Alter und neuer Glaube – bei Tisch
Auszug
Strauß’ Anwesenheit in Dresden war ausschließlich der Gemälde-Galerie gewidmet. Persönlichkeiten, die gerade ihm hätten von Werth sein können, gab es in dem reactionär gesinnten Künstler- und Gelehrtenkreise der Stadt wenig. Selbst freigesinnteren Männern hatte der Verfasser des „Leben Jesu“ schon damals über das Ziel hinausgeschossen. Einige berühmte Maler, die durchaus nur dem Luftzuge folgten, der von Berlin und Sanssouci herüberwehte, hätten sich wol gar erlaubt, wenn man sie mit dem Gast zusammengeführt, den Mann mit einer Art ironischer Duldung zu behandeln, die in jener selbstgenügsamen Sphäre an der Tagesordnung war. So gerieth ich in Verlegenheit, wen ich zu einer Mittagseinladung als vierten oder fünften Gast wählen sollte, denn einige nächste Hausfreunde als Genossen der Partie, die sich Strauß aufs allereinfachste und ganz im häuslichen Kreise erbat, fanden sich natürlich wie von selbst.
Da lag denn auch die gemüthliche Frage, welches das - Leibgericht des verehrten Mannes wäre, in erlaubter Nähe. Und siehe! der Unglückliche, der an dem schmerzlichsten Uebel gestorben ist, am Magenkrebs, bestellte sich als sein Leibgericht einen Genuß, der einen - Straußenmagen (hier lucus a non lucendo !) voraussetzte, wenn dem Geständniß und der Anführung der Horaz’schen Devise: Nitimur in vetitum (gerade, was uns verboten ist, reizt) die Erklärung folgte: Aal ist meine Lieblingsspeise in jeder Zubereitung, selbst als Aalsuppe. Wenn ich nicht irre, folgte die Bemerkung, daß Schwaben zwar eine Stadt Aalen, aber keine Aale hat.