Aus der Knabenzeit (1873)
Auszug
Hier nun, dicht an einer in der Mitte liegenden sogenannten „Jungfernbrücke“ – der Forscher steht sinnend und fragt den Verein für die Geschichte der Mark : Wieso „Jungfern“? – erhebt sich ein jetzt etwas modernisirtes Eckhaus , das vor einem halben Jahrhundert die Lehr- und Lernkräfte des Friedrich Werder’schen Gymnasiums beherbergte. Dem Styl nach war es einer jener Bauten, die den Charakter aller Kasernen-, Lazareth-, Militärmagazins-, Garnisonkirchen-, Schulbauten der Fridericianischen Zeit trugen. Die Außenseite hatte hier und da etwas Stuccaturschmuck. Die Fenster waren hoch, die Zimmer geräumig. Eine große Aufgangstreppe erlaubte die Massenentfaltung der Schuljugend. Der Hof eignete sich vorzugsweise für die Nachahmung der damals beliebten Kämpfe zwischen Türken und Hellenen. Denn Kanaris, Miaulis, Kolokotroni waren in den zwanziger Jahren die Helden des Tages, deren Abbildungen, grell mit Wasserfarben getuscht, neben Ludwig Sand’s Enthauptung an allen Buchbinderläden hingen.
Das Friedrich-Werder’sche Gymnasium befand sich 1822 nach längerer Blüthezeit ohne Zweifel schon im Verfall. Gegründet durch den Philanthropinismus der Nicolaischen Zeit , zuerst geleitet vom vielgerühmten Pädagogen Friedrich Gedike , konnte die Anstalt aus Mangel an Mitteln den Wettstreit mit den beiden älteren Gymnasien der Stadt, dem Grauen Kloster und dem Joachimsthal , nicht aushalten. Die Begründung eines neuen Gymnasiums auf der Friedrichsstadt , die Verwandlung des „Köllnischen“ Gymnasiums in eine Anstalt, die sich ausdrücklich für die Aufnahme der immer mehr vom Zeitgeist empfohlenen „Realien“ in ihren Plan bekannte, waren äußere Hemmnisse, zu denen sich noch innere gesellten, die durch den derzeitigen Rector , die vorhandenen Lehrkräfte nicht überwunden werden konnten.