Ein Millionär als Bettler. Atelier-Plauderei
Auszug
Bogumil Dawison, der geniale Schauspieler, ein hochherziger Mensch, durchaus falsch beurtheilt in sämmtlichen Nachrufen, die über ihn nach seinem Tode erschienen sind, konnte nicht von erschütternden Gemüthsaufregungen reden hören, ohne sich sofort dramatisch hineinzuleben und davon Gewinn für seine Kunst zu ziehen. Jede Wunderlichkeit gestaltete sich ihm rasch zu einem Bilde. Namentlich zogen den armen, in geistiger Dunkelheit Verstorbenen Vorgänge des Irrsinnigwerdens an! Sein Wahnsinn in „Lorbeerbaum und Bettelstab“ war durch die täuschende Wiedergabe eines in seinem Irrsinn sich glücklich fühlenden Unglücklichen eine erschütternde Leistung. Nicht minder ergreifend und fern von jeder schauspielerisch bewußten Art, wie diese selbst Emil Devrient in solchen Gebilden nicht unterdrücken konnte, war Dawison als irrer „Lear“, irrer „Spielwaarenhändler“, als „Lord Harleigh“. Sein Organ, das für andere Rollen störend hoch lag und leicht in Fistelton überging, war zu diesen Momenten eines kindlich treuherzigen Bruches mit den logischen Voraussetzungen des Lebens wie geschaffen.
Der Umgang mit einem so genialen Künstler und liebenswürdigen Menschen konnte Dichter nur zur Produktion anregen. Nicht nur, daß Dawison mit Gewissenhaftigkeit im Zusammenhang des ästhetischliterarischen Lebens und Schaffens der Zeit zu bleiben suchte, gern in seiner ausgesuchten und immer neuvermehrten Bibliothek verweilte, er hielt auch einer Phantasie, die einen dichterischen Plan im Augenblick gestaltete, sofort Stand, nahm diesen auf, half ihn mit weiterführen und verschaffte dadurch dem Gleichgestimmten Stunden wahren Genusses. Wie oft besuchte ich den am Dresdener Hoftheater angestellten Künstler durch eine kleine versteckte Thür des abgebrannten Theaters und unterhielt mich in seiner engen Garderobe, während Tartüffe, Richard III., Hamlet schon „fertig“ vor mir standen und nur noch vor den rings aufgehängten Spiegeln an ihrer Maske diese oder jene Falte retouchirt bekamen, über Dinge, die für uns Beide Lebensfragen waren! Denn die gründlichste Vorbereitung, die seinen Darstellungen vorangegangen war („ das dank ’ ich meiner ersten Frau !“ sprach er oft mit verklärt nach Oben gerichtetem Auge), ließ ihn während des Ankleidens gemüthlich plaudern und freilich dann auch, von der Klingel des Inspizienten aufgeregt, jene raschen Aeußerungen thun, vor den Gehülfen jene Urtheile aussprechen, die nicht Jedermann gefielen. Sie wurden weitergetragen und mehrten die Zahl seiner Feinde.