltes Wort“ aus dem Leben, das auf einer Anecdote basirt, können wir alle Tage wiederholen, wenn wir unsere Zeitungen lesen: Oxenstierna’s Geständniß „Es ist kaum glaublich, mit wie wenig Verstand die Welt regiert wird.“