Assing, Varnhagens Schwager
Auszug
Ich gestehe Ihnen, lieber Freund, daß die Bekanntschaft mit einer aus so eigenthümlich zarten Stoffen zusammengesetzten Natur von großem Eindruck auf mich war. Von Ihnen, Lewald, hab’ ich vor fast zwölf Jahren die erste freie Auffassung des Lebens, des Lebens in seiner bunten Mannichfaltigkeit, empfangen; durch Sie hab’ ich genießen und weise genießen gelernt, wenn Weisheit des Genusses darin besteht, erst sich den Genuß zu verdienen, dann ihn einzutheilen und, leicht gesättigt, die letzte Hefe zu verschmähen. Durch Assing dagegen ist mir zum Erstenmale im Leben etwas Andres klar geworden, nämlich die Gränze alles Meinungskampfes. Wie ich ihn zum Erstenmale sah, kam ich ganz erhitzt, ganz bestäubt, ja ich möchte fast sagen, verwildert aus einem Ideenfeldzuge, den ich Jahre hindurch hartnäckig geführt hatte. Mißgeschick hatte verbittert, Kummer war Galle geworden. Der Kampf war von den Gedanken auf die Personen übergegangen und fremde Rücksichtslosigkeit hatte die eigne erzeugt. Da lernt’ ich diese Sinnpflanze Assing kennen. Ich erschrak, daß es Naturen gab, die in geistigen Dingen so zart angefaßt seyn wollten. Seine Schonung gegen Andersdenkende, seine Geneigtheit, bei doppelsinnigen Gerüchten über die Menschen immer erst das Gute zu glauben, sein Aufschrecken bei jedem kränkenden, im Gegner die Persönlichkeit verletzenden Worte, alle diese Ausströmungen eines edlen und reinen Wesens zogen mich um so inniger zu ihm, als ich wohl fühlte, daß ihn die Wildheit der damaligen und noch jetzt üblichen Polemik und oft meine eigne Rücksichtslosigkeit beklemmen mußten. Ich schrieb damals den Telegraphen. Sie wissen, was für Späne fielen. Ein glückliches Geschick führte mich aber in Assings Nähe. Er wurde unwissentlich der Probirstein meines Styls, meiner Darstellung. Ich dachte immer, wie wird dieß auf ihn wirken, kann ich jenes ihm unter die Augen treten lassen? Gern hätt’ ich ihm jede Nummer unterschlagen, in der ich gezwungen gewesen war, in einen groben Klotz einen groben Keil zu treiben. Ja, ich schrieb mich in ihn hinein, wie in mein eignes Gewissen.